Hamburg. In immer mehr Unternehmen wird die wichtige Fremdsprache zur Kommunikation benötigt. Das sind die Gründe.

Wenn sich die Mitarbeiter bei Innogames über die neuesten Ideen für das Spiel „Forge of Empires“ unterhalten, spricht hier niemand Deutsch. Der Hamburger Spieleentwickler pflegt die Unternehmenssprache Englisch, mit allen Konsequenzen und Fallstricken. Wenn es in einem Gespräch etwa darum geht, dass die Nutzer in der digitalen Fantasiewelt eine verschneite Landschaft erkunden und dafür Zimtsterne als Belohnung bekommen, muss es hier heißen, es gebe Cinnamon Star Cookies.

Auch müssen die Mitarbeiter wissen, dass die Schlittenfahrt in der neuen Wintersaison von „Forge of Empires“ auf Englisch Sleigh Ride heißt, auch nicht gerade ein Standardbegriff aus dem typischen Business-Englisch. Der Hauptgrund für Innogames, den Umgang in einer Fremdsprache anzuordnen: An einem neuen Spiel arbeiten Programmierer, Designer und andere Digitalprofis zusammen, und die meisten dieser begehrten Spezialisten kommen inzwischen nicht mehr aus Deutschland, sondern aus dem zum Teil weit entfernten Ausland, wo kein Deutsch gelehrt wird.

Philips, Helm, Otto – überall spricht man Englisch

Auch andere Unternehmen in Hamburg pflegen in zunehmendem Maße Englisch in der Kommunikation – wie Esso, Philips, die Helm AG, Otto oder Bigpoint. „In vielen Firmen in Hamburg ist Englisch die Hauptsprache“, bestätigt Knut Böhrnsen von der Agentur für Arbeit die Gepflogenheiten im Tor zur Welt an der Elbe.

Bewerber aus dem Ausland hätten es bei solchen Betrieben eher leichter, aber auch deutsche Hochschulabsolventen brächten das gewünschte Vokabular meist mit. Die Kenntnisse würden bereits beim Vorstellungstermin auf Herz und Nieren „ange- oder besprochen“, beschreibt Böhrnsen die Tests für die Jobsuchenden in der Hansestadt.

Im internationalen Handel, etwa bei Geschäften mit Rohstoffen, gehört Englisch ohnehin zum notwendigen Handwerkszeug. „Bei unseren Unternehmen aus Großhandel, Außenhandel und Dienstleistung ist Englisch sehr wichtig, vor allem im Umgang mit internationalen Geschäftspartnern. Häufig spielen aber auch weitere Sprachen eine große Rolle“, sagt Volker Tschirch, der Hauptgeschäftsführer des Hamburger Branchenverbands AGA.

Bei Philips in Fuhlsbüttel ist Englisch Pflicht

Weltweit agiert und denkt etwa der Ölkonzern ExxonMobil. „In vielen Bereichen ist Englisch bei uns Unternehmenssprache“, sagt Stephan Voigt, Sprecher der ExxonMobil Central Europe Holding in Hamburg. Bei der Einstellung neuer Kollegen würden „ausgezeichnete, möglichst im englischsprachigen Ausland erworbene Kenntnisse vorausgesetzt“, beschreibt Voigt die Anforderungen an Bewerber. „Die englische Sprache hat bei uns zunehmend an Relevanz gewonnen“, ergänzt Sophie Oldenburg vom Chemiehändler Helm AG. „Wir beschäftigen Menschen aus 30 Nationen. Immerhin sechs Prozent der Beschäftigten in Hamburg sprechen auch kein Deutsch.“

Beim niederländischen Elektrokonzern Philips, der in Fuhlsbüttel seine Deutschland-Zentrale hat, ist Englisch ebenfalls Pflicht. „In Terminen mit Kollegen oder Kunden, die nicht aus Deutschland kommen, wird bei uns aus Respekt Englisch gesprochen“, sagt Firmensprecher Sebastian Lindemann. Gerade Unternehmen aus kleinen Ländern verabschieden sich quasi komplett von ihrer Heimatsprache.

Vorreiter sind hier die Niederlande, wie das Beispiel Philips zeigt, sowie Norwegen und Dänemark. Firmen aus diesen Ländern haben dadurch einen Vorteil bei der Suche nach weltweiten Talenten. Das gilt auch für die Managementebene. So ist Philips in der Führung am Hauptsitz in Amsterdam bereits komplett global aufgestellt: Vorstandschef Frans van Houten ist Niederländer, Finanzvorstand Abhijit Bhattacharya aber kommt aus Indien.

