Hamburg. Der gesunkene Ölpreis führt zu preiswertem Sprit. Hamburgs Tankstellenpächter können davon nicht profitieren.
Die Tankstelle am Winterhuder Weg ist an diesem Nachmittag so leer wie sonst nur sonntags ganz früh. Kein Auto an den Zapfsäulen. Im Shop steht der Mitarbeiter gelangweilt hinter der Plexiglasscheibe, die vor Ansteckung mit dem Coronavirus schützen soll.
Die Brötchentheke ist mit rot-weißem Band abgesperrt. „Bitte keine Selbstbedienung“, steht auf einem Zettel über den Brezeln. Die Menschen sitzen im Homeoffice und müssen nicht mehr ins Büro fahren, Besuche bei Freunden fallen aus, Geschäftsleute treffen sich virtuell statt in Büros. Corona fährt das Leben herunter, dadurch steht der Verkehr weitgehend still, und die Menschen müssen seltener tanken. „Hier ist praktisch nichts mehr los“, sagt eine Angestellte bei Total am Mundsburger Damm.
Kunden könnten sich über niedrige Preise freuen
Dabei könnten sich die Kunden in den schwierigen Zeiten über niedrige Preise für Kraftstoff freuen. Der Liter Super E10 pendelt in diesen Tagen um die 1,20 Euro, Diesel erreicht zuweilen noch nicht einmal die Marke von 1,10 Euro. Wie eine Auswertung des ADAC für Deutschland zeigt, war Benzin im März im Monatsdurchschnitt so günstig wie zuletzt im August 2016.
Auch gegenüber dem Februar sind die Preise demnach noch einmal um rund zehn Cent gesunken. Damit nicht genug: Wegen der niedrigen Notierungen für Rohöl bestehe ein „Spielraum für einen weiteren Rückgang der Spritpreise“, so der ADAC.
Denn auch wenn die Rohölpreise die der Kraftstoffe wegen der Energiesteuer und anderer Komponenten nicht allein beeinflussten, sei der Preisrückgang am Rohölmarkt noch nicht in vollem Umfang bei den Verbrauchern angekommen, betont der Automobilclub.
Höhere Kosten für Bio-Kraftstoffe
Der Forderung nach noch günstigerem Sprit erteilt der Mineralölwirtschaftsverband (MWV), der die Interessen der Ölindustrie in Deutschland vertritt, naturgemäß eine Absage: „Die Raffinerien und Tankstellen stehen wegen des coronabedingten erheblichen Absatzrückgangs höheren Produktions- und Vertriebskosten pro Kunde gegenüber“, sagt MWV-Hauptgeschäftsführer Christian Küchen.
Darüber hinaus verzeichne die Branche höhere Kosten für Biokraftstoffe, eine Folge verschärfter gesetzlicher Vorgaben für den Klimaschutz. „Diese Kosten müssen gedeckt werden, denn nur wenn Raffinerien und Tankstellen wirtschaftlich arbeiten, ist ihr Bestand langfristig gesichert“, argumentiert Küchen.
Dass die Firmen jetzt in Bedrängnis kommen, bestätigt Stephan Zieger vom Bundesverband Freier Tankstellen. „Der Absatz geht stark zurück“, sagt er. Einige Betriebe hätten bereits Kurzarbeit beantragt.
Niedersachsen verbietet Öffnung der Waschanlagen
Zwar laufe das Geschäft mit Tabak und Zeitungen nach wie vor recht ordentlich, die Bistros aber müssten schließen. In Hamburg tragen auch die Autowäschen nach wie vor gut zu den Einnahmen der Tankstellen bei, die Menschen wollten ihre Werte erhalten. Niedersachsen hat die Öffnung der Waschanlagen allerdings seit dem Wochenende verboten, sodass hier diese Einnahmen für die Firmen wegfallen.
Von einem „wirklich deutlich spürbaren Rückgang beim Diesel und vor allem beim Benzin an den Tankstellen“, spricht Cornelia Wolber von Shell. Und auch in den Shops spürten die Betreiber die coronabedingt zurückgehenden Erlöse, so die Shell-Sprecherin. Bei den großen Marken wie Total oder Shell sind die Mineralölgesellschaften meist die Eigentümer, die Betreiber pachten häufig nur die Tankstellen.
Betreiber spüren Rückgang der Erlöse in den Shops
Ein Sprecher des Tankstellen-Interessenverbands forderte jetzt, diese Pacht auf null zu setzen. Eine Situation wie derzeit könnten die Pächter kurzfristig überstehen, „aber drei, vier Wochen oder gar mehr kann so ein kleiner Tankstellenbetreiber nicht wegschlucken“, so der Sprecher. Es drohe ein Tankstellensterben.
Die günstigen Preise an den Zapfsäulen sind eine Folge der gesunkenen Kosten für die Rohstoffe. Die Notierungen bei Rohöl hatten sich bereits in den vergangenen Wochen auf ihr niedriges Niveau eingependelt. Sie sanken wegen der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie deutlich auf den tiefsten Stand seit November 2002 ab.
Der ADAC gibt Tipps,wann man tanken soll
Damals hatten die Ölpreise infolge der Terroranschläge am 11. September 2001 unter Druck gestanden. Derzeit belastet aber nicht nur der geringere Bedarf an Öl den Markt. Auf der Angebotsseite herrscht ein Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und Russland. Die beiden Länder hoben zuletzt die Fördermenge deutlich an, was die Preise zusätzlich drückt.
US-Präsident Donald Trump hatte in den vergangenen Tagen dann Gespräche zwischen Saudi-Arabien und Russland in Aussicht gestellt. Er habe mit den Staatslenkern gesprochen, und diese würden eine Lösung für den Ölpreisverfall finden, gab er sich zuversichtlich. Trump hat ein Interesse an einem Ende des Konflikts, da bei solch niedrigen Preisen viele Ölförderfirmen in den USA nicht mehr gewinnbringend produzieren können. Falls es nötig sei, könnten auch neue Zölle auf Ölimporte erwogen werden, so Trump am Wochenende.
Förderkürzung reicht nicht aus
Sollte es zu einem Treffen der großen Förderländer kommen, wahrscheinlich am Donnerstag, wären es die ersten Gespräche zwischen den Streitparteien seit dem Scheitern der Opec+-Vereinbarung Anfang März. Aus Sicht von Marktbeobachtern ist die Ankündigung von Gesprächen aber lediglich ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Produzenten. So hieß es vonseiten der Internationalen Energieagentur (IEA), dass selbst die größte Förderkürzung in der Geschichte der Ölindustrie nicht ausreichen würde, um den Markt zu beruhigen.
Also werden die Preise wohl auch im April niedrig bleiben, wegen der Angst vor einer globalen Rezession, des weiterhin großen Ölangebots und der geringen Nachfrage. So bleiben etwa die meisten Flugzeuge am Boden, der Bedarf an Kerosin sinkt. Aus Sicht der Autofahrer gilt derzeit, wie auch zu „normalen“ Zeiten, am besten die Preise zu vergleichen. So tankt man nach einer aktuellen Auswertung des ADAC in der Regel am günstigsten zwischen 18 und 22 Uhr.