Berlin. Seit einem Jahr weisen Handelsketten bei Fleisch die Art der Tierhaltung aus. Zugegriffen wird weiter bei der billigeren Variante.

Seit einem Jahr können Verbraucher beim Fleischkauf im Supermarkt erkennen, wie die Tiere gehalten worden sind. Die großen Handelsketten Edeka, Rewe, Aldi und Lidl führten eine eigene vierstufige Kennzeichnung fürs Tierwohl ein. Doch Fleisch der oberen Stufen liegt weiterhin nur selten in den Kühlregalen.

Ein Jahr nach der Einführung der Tierwohl-Kennzeichnung sind 90 Prozent des Rindfleischs und rund 80 Prozent des Schweinefleischs mit dem Mindeststandard „Stallhaltung“ gekennzeichnet. Etwas anders sieht die Lage bei Geflügel aus: Hier kommen 85 Prozent der Hähnchen und 98 Prozent der Puten aus Betrieben, die die Stufe 2 – „Stallhaltung Plus“ erfüllen. Hier haben die Tiere zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungsmaterial. Das geht aus Zahlen der Initiative Tierwohl hervor.

Bessere Haltungsbedingungen versprechen darüber hinaus die Stufe 3 „Außenklima“ mit mehr Platz und Frischluft-Kontakt sowie Stufe 4 „Premium“ mit Auslauf im Freien. Biofleisch wird ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet.

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    Tierwohl: Verbraucher entscheiden mit Kaufverhalten über Haltungsbedingungen

    Wie groß der Anteil von Fleisch aus besseren Haltungsbedingungen im Handel ist, darüber entscheiden letztlich die Verbraucher mit ihrem Kaufverhalten: „Kein Händler legt sich die Ware ins Regal, wenn er nicht davon ausgehen kann, dass er sie auch verkaufen kann“, sagt Tierwohl-Geschäftsführer Alexander Hinrichs. Je höher die Stufe der Haltungsform, desto höher ist in der Regel auch der Preis.

    Das betont auch die Handelskette Rewe: „Für eine Etablierung höherer Standards ist eine entsprechende Nachfrage bei den Kunden essenziell.“ Wesentliche Änderungen im Kaufverhalten habe man aber in den vergangenen zwölf Monaten seit Einführung der Kennzeichnung nicht feststellen können. „Die Preissensibilität ist nach wie vor hoch.“ Der Bauernpräsident fordert: Lebensmittel müssten teurer sein.

    Auch der Discounter Lidl zieht eine eher durchwachsene Bilanz: „Wir merken, dass Kunden mehr auf die Haltungskennzeichnung achten sowie verstärkt Fleisch aus einer höheren Stufe einfordern. Dass Verbraucher durch ihr Einkaufsverhalten Fleisch aus einer tierwohlgerechteren Haltung fördern, stellen wir aber nur bedingt fest“, sagte eine Sprecherin. Bei Aldi heißt es mit Blick auf das Übergewicht der Stufen 1 und 2, das Angebot spiegele „das Nachfrageverhalten unserer Kunden wider“.

    Tierschützer fordern durchgehend höhere Haltungsstandards

    Für den Tierschutzbund geht der Eigeninitiative der Ketten allerdings nicht weit genug. Wenn der Handel mit dem Kennzeichen wirklich etwas für den Tierschutz tun möchte, „müsste er konsequent die ersten beiden Stufen auslisten und weggehen von der Billigpreispolitik“, sagte Verbands-Expertin Claudia Salzborn.

    Auch Verbraucherschützern reicht die Kennzeichnung nicht aus. Der Handel war mit seinem eigenen Tierwohl-Label einer umfassenderen staatlichen Regelung zuvor gekommen. Diese umfasse auch Kriterien zu Aufzucht, Transport und Schlachtung, sagt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das System des Handels kenne diese Punkte nicht. Tierwohl: Das bringt das Label bei Aldi & Co. wirklich.

    Koalitionsstreit über staatliches Tierwohl-Label

    Das staatliche Kennzeichen plant Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) in drei Stufen mit steigenden Anforderungen – sie beginnen über dem gesetzlichen Standard. Bauern sollen das Logo bei entsprechender Tierhaltung freiwillig nutzen können. In der ersten Stufe sollen Schweine zum Beispiel 20 Prozent mehr Platz im Stall haben. Das Kabinett hat im Herbst einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Doch es gibt Ärger, vor allem wegen der Freiwilligkeit.

    SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, es sei klar, dass der Entwurf so keine Mehrheit bekomme. „Ohne eine Nutztierstrategie und eine Verpflichtung wird es kein Label geben.“ Die Strategie müsse zuerst festlegen, welche Vorgaben artgerechte Nutztierhaltung zu erfüllen habe. Daran müsse sich dann die Kennzeichnung orientieren.

    Wenn das Ministerium hier nicht endlich liefere, werde die Einführung des Tierwohllabels „in dieser Legislaturperiode immer schwieriger“. Eigentlich sollte die Kennzeichnung 2020 kommen.

    Verbraucherschützer fordert europäische Tierwohl-Kennzeichnung

    Klöckners Ressort setzt auf eine „zeitnahe“ Beratung im Bundestag. Und betont, eine verpflichtende nationale Kennzeichnung sei wegen Diskriminierung von EU-Ausländern de facto nicht möglich. Verbraucherschützer Müller fordert loszulegen, auch wenn es nur freiwillig möglich ist. „Aber das kann eine Dynamik auslösen.“ Mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr gebe es „eine großartige Chance, aus diesem freiwilligen deutschen Label ein verbindliches europäisches Label zu machen“. (aky/dpa)