Hamburg. Bereits vor der Abstimmung stehen die ersten Mitglieder des Plenums fest. Vor allem große Firmen profitieren von einer neuen Regelung.
Stephan von Bülow kann sich glücklich schätzen. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Eugen Block Holding bewirbt sich um einen Posten im neuen Plenum der Handelskammer. Und bevor Hamburgs Wirtschaftsvertretung überhaupt die Wahl am 20. Januar eröffnet, hat er seinen Platz bereits sicher. Stephan von Bülow benötigt lediglich eine Stimme – im Zweifel seine eigene – und er ist gewähltes Mitglied des neuen Kammerplenums. Gleiches gilt für den ECE-Geschäftsführer Robert Heinemann und sieben weitere Bewerber. Sie alle treten nämlich ohne Gegenkandidaten an. Insgesamt neun der 58 zu vergebenden Plenumssitze sind damit bereits vergeben, es sei denn die Betreffenden ziehen ihre Kandidatur zurück – wovon nicht auszugehen ist.
Verantwortlich für diese „Friedenswahl“ – wie man kammerintern jene Konstellation nennt, wenn für einen Posten nur ein Kandidat zur Wahl steht – ist die neue Wahlordnung der Handelskammer. Sie schreibt vor, wer sich zur Wahl stellen darf. Neben einigen grundsätzlichen Regularien, nämlich dass man in einer Firma aktiv tätig und mindestens zeichnungsberechtigt, also Prokurist ist, geht es dabei auch um die Branche in der der Kandidat arbeitet. Das Kammerplenum soll nämlich ein möglichst genaues Abbild der Struktur der Hamburger Wirtschaft sein, damit das Haus tatsächlich als Repräsentant der gesamten Wirtschaft der Hansestadt sprechen kann.
Die Wahlkommission hatte sich in den vergangenen