Hamburg. Charterraten für Frachter brechen ein, auch weitere Branchen befürchten Lieferengpässe. Wie deutsche Reeder auf die Zukunft blicken.

Die Meldungen über den Einbruch der Wirtschaftsleistung in China bereitet den deutschen Reedereien Sorgen. Auch sie leiden inzwischen unter der Ausbreitung des Coronavirus. „Chinas Anteil am Weltmarkt beträgt inzwischen 18 Prozent. Wenn Corona nicht bald eingedämmt wird, bekommt nicht nur die Schifffahrt, sondern der Welthandel insgesamt erhebliche Probleme“, sagte Ralf Nagel, der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR).

„Die Lkw-Fahrer fehlen, die Kranfahrer fehlen, viele Hafenarbeiter fehlen, auf den Werften fehlen die Werftarbeiter, sodass die Produktion dort um 30 bis 40 Prozent reduziert ist“, sagte der Präsident des VDR, Alfred Hartmann. Noch könne man die Rückgänge nicht quantifizieren. „Es ist schwer zu unterscheiden, was auf die Corona-Epidemie zurückzuführen ist und was auf die chinesischen Neujahrsferien, die ja drei Wochen dauerten“, sagte Hartmann.

Reeder befürchten erhebliche Auswirkungen auf deutsche Schifffahrt

Wenn aber nicht nur der Export, sondern auch der Rohstoffimport in China betroffen sei, werde das erhebliche Auswirkungen für die deutsche Schifffahrt haben. „Schon jetzt seien die Charterraten für Massengutfrachtschiffe gegenüber Ende 2019 eingebrochen“, sagte Scott Jones von der Reederei Oldendorff in Lübeck. Lagen diese vor dem Jahreswechsel bei 20.000 US-Dollar (umgerechnet 18.370 Euro) pro Tag, seien sie inzwischen auf 5000 bis 10.000 Dollar gefallen.

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Die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie dürften sich in absehbarer Zeit auch in den Häfen von Wilhelmshaven und Bremerhaven bemerkbar machen. Zwar seien die konkreten Folgen für den Seehandel mit China noch unklar. Aber: „Sicher ist, dass es Auswirkungen haben wird“, sagte Bremenports-Sprecher Holger Bruns. Belastbare Daten dazu gebe es noch nicht.

Weitere Branchen rechnen mit Engpässen bei Lieferungen aus Asien

Der Hamburger Hafen hatte erst vergangene Woche bekannt gemacht, dass er keine Prognose für den Geschäftsverlauf 2020 geben will. Im JadeWeserPort in Wilhelmshaven ist nach Angaben des Terminalbetreibers Eurogate derzeit noch nichts zu spüren. Aber mit Blick auf gestrichene Schiffsabfahrten in Asien sei das wohl nur eine Frage der Zeit, betonte Eurogate-Sprecher Steffen Leuthold. Eine Prognose über das Ausmaß könne er noch nicht geben.

Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Indus­trie (BDI) rechnen mehrere Branchen wie Elektro, Automobil, Pharma und Papier in den nächsten Wochen mit Engpässen bei Lieferungen aus Fernost.

Auch ohne Coronavirus: Deutsche Reeder verlieren weiter an Boden

Unabhängig vom Coronavirus haben die deutschen Reeder im vergangenen Jahr weiter an Boden verloren. Die Flotte sank um 184 auf 2140 Schiffe. Zum Vergleich: 2012 waren noch knapp 3600 Schiffe in deutschen Schiffsregistern registriert. „Es lässt sich nicht beschönigen. Wir haben in den vergangenen Jahren 1600 Schiffe verloren“, sagte Hartmann.

Auslöser sei die lang anhaltende Schifffahrtskrise gewesen, in deren Folge auch die deutsche Schiffsfinanzierung weggebrochen sei. Die großen Banken hätten ihre Portfolios abgebaut. Dabei seien etliche Schiffe ins Ausland verkauft worden. Das hatte auch Einfluss auf die Transportkapazitäten. Zwar ist die Tonnage nicht im gleichen Maße gesunken wie die Anzahl der Schiffe, weil diese immer größer werden. Dennoch hat Deutschland in der Containerschifffahrt seine jahrzehntelange Vormachtstellung eingebüßt.

Mit einem Anteil von 14,4 Prozent an der Weltflotte ist Deutschland hinter China auf Platz zwei zurückgefallen. „Dass China uns hier überholen würde, war abzusehen: Zum einen werden heute einfach sehr viel größere Containerschiffe gebaut. Zum anderen handelt es sich um einen erwartbaren Nachlauf der langen Krise nach 2009“, sagte Hartmann. Denn in Deutschland werden keine neuen Schiffe mehr finanziert.

Reeder wehren sich gegen Steuerbelastung

Insgesamt sei die Branche dennoch leicht positiv gestimmt. Dem Verlust an Schiffen würden die deutschen Reeder dadurch begegnen, indem sie sich zunehmend auf das Schiffsmanagement für ausländische Eigentümer verlagerten. „Weg vom Eigentum, hin zur Dienstleistung“, sagte Hartmann. Dabei geht es sowohl um die Befrachtung von Schiffen, wie auch um das operative Management, also die Bereitstellung der Besatzung, Betankung und so fort.

Wichtig sei hierbei, dass die deutschen Reeder nicht weiter in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werden dürften, ergänzte Nagel. „Die Idee der deutschen Steuerverwaltung auf die Bereederung ausländischer Schiffe eine zusätzliche Versicherungssteuer von 19 Prozent zu erheben, ist eine Sonderlast, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Und sie belastet die deutschen Reeder, die sich nun gerade wieder fangen.“

Erfreulich stark sei weiterhin die Zahl deutscher Besatzungsmitglieder mit mehr als 5500. Die Zahl deutscher Berufsanfänger auf See ist gegenüber 2018 leicht gestiegen, was nicht zuletzt an einem von der Bundesregierung geförderten Ausbildungstopf liegt, in den alle Reeder einzahlen. Hartmann: „Es gibt praktisch keine Arbeitslosigkeit deutscher Seeleute.“