Hamburg. Am Freitag kommt das Plenum der Handelskammer zusammen. Eine ungewöhnliche Sitzung in Krisenzeiten.
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Wenn am Freitag das frisch gewählte Plenum der Handelskammer zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt, wird einiges anders ablaufen als üblich. Anstatt im Plenarsaal werden sich die Mitglieder des Plenums im Börsensaal versammeln. Dort sind Tische und Stühle aufgestellt, akkurat im Abstand von mindestens zwei Metern zum Nebenmann. Zusätzlich gibt es für Plenarier, die der Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus vorbeugen wollen, die Möglichkeit, sich per Telefonkonferenz zur Sitzung zuzuschalten. Und schließlich wird das noch amtierende Präsidium, das die Sitzung normalerweise eröffnet und dann die Amtsgeschäfte dem neu gewählten Präsidium übergibt, gar nicht erst erscheinen. Es bleibt der Sitzung fern. Aus Protest.
„Wir durchleben wegen der Coronapandemie schwerste Zeiten, und die Handelskammer verwendet derzeit alle Kraft darauf, eine Sitzung vorzubereiten, die von Anfang an unter keinem guten Stern steht“, sagt Vizepräses André Mücke, der die Geschicke derzeit führt. Er und seine Präsidiumskollegen hatten sich für eine Verschiebung der Sitzung um einige Wochen ausgesprochen, auf einen Zeitpunkt, wenn sich das Infektionsgeschehen beruhigt hat. Sein Argument: „Es gibt ein handlungsfähiges Präsidium, das die Zeit überbrücken kann.“
Plenum will Fehler der Vergangenheit überwinden
36 Mitglieder des neu gewählten Plenums wandten sich aber gegen den Beschluss und erzwangen per Antrag, dass die konstituierende Sitzung wie abgemacht in dieser Woche stattfindet. Sie werfen Mücke vor, an seinem Stuhl zu kleben. Denn auch das steht fest: Niemand aus dem alten Präsidium hat den Sprung ins neue Plenum geschafft. So gibt es schon wieder Unruhe in der Handelskammer – noch bevor die neue Wahlperiode richtig begonnen hat.
Dabei tritt das neue Plenum eigentlich an, um genau diese Fehler der Vergangenheit zu überwinden. Der Kleinkrieg, den sich die ehemaligen Kammerrebellen in den vergangenen drei Jahren geleistet haben und der die Arbeit der Wirtschaftsvertretung lähmte, soll überwunden werden. Dazu hatten sich zahlreiche Hamburger Unternehmer zur Wahlgruppe Starke Wirtschaft zusammengeschlossen, die dann auch als die Sieger aus den jüngsten Kammerwahlen hervorgegangen sind. Die Kammerrebellen wurden abgewählt, und die neue Führung will rasch mit der Arbeit beginnen und vor allem ein neues Präsidium wählen, was am Freitag geschehen soll.
Streit um das neue Präsidium
Er halte diese Eile für „unverantwortlich“, sagt Mücke. Zumal er es für wahrscheinlich halte, dass es nach den Wahlen zu rechtlichen Auseinandersetzungen komme. „Einige der neuen Plenarier haben dezidiert darum gebeten, die Sitzung aus Gründen des Gesundheitsschutzes zu verschieben.“ Zumal die Satzung eine telefonische Abstimmung und die Möglichkeit der Briefwahl, die es jetzt zusätzlich geben soll, nicht vorsehe. „Hier bewegt man sich am Rande des Rechts und meiner Ansicht nach darüber hinaus. Nur um schnell die eigene Macht auszubauen“, so Mücke.
Streit gibt es auch ums neue Präsidium. Neben dem Spitzenkandidaten der Starken Wirtschaft, der am Freitag als Einziger für den Präsesposten kandidiert, der Kulturmanager Norbert Aust, kämpfen elf Bewerber um sechs Stellvertreterposten. Sechs davon gehören der Starken Wirtschaft an, nur drei dem ehemaligen Wahlbündnis um Mücke, Zukunftskammer Hamburg. Ein weiterer Vertreter, der Hafenmanager Johan Killinger, gehört zum Kern der verbliebenen Kammerrebellen.
Rundmail sorgt für Aufregung
Der geschäftsführende Gesellschafter der Drogeriemarktkette Budnikowsky, Cord Wöhlke, bewirbt sich als unabhängiger Kandidat um einen Sitz im Präsidium. Für Aufregung sorgt eine Rundmail des Neu-Plenariers Henner Buhck, in der er eine Wahlempfehlung fürs neue Präsidium ausspricht – und zwar für jene sechs Bewerber, die für die Wahlgruppe Starke Wirtschaft angetreten sind. Andere Kandidaten befürchten nun ein abgekartetes Spiel.
Aust weist das zurück. Die Plattform Starke Wirtschaft habe nur für den Zeitraum der Wahl bestanden und sich mit deren Abschluss aufgelöst, sagt er. Er könne mit jedem der elf Bewerber zusammenarbeiten und werde keine Wahlempfehlung abgeben. „Mit einer Ausnahme: Ich habe angekündigt, dass ich mit Frau Nissen-Schmidt eine Doppelspitze bilden und eine Aufgabenteilung vornehmen möchte. Deshalb werde ich für ihre Wahl werben.“ Wichtig sei aber, dass das Präsidium eine gewisse Spiegelbildlichkeit des Plenums wiedergebe, nach Branchen, Betriebsgrößen und mit mehr als nur einer Frau.
Informationen zum Coronavirus:
- Die Stadt Hamburg informiert die Bürger auch online über das Coronavirus. Zusätzlich gibt es eine Hotline: 040 42828-4000
- Das Robert-Koch-Institut beantwortet häufig gestellte Fragen zu SARS-CoV-2
- Auch das Bundesgesundheitsministerium hat eine eigene Informationsseite zum Virus eingerichtet
Den Vorwurf der überhasteten Sitzung lässt Aust nicht gelten: „Es besteht der Wunsch vieler neuer Plenarier gerade in dieser Krisenzeit, die Handelskammer rasch handlungsfähig zu machen. Es haben sich bereits 43 der 58 gewählten Plenarier zur Sitzung am Freitag angemeldet. Weitere elf haben angekündigt, sich telefonisch dazuzuschalten.“ Die rechtlichen Bedenken Mückes teile er nicht, so Aust. „Es wird ja niemand in seinen Rechten beschränkt, sondern mit der Briefwahl und der Telefonkonferenz schaffen wir ausdrücklich mehr Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe.“ Dass es schon im Vorfeld der Sitzung Kritik gebe, bedauere er. Aust: „Auch ich hatte mir den Übergang zu einem neuen Plenum anders vorgestellt.“