Hamburg. Mit durchschnittlich 1,35 Euro kostet sie so viel wie nie. Was dahinter steckt. Und wieso Paprika auch teurer werden könnte.
Sie ist grün, gesund – und hat es in den vergangenen Tagen zum Gesprächsthema in vielen Familien geschafft: die Gurke. Wer beim Einkauf nach dem Gemüse des Jahres 2019/2020 – diesen Titel vergab der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt – griff, staunte beim Blick auf das Preisschild.
In Hamburgs Norden rief vor Kurzem ein Discounter 1,79 Euro auf. Eine Woche zuvor seien es maximal 79 Cent gewesen, ist sich eine Kundin sicher. Dabei habe es sich noch nicht mal um Bioware gehandelt. Penny verlangte in einem Markt am Donnerstag 1,59 Euro, Edeka 1,99 Euro. In einem Fruchtfachgeschäft wurden sogar 2,19 Euro für eine konventionell erzeugte Gurke verlangt – Einzelfälle?
Gurken-Preise über einen Euro gelten als Ausnahme
Nein. Die Tendenz stimme, heißt es bei der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. „Wir haben für die vergangene Woche einen Durchschnittspreis von 1,35 Euro pro Stück ermittelt“, sagt Thomas Els, Marktanalyst in der Verbraucherforschung: „Das sind 80 Prozent mehr als vor einem Jahr.“ Auch im Vergleich zur Vorwoche sei der Preis deutlich gestiegen. Um satte 35 Prozent.
Die Angaben beziehen sich dabei auf konventionell erzeugte Ware. Die AMI stützt sich bei ihren Preisermittlungen auf das Haushaltspanel der GfK-Marktforscher. Das Nürnberger Institut befragt regelmäßig 13.000 Haushalte, wie viel sie in der vergangenen Woche für welche Produkte ausgaben. Dabei hätten die Preise nicht nur stark angezogen – sie liegen sogar auf einem Rekordhoch.
„Den Wert von 1,35 Euro pro Gurke hatten wir noch nie“, sagte Els nach einem Blick in die Statistik für die vergangenen sieben Jahre. Der bisherige Höchstwert seien 1,32 Euro Ende 2016 gewesen. Im Spätsommer 2018 gab es mit 1,15 Euro ein Zwischenhoch. Els: „Preise über einen Euro sind eher die Ausnahme.“
Frost in Spanien, Stress bei den Pflanzen
Aber woran liegt es nun, dass die Gurken so teuer sind? Eines der weltweit größten Anbauländer ist Spanien. Mitte Januar sind die Temperaturen im Süden des Landes eingebrochen, teilweise gab es Frost. Gurkenpflanzen warfen daraufhin Blüten ab, die Früchte wuchsen kaum noch. Die Ernte brach ein.
Viele Pflanzen sind derzeit nicht besonders leistungsstark. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen habe der langanhaltende Spätsommer hohe Erntemengen mitgebracht. Nach dem hohen Output seien sie erschöpft und anfälliger. Zum anderen gebe es einen Kulturwechsel von den Herbst- auf die Wintersätze. Den jungen Kulturen setzten allerdings nach der Kälte die nächsten Extreme mit Sturm und hohen Niederschlagsmengen zu und lösten Stress bei den Pflanzen aus.
Erst zogen die Großhandelspreise an
Das alles führt dazu, dass aus Spanien nicht auf die saisonüblichen Angebotsmengen zurückgegriffen werden konnte. Die spanischen Landwirte schafften es nicht, mit ihrer Produktion die Nachfrage aus dem Ausland abzudecken.
Folge: Es gab Engpässe an den Großmärkten, die Großhandelspreise wurden nach oben getrieben – und letztlich mit Verzögerung (auch durch den tagelangen Transportweg) in den Geschäften an die Kunden weitergegeben.
Zwei weitere Gemüsesorten fallen auf
Dass das Wetter Erntemengen und Preise in der Landwirtschaft beeinflusst, ist ein alter Hut. Allerdings werden in Spanien ja nicht nur Gurken produziert – gibt es auch Auswirkungen auf andere Obst- und Gemüsesorten? AIM-Experte Els schaut ins Datenmaterial: „Wenn ich auf meine Statistik schauen, sehe ich keine vergleichbar großen Sprünge wie bei der Salatgurke.“ Für die meisten Agrarprodukte gebe es Preisnachlässe und -aufschläge im einstelligen Prozentbereich.
Solche Veränderungen gelten als normal. Zwei weitere Gemüsesorten fallen durch deutliche Verteuerungen auf. So ist der Durchschnittspreis für roten Paprika binnen einer Woche von 2,30 Euro pro Kilogramm auf 2,82 Euro gestiegen – plus 22,6 Prozent. Zucchini kosteten statt 2,85 Euro nun 3,59 Euro per Kilogramm – plus 26 Prozent.
Preise für Paprika könnten nun stark anziehen
In den nächsten Tagen dürfte die Preisentwicklung dieser Produkte allerdings auseinandergehen. AMI ermittelte für Paprika aktuelle Angebotspreise zwischen 1,98 Euro und 2,58 Euro fürs Kilogramm. Diese seien aufgrund der zur Verfügung stehenden, recht hohen Mengen gerechtfertigt.
Aber: „Die Auswirkungen der winterlichen Temperaturen zeigen sich erst jetzt, denn Paprika reagiert mit deutlicher Verzögerung auf Wetterextreme“, schreibt die AMI im Wochenbericht. Die spanischen Vermarkter würden die Preise seit dem Wochenende deutlich erhöhen, in diesen Tagen könnte sich dies auf die deutschen Großmärkte durchschlagen. Wer auf Paprika steht, sollte sich also bevorraten.
Mit dem Frühling erholen sich die Kulturen
Bei Gurken, die wie Zucchini schnell auf Wetterkapriolen reagieren, könnte das Schlimmste hingegen vorbei sein. In Spanien hätten sich die Witterungsbedingungen deutlich verbessert, der Frühling ziehe ein, die Kulturen erholen sich, die Erntemengen stiegen allmählich, so die AMI.
Zudem wachse das Angebot aus den Benelux-Ländern. Die Preise an den vorgelagerten Verkaufsstellen hätten inzwischen merklich nachgegeben. Nach und nach könnte das jetzt in den Geschäften ankommen. Bei Aldi lag der Stückpreis am Donnerstag in einer Filiale bei „nur noch“ 1,39 Euro.