Hamburg. Der größte deutsche Tiefkühl-Hersteller platziert mehrere neue fleischlose Produkte. Das Abendblatt hat Iglos Green Cuisine getestet.

Sollte man einen panierten Tiefkühl-Bratling Schnitzel nennen, obwohl er nicht aus Fleisch besteht? Muss ein Hackbällchen, das kein Gramm Hack enthält, so schmecken als bestünde es aus Fleisch? Sind die Supermarktbetreiber bereit, in ihren Tiefkühltruhen Platz zu schaffen für gleich neun neue Produkte? Das sind einige der Fragen, über die sie sich in der Hamburger Iglo-Zentrale in den vergangenen zweieinhalb Jahren ziemlich viele Gedanken gemacht haben.

Zu welchen Antworten Deutschlands größter Tiefkühlkost-Hersteller gekommen ist, lässt sich jetzt in den ersten Supermärkten besichtigen. Seit Mitte Januar kommen Iglos Green-Cuisine-Produkte in den Handel. Es ist nicht weniger als „eine ganz neue Produktkategorie“, sagt Iglo-Chefin Antje Schubert. „Fleischersatzprodukte im Tiefkühlregal gab es hierzulande bislang nicht. Wir nennen es die neue Ess-Klasse.“

Neue Zielgruppe im Visier

Fünf vegetarische Einzelprodukte gehören zum Sortiment: Fleischlose Burger, Hackbällchen und einfaches Hack, Mini-Schnitzel und Pulled BBQ Streifen. Zudem vier Fertiggerichte: Lasagne, Chili sin Carne, Linguine Bolognese sowie Pasta in Rahmsauce. Allen gemeinsam ist, dass das Rind- oder Schweinefleisch, aus dem sie üblicherweise bestehen oder das sie enthalten, durch Erbsenprotein ersetzt wurde. „Soja kam wegen seines schlechten Images nicht infrage, Eiklar auch nicht. Erbsen sind für die Verbraucher ein gelerntes Produkt“, sagt Anne Räwel, die Markenmanagerin von Green Cuisine. Außerdem: Mit tiefgekühlten Erbsen, kennen sie sich bei Iglo seit Jahrzehnten aus.

Mit der neuen Produktfamilie nimmt das Unternehmen eine neue Zielgruppe ins Visier. Die vor einem Jahr eingeführten Veggie-Love-Produkte zielen auf eingefleischte Vegetarier und Veganer. Mit Green Cuisine soll die wachsende Gruppe der Flexitarier gewonnen werden. Also Verbraucher, die nur gelegentlich Fleisch essen und aufgeschlossen sind für pflanzliche Alternativen.

Flexitarier, Vegetarier oder Veganer

Das ist eine Alters- und eine Geschlechterfrage. Während sich inzwischen mehr als ein Drittel der Frauen als Flexitarier bezeichnet, sind es bei Männern nur 20 Prozent. Jeweils nur einige wenige Prozent sind reine Vegetarier oder Veganer. „Wir wollen die aufgeschlossenen Normalverbraucher erreichen“, sagt Antje Schubert.

Das ist auch ein Teil der Antwort darauf, warum das Schaf des Erbsenproteins dann doch im Wolfspelz des Schnitzels oder des Hackbällchens daherkommt. „Wir wollen es den Verbrauchern leicht machen. Die Produkte werden fast genauso zubereitet als wären sie aus Fleisch“, sagt Markenmanagerin Räwel. Und der vegane, panierte Erbsenbratling heißt trotzdem Schnitzel, weil die Verbraucher es so wollen.

Intensive Marktforschung

„Wir haben sehr intensiv Marktforschung betrieben, die Produkte immer wieder mit Verbrauchern getestet, frühzeitig mit dem Handel gesprochen, was er von ihnen hält“, sagt Schubert. Dafür haben sie sich bei Iglo dann mehr Zeit genommen als ursprünglich vorgesehen. So wie in Großbritannien, wo 2019 nur ein Teil der Produkte in den Handel kam, sollte es auch in Deutschland eigentlich schon im vergangenen Jahr losgehen, doch der Start wurde verschoben. „Wir wollten sicher sein, dass die Produkte den deutschen Geschmack voll treffen.“

Nach Fleisch – auch das war ein Ergebnis der Verbrauchertests – soll und muss der Fleischersatz nicht zwingend schmecken. „Wichtiger war den Test-Konsumenten, dass es gut schmeckt“, sagt Anne Räwel. Und das wiederum führte dazu, dass nur sieben der neun Green-Cuisine-Produkte vegan sind. In den Fertiggerichten Lasagne und Pasta in Rahmsauce dagegen sind auch herkömmlicher Käse und Sahne verarbeitet.

Seitenhieb auf Konkurrenten Frosta

Mitgeredet hätten die Konsumenten ebenso bei der Verpackung. So wie bereits die Iglo-Schlemmerfilets sollen die Green-Cuisine-Fertiggerichte voraussichtlich von Sommer an, in Pappschalen zubereitet werden. Den ersten echten Pappschalen für Tiefkühlgerichte, heißt es. Das ist ein Seitenhieb auf den Konkurrenten Frosta. Der betont gerne, er verwende schon lange Pappschalen selbst für Schlemmerfilets, während Iglo bis vor Kurzem dafür Aluminiumschalen nutzte. Nun sieht sich das Iglo-Team um Antje Schubert an der Spitze in Sachen Nachhaltigkeit. Ob Frosta behaupten darf, seine Schalen seien aus Pappe, soll gar schon Gegenstand juristischer Schriftwechsel sein.

Was auf den Green-Cuisine-Packungen im Handel derzeit noch fehlt, ist die Nutriscore-Ernährungsampel. Iglo ist einen der Nutriscore-Pioniere in Deutschland, hatte aber seinerseits juristischen Ärger mit der Nährwert-Ampel. Der ist zwar inzwischen beigelegt, doch da waren die Verpackungen bereits gedruckt. Der Nutriscore kommt jetzt darauf, wenn die erste Produktionscharge – voraussichtlich im Sommer – ausverkauft ist. Die Wertungen stehen schon fest: Vier Produkte bekommen die Bestnote A, die anderen fünf ein B.

Gute Idee, aber der Geschmack ist umstritten

  • Produkt: Iglos vegetarische Hackbällchen sind eines von neun Tiefkühl-Produkten aus der Green-Cuisine-Produktreihe. Eine Packung enthält 240 Gramm und elf bis zwölf Bällchen. Sie gelten als Zutat zu Gerichten, die mit Hackfleischbällchen zubereitet werden. Laut Iglo enthält eine Packung drei Portionen.
  • Zutaten: Die Bällchen bestehen zu 73 Prozent aus Erbsenprotein, zudem unter anderem aus Rapsöl, Erbsenmehl, Bambusfaser, natürlichem Aroma, Tomatenmark und verschiedenen Kräutern und Gewürzen. Geschmacksverstärker und Zucker werden nicht zugesetzt.
  • Nährwert: 100 Gramm haben 224 Kalorien. Bei der Nährwertampel Nutriscore wird die zweitbeste Wertung B erreicht.
  • Preis/Verfügbarkeit: Die unverbindliche Preisempfehlung pro Packung lautet 3,99 Euro. Der Kilopreis von mehr als 16 Euro kommt dem von Bio-Hackfleisch nahe. Nach Iglo-Angaben haben seit Jahresbeginn etwa 6000 Supermärkte Green-Cuisine-Produkte ins Sortiment aufgenommen.
  • Zubereitung/Geschmack: Die Erbsenbällchen sind vorgegart. Iglo empfiehlt die Zubereitung (circa 15 Minuten) mit etwas Öl in der Pfanne oder auf Backpapier im Ofen. Dann tritt überraschend viel ölige Flüssigkeit aus. Die Bällchen haben Biss, sind leicht kross und – wie bei Fertigprodukten üblich – eher zurückhaltend gewürzt. Die Geschmacksassoziationen der Tester, von denen einige zusätzlich auch die panierten Mini-Schnitzel probierten, gehen wie so oft weit auseinander. Sie reichen von „farblos und unentschlossen“ und „gar nicht gemüsig“ über „entfernt wie Geflügel“ und „ein bisschen wie Fleisch“ bis zu „wirklich lecker“. Bei Kindern kamen die Schnitzel sehr gut an: „Ich will mehr!“
  • Fazit: Eine Alternative, wenn es fleischlos sein soll. Lob gibt es für ausführliche Erläuterungen der Inhaltsstoffe, für Idee und Konzept. Die Wertungen liegen zwischen drei und fünf, im Schnitt bei vier Sternen.