Hamburg. Teil 35: Hier geht allen ein Licht auf. Bei Medusa in Hoheluft gibt es ein Angebot, das zu den hohen Decken der Wohnungen passt.

Neulich ist es wieder mal passiert. Steffen Drewes hat dazugelernt, was er in seinem Geschäft so alles verkauft. „Da stand eine Kundin vor mir mit einer Metallplakette in der Hand. Ich hatte das Teil niemals zuvor gesehen, selbst ich entdecke immer noch was Neues“, erzählt der 32-Jährige und lacht dabei. Etwas überraschend für einen Geschäftsführer, der seit fast zwei Jahren im Geschäft ist. Andererseits: Bei Medusa ist es nicht leicht, sich einen Überblick zu verschaffen.

Der Laden gleicht einem Labyrinth. Die 800 Quadratmeter Verkaufsfläche verteilen sich auf nicht weniger als 16 Räume im Erdgeschoss zweier Wohnhäuser an der Gärtnerstraße.

Der Weg vom Eingang bis ganz nach hinten ist annähernd 100 Meter lang und führt vorbei an einem schier unüberschaubaren Sammelsurium von Möbeln, Lampen, Dekostücken aus so ziemlich jeder Stilepoche der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte. Schränke, Vitrinen, Sessel, Stühle, Tische, Hocker, Stehlampen, Wandlampen, Tischlampen.

Medusa hat sich einen Namen mit Kronleuchtern gemacht

Es ist eines dieser Geschäfte, in denen man eher findet und entdeckt als gezielt sucht. Unter den hohen Decken hängt, womit Medusa sich einen Namen gemacht hat in der Stadt: Kronleuchter. „Es dürften knapp 100 Stück sein“, schätzt Mitinhaber Drewes. Es sind vornehmlich historische und Einzelstücke.

Medusa in Zahlen

  • Größe: 800 Quadratmeter
  • Adresse: Gärtnerstraße 50–52, 20253 Hamburg (Hoheluft-West)
  • Internet: www.medusa-hamburg.de
  • Gegründet: 1983
  • Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10.00 bis 18.30, Sonnabend 10.00 bis 16.00 Uhr
  • Mitarbeiter: sieben
  • Günstigster Artikel: Teelicht­halter aus Glas für 1 Euro
  • Teuerster Artikel: Antiqua­rischer Dokumenten- und Bücherschrank, vier mal 2,80 Meter für 16.000 Euro
  • Der Onlinehandel ist für uns ... ein zunehmend wichtiger Bestandteil des Geschäftskonzepts.
  • In zehn Jahren ... wird Medusa von den Hamburgern hoffentlich immer noch geliebt werden

Vor gut zwei Jahren steckte der Laden tief in den roten Zahlen und stand vor der Abwicklung. „Ursprünglich ging es uns bei der Übernahme nur um die Verkaufsräume“, sagt Klaus Oberdick ganz offen. Der 61 Jahre alte Hamburger ist Großhändler für Lichttechnik und seit vielen Jahren Lieferant von Medusa.

Mit seinem Sohn Jonas Büttner und dessen Schulfreund Drewes übernahm er das kriselnde Unternehmen inklusive des gesamten Wareninventars Anfang 2018. Die drei sind auch Inhaber eines Onlineshops für Möbel und Einrichtungsgegenstände.

Biedermeierschränke im Preis reduziert

An der Gärtnerstraße wollten sie den Online- und den stationären Handel eng miteinander verzahnen. Neue Möbel, neue Lampen, modernere Designs sollten ins Geschäft. So jedenfalls die ursprüngliche Idee.

Im Ausverkauf gingen Biedermeierschränke, die zuvor mit einem Preis von mehreren Tausend Euro ausgezeichnet waren für einige Hundert Euro weg. „Die hatten schon viele Jahre im Laden gestanden“, ist Oberdick überzeugt. Und das sei wohl auch das große Problem des Ladens gewesen, das Medusa fast das Genick gebrochen hätte. Das Sortiment war viel zu stark auf zahlungskräftige Kunden ausgerichtet – von denen aber nicht genug kamen. „Medusa hatte ein Hochpreis-Image, Zielgruppe war das Eppendorfer Publikum“, sagt Drewes.

Preise fast wie im Internet

Schon bald nach der Übernahme aber erkannten die neuen Inhaber das Potenzial des Geschäfts – und änderten ihre Pläne. Kein Radikalumbau, sondern schrittweise Auffrischung und Erweiterung des Sortiments, lautet jetzt die Devise. „Dekoartikel und Accessoires fehlten komplett“, sagt Drewes. Das hat sich geändert. Bei Lampen und Möbeln findet die Kunden mittlerweile auch Modernes aus dem mittleren Preissegment. Zu konkurrenzfähigen Preisen, sagt Drewes.

„Weil wir zu vielen Herstellern fast schon freundschaftliche Beziehungen haben, können wir zu guten Konditionen einkaufen und im Geschäft Preise fast wie im Internet aufrufen.“

Hoheluft und Eppendorf: Bei hohen Decken machen sich großformatige Wandspiegel gut

Die Neuausrichtung zeigt Wirkung. „Es sind wieder mehr Kunden im Geschäft, und jetzt kommen auch wieder junge Paare, um Kronleuchter zu kaufen.“ Auf deren Preisschildern stehen heute eher Beträge zwischen 500 und 2000 Euro, früher waren es nicht selten 5000. Die Zielgruppe ist nicht länger allein Eppendorf, sie lebt gleich in der Nachbarschaft in den ausgedehnten Altbauvierteln von Hoheluft und Eppendorf.

In den Wohnungen mit den hohen Decken machen sich auch großformatige Wandspiegel gut. Drewes hat das Sortiment deutlich aufgestockt. Aber nicht mit echten Antiquitäten, sondern mit Handelsware, die so aussieht, als sei sie eine Antiquität.

Einen eigenen Onlineshop hat Medusa nicht

Die Lampenwerkstatt und der Montageservice seien inzwischen wieder gut ausgelastet, sagt der Geschäftsführer, die Geschäftsbücher sähen viel besser aus als vor zwei Jahren. „Der Laden schreibt schwarze Zahlen.“ Allerdings nur, weil „die Vermieter uns wohlgesonnen sind“ – und der Chef sich selbst nur ein schmales Gehalt gewährt. „Ich verdiene weniger als in meinem ersten Job gleich nach der Ausbildung“, sagt der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann.

Einen eigenen Onlineshop hat Medusa nicht und soll ihn einstweilen auch nicht bekommen. „Das ist zu komplex und aufwendig, wenn man weiterhin viele Einzelstücke anbietet“, sagt Mitinhaber Oberdick. Die werden stattdessen bei Ebay-Kleinanzeigen eingestellt, die Medusa-Homepage haben die neuen Inhaber überarbeitet. „Sie soll vor allem Kunden ins Geschäft locken“, sagt Drewes, und ergänzt: „Einen Kronleuchter online zu bestellen, finde ich mutig. So etwas will man sich doch vorher richtig anschauen.“

Kaum Geschäft im Sommer

Ein Grundsatzproblem des stationären Lampen- und Möbelhandels aber lässt sich auch durch eine stärkere Internetpräsenz allenfalls abmildern. Es ist ein Saisongeschäft. „Im Sommer denkt ja niemand darüber nach, sich so was anzuschaffen. An heißen Tagen kommen nur eine Handvoll Kunden ins Geschäft. Das deckt noch nicht einmal die laufenden Kosten.“

Die holt Drewes, der in der Freizeit bei den Hamburger Goldkehlchen singt und begeisterter Stand-up-Paddler ist, nun auf andere Weise herein. Im Sommer wird einer der 16 Räume des Lampen-Labyrinths zum Stand-up-Paddling-Shop. „Das funktioniert gut.“ Und das ist einer der Gründe, warum die Männer, die vor zwei Jahren nur an den Geschäftsräumen von Medusa interessiert waren, heute sagen: „Wir haben Medusa gerettet.“

Ende der Serie Kultläden