Hamburg. Die Verbraucherzentrale Hamburg erhält in der Coronakrise täglich zehn bis 15 Beschwerden zu Preiserhöhungen.

Armin Valet hat sich bundesweit einen Namen als Lebensmitteldetektiv gemacht. Der Hamburger Verbraucherschützer spürt normalerweise versteckte Preiserhöhungen von Unternehmen auf. Der Klassiker: In die Packungen kommt weniger Inhalt rein, aber der Preis bleibt gleich – kommuniziert wird das natürlich nicht. Die verzwickte Variante: Es wird auf eine neue Rezeptur verwiesen. Im Zuge der „Qualitätsverbesserung“ versucht der Hersteller dann eine Verteuerung am Markt durchzusetzen. Ob der Zutatenmix wirklich besser ist, bleibt oft fraglich. Teilweise werden bei solchen Marketingsprüchen sogar hochwertigere Rohstoffe durch minderwertigere ersetzt.

Viele Hinweise auf solche Mogelpackungen erhält der 54-Jährige übrigens von Verbrauchern – und in der Coronakrise machen diese ihn nun vermehrt auf ein anderes Phänomen aufmerksam: Wucherpreise. Güter des täglichen Bedarfs werden plötzlich bei einigen Händlern zur Rarität und zum Spekulationsobjekt. „Wir bekommen sehr viele Beschwerden, jeden Tag etwa zehn bis 15 Stück“, sagt Valet. „Die Hotline führen Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel und Toilettenpapier an.“

Nachfrage bestimmt den Preis

Die Verbraucherzentrale Hamburg sammelte auf ihrer Webseite Beispiele. So kosteten acht Rollen Klopapier bei einem Internetanbieter plötzlich 32,99 Euro. Schwacher Trost: Die Lieferung sollte immerhin kostenlos sein. Normalerweise kostet so ein Paket etwas mehr als 2 Euro. Der Anbieter hatte den Preis auf etwa das 15-Fache erhöht. Valets Einschätzung ist klar: „Das ist Wucher!“

In der Marktwirtschaft ist einer der Grundzüge, dass die Nachfrage den Preis bestimmt. Die Preise können natürlich auch erheblich voneinander abweichen. Das kennen wohl alle Verbraucher, wenn sie zum Beispiel an Autobahnraststätten, Bahnhöfen, Flughäfen und Kiosken statt in Supermärkten Produkte wie Wasser, Schokolade oder Gummibärchen kaufen. Doch die Höhe des Aufschlags und die Situation spiele eine Rolle, so Valet: „Von Wucher spricht man dann, wenn jemand die Zwangslage eines anderen ausnutzt, um seine Waren so teuer zu verkaufen, dass schließlich zwischen Preis und Warenwert ein krasses Missverhältnis steht.“

Verbraucher in Panik

Gerade beim Klopapier scheinen einige Händler in der Coronakrise weniger die Versorgung der Bevölkerung, sondern den eigenen Reibach im Auge gehabt zu haben. Bei vielen Verbrauchern gab es offenbar die Panik, dass der Hygieneartikel bald ausverkauft sein könnte. Entsprechend hamsterten sie. Das Statistische Bundesamt wertete das Einkaufsverhalten aus den Daten von Scannerkassen in Geschäften aus. Das Ergebnis: Die Nachfrage nach den gerollten Papierblättern war in der zwölften Kalenderwoche mehr als dreimal so hoch wie in einer normalen Woche. Auch eine Baumarktkette wollte offenbar auf den Hype aufspringen und bot ein Viererpack WC-Rollen an. Der Preis: satte 5,99 Euro. Das Paket war damit etwa sechsmal so teuer wie normal. An anderer Stelle wurden Atemschutzmasken für 999 Euro offeriert.

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Solche „Angebote“ fallen für den Verbraucherschützer unter die Kategorie Wucher. Der Bundesgerichtshof spreche bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung davon. „Wenn mehr als der doppelte Preis für ein Produkt verlangt wird als normalerweise üblich“, sagt Valet. Solche Geschäfte seien sittenwidrig und nichtig. Wucher ist sogar in Paragraf 291 des Strafgesetzbuchs geregelt. Die Sünder können bei schweren Fällen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt werden.

Desinfektionsmittel ebenfalls sehr gefragt

Besonders gefragt in der Coronapandemie sind Desinfektionsmittel – auch wenn sich darüber streiten lässt, ob ihr Einsatz sinnvoll ist. Ein Viertelliter Hygienespray der Marke Domol kostet im Normalfall bei einem Discounter knapp 2 Euro. In einem Onlineshop wurde es für 13,99 Euro „angeboten“ – und das meinte der Händler durchaus wörtlich. Denn als regulären Preis nannte er 14,99 Euro, und man erhielt den Hinweis: „Sie sparen: 1,00 Euro (7 Prozent).“ Ein Liter Sterilium wurde für 199 Euro angeboten. In anderen Onlineshops war das Mittel in der Menge für knapp zehn Euro zu bestellen – allerdings mit mehrwöchiger Lieferzeit. Ein Seifenspender der Rossmann-Eigenmarke Isana sollte statt 65 Cent 4,99 Euro kosten.

Verbraucher machten die Hamburger Organisation auch auf Wucherpreise bei Lebensmitteln aufmerksam. Eine Dose Mais sollte statt beispielsweise 1,55 Euro bei einem Händler 5,94 Euro kosten. Ein Viererpack Hefe von Dr. Oetker wurde für 33,30 Euro statt 99 Cent zum Verkauf gestellt. Eine Anfangsmilch für Säuglinge kostete auf ein Kilogramm umgerechnet 26,66 Euro statt regulär 10,90 Euro.

Auf das Impressum achten

Alle diese Beispiele fand Valet auf sogenannten Marktplätzen von Händlern wie Real, Amazon und Ebay. Dort verkaufen Drittfirmen ihre Waren, nicht die bekannten Konzerne selbst. „Auf Marktplätzen sollte man genau schauen, wer der Anbieter ist“, gibt Valet den Kunden mit auf den Weg. „Denn häufig werden dort Wucherpreise verlangt.“ Auch sollte man genau überlegen, ob man die Ware wirklich jetzt brauche und nicht noch warten könne.

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Wer überteuerte Produkte online bestellt habe, könne den Vertrag grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Ware widerrufen. Falls man den Betrag schon bezahlt habe, könne man das Geld zurückverlangen. Auf den Wunsch nach Vorkasse sollte man nicht eingehen. Insbesondere Fakeshops fordern dies häufig. Höchste Vorsicht ist daher geboten, wenn der Verkäufer weder ein Impressum hat noch eine direkte Möglichkeit der Kontaktaufnahme angibt.

Erdbeeren und Spargelteurer als in den Vorjahren?

Für den Kauf von Toilettenpapier und Ähnlichem biete sich ohnehin nicht der Internethandel, sondern das stationäre Geschäft an. In den Läden kämen Wucherpreise momentan eher selten vor, sagt Valet. „Es gibt Preiserhöhungen. Sie liegen aber noch in einem Bereich, in dem sie nachvollziehbar sind.“ In den nächsten Wochen könnte sich das allerdings nach seiner Einschätzung ändern.

Insbesondere frische Produkte wie Erdbeeren und Spargel könnten teurer werden. Das hängt aber auch davon ab, ob die Politik das Problem mit den Erntehelfern dauerhaft löst – und wie hoch die Erntemenge ist.

Wer Wucherpreise entdeckt, kann diese unter www.vzhh.de/beschwerde melden.

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