Englisch als Konzernsprache: VW bekam Probleme

In traditionsreichen deutschen Firmen ist der Wechsel in der Kommunikation häufig noch ungewohnt und erntet Kritik. So nahm die Stiftung Deutsche Sprache dem Autokonzern Volkswagen den (teilweisen) Abschied von der Heimatsprache ziemlich übel: Die Stiftung verkaufte aus Protest ihre VW-Aktien, als die Wolfsburger vor drei Jahren ankündigten, Englisch als Konzernsprache einzuführen. Stiftungsvorstand Walter Krämer sagte dazu: „Ich bin entsetzt, wie bedenkenlos unsere Eliten ihre eigene Sprache und Kultur aufgeben.“ Volkswagen indes argumentierte, mit der Verständigung in Englisch weltweit bessere Führungskräfte gewinnen zu können.

Ein anderer deutscher Konzern, die Hamburger Otto Gruppe, öffnet sich ebenfalls der meistverbreiteten Fremdsprache. So gibt es in der Zentrale des Handelshauses in Bramfeld inzwischen mehrere Bereiche, in denen als erste Sprache Englisch gilt. Dazu gehören IT, Business Intelligence (Datenanalyse) und E-Commerce, sagt Otto-Sprecherin Eugenia Mönning. In einem Technologie-Start-up von Gruner+Jahr hört man ebenfalls kaum noch Deutsch auf den Fluren: Bei AppLike ist Englisch Unternehmenssprache, da die Mitarbeiter aus 15 verschiedenen Nationen kommen.

In der Spielebranche ist Englisch weit verbreitet

Besonders in der Spielebranche ist der vielfältige Sprachschatz das Gebot der Globalisierung. „Wir sprechen in unserem Hamburger Büro überwiegend Englisch miteinander. Wir verfassen auch alle internen Mails auf Englisch“, sagt Innogames-Mitgründer Michael Zillmer. „Unter deutschen Kollegen wird natürlich auch Deutsch gesprochen, ganz klar. Da wir aber mehr als 400 Mitarbeiter aus über 30 Nationen beschäftigen, kommt das eher selten vor.“ Innogames-Sprecher Peter Meyenburg ergänzt: „Außerdem werden unsere Titel von Spielern aus allen Teilen der Erde gespielt.“ Auch dieser Aspekt spiele eine Rolle bei der Entscheidung für die Unternehmenssprache.

Bei Bigpoint, einem Wettbewerber von Innogames in der Gamesbranche, kommt die E-Mail auf die Anfrage des Abendblattes prompt auf Englisch: „For us two to dialogue, I’m afraid we’d need to switch to English“, schreibt Laura Antoine im Namen von Bigpoint („Ich fürchte, wir müssen ins Englische wechseln, wenn wir beide kommunizieren wollen“).

Sprachregelung kommt bei ausländischen Mitarbeitern gut an

Das Unternehmen gehört inzwischen chinesischen Eignern, die Geschäftsführer heißen Jun Lu und Lei Zhang. Die asiatische Führung ist aber nicht der Hauptgrund für den Wechsel ins Englische. Ebenso wie bei anderen Firmen aus der Spielebranche arbeiteten hier internationale Teams zusammen, sagt ein Sprecher, und weiter: „Wir bieten daher Kurse für die Beschäftigten in Englisch und Deutsch an.“ Unter den ausländischen Mitarbeitern der Spieleentwickler kommt die Sprachregelung überwiegend gut an: „Bei Innogames kann man sich dank der Unternehmenssprache mit Kollegen aus aller Welt verständigen und so Kontakte knüpfen. Das war für mich besonders wichtig, da ich die deutsche Sprache nicht beherrschte“, sagt Praktikantin Shahar David aus der Marktentwicklung.

„Englisch als Unternehmenssprache hat mir den Umzug nach Deutschland zur Arbeit bei Innogames erleichtert. Da ich jedoch bei der Arbeit hauptsächlich Englisch spreche, hat sich der Prozess des Deutschlernens etwas verlangsamt“, sagt Softwareentwickler Omoloro Oyegoke. Die Möglichkeit, Deutsch zu lernen, bietet die Firma den internationalen Beschäftigten aber auch in der Freizeit: Als Omoloro Oyegoke zum ersten Mal mit den Kollegen auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt war, lernte er gleich ein typisch deutsches Wort, nämlich „Glühwein“.

Daimler machte schlechte Erfahrungen mit Englisch

Zum Teil erweist sich der Weg zur fremden Sprache aber auch als steinig: Bei Daimler wechselte man dereinst nach dem Chrysler-Desaster von Englisch als Firmensprache wieder zurück zum Deutschen, weil die inneren Betriebsabläufe durch Missverständnisse gelitten hatten.

Und in einem deutschen Technologiekonzern, der Englisch intern durchsetzen wollte, wehrten sich die Mitarbeiter vehement: Sie klärten die Dinge fortan über ihre privaten E-Mailzugänge auf Deutsch. So umgingen sie das Sprachdiktat. Doch diese Beispiele liegen Jahre zurück. Inzwischen ist die Welt globaler geworden. Daimler lässt heute die Mitarbeiter ohne strenge Vorgabe miteinander kommunizieren.