Hamburg. Die Bäckerei wollte Zahlungen reduzieren. Vermieter protestiert mit ungewöhnlicher Aktion – und bringt Junge gegen sich auf.
Die Auseinandersetzung um die Zahlung von Gewerbemieten ist in Winsen (Luhe) südlich von Hamburg kurzzeitig eskaliert. Über den Brief der Bäckereikette Junge war Vermieter Jens Peter Oertzen so empört, dass er am Freitag einen Geländewagen direkt vor dem Eingang der schon geschlossenen Bäckerei parkte und mit Aushängen hinter der Seitenscheibe seines Fahrzeugs gegen die ab April angekündigte Mietreduzierung um 70 Prozent für die kommenden drei Monate durch Junge protestierte.
Dazu heftete er einen Auszug aus der Konzernbilanz des Unternehmens mit dem Verweis auf hohe liquide Mittel des Unternehmens. Durch die sozialen Netzwerke verbreitete sich die Aktion schnell, offensichtlich auch bis zum Firmensitz von Junge in Lübeck.
Vermieter hatte Bäckerei Junge eine Stundung angeboten
Oertzen bestätigte auf Nachfrage den Vorfall und räumt ein, dass die Sache eskaliert sei. Inzwischen hat ihm Junge die komplette Aprilmiete überwiesen. „Daraufhin habe ich noch am Freitag das Fahrzeug entfernt. Ich hatte dem Unternehmen eine Stundung der Aprilmiete um 50 Prozent angeboten, und über die Maimiete hätte man verhandeln können, denn auch ich muss Finanzierungsraten für das erst sechs Jahre alte Objekt in der Rathausstraße bezahlen“, sagt Oertzen. „Miteinander sprechen kann man, aber diese Serienbriefe, die man nur noch unterschrieben zurückschicken soll, gehen nicht.“
Junge ist über die Aktion des Vermieters sehr verärgert. „Das ist das Gegenteil von dem, was wir von den meisten Vermietern in dieser angespannten Situation erfahren“, sagt Firmensprecher Gerd Hofrichter. Der Großteil der Vermieter komme dem Unternehmen entgegen, auch wenn nicht alle mit 70 Prozent Mietminderung einverstanden sind. „Auch wenn die meisten der 200 Filialen noch geöffnet sind, betragen die Umsatzeinbußen 70 bis 80 Prozent. Das können wir nicht allein schultern.“ Die Bäckereikette Dat Backhus hatte ihren Vermietern angekündigt, die Mietzahlungen ab April nur unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu überweisen.
Rechtsprofessor Alexander Schall von der Leuphana Universität Lüneburg kommt zu dem Ergebnis „dass jedenfalls während der Zeit der behördlich angeordneten kompletten Geschäftsschließungen keine Miete oder Pacht für die Geschäftslokale zu zahlen ist“. Denn der Hauptzweck des Vertrages sei nicht erfüllbar, auch wenn dafür nicht der Vermieter verantwortlich sei. Bei Läden, die noch geöffnet sind, aber unter hohen Umsatzeinbußen leiden, rät der Rechtsexperte den Vertragsparteien, eine vernünftige Lösung für die Dauer der Krise auszuhandeln, schließt aber auch nicht aus, dass eine Mietminderung einseitig vom Mieter erzwungen werden kann.
Individuelle Lösungen
Auch weitere Ketten wie Thalia und Tchibo, die komplett geschlossen sind, fordern von ihren Vermietern einen Mietverzicht von 50 Prozent. „Wir sind mit unseren Vermietern im Gespräch, um individuelle Lösungen zu erreichen“, sagt ein Tchibo-Sprecher. Die 50 Prozent seien nur ein Vorschlag. Die Mehrheit zeige großes Verständnis, heißt es. Die Aprilmiete sei aber noch überwiesen worden.
Ähnlich argumentiert auch Thalia. „Wir möchten den Schaden hälftig teilen und streben auf der Basis eine faire Lösung für alle Beteiligten an“, sagt Claus Ortner von Thalia. Die Rückmeldungen zeigten, dass man in den meisten Fällen auf großes Verständnis stoße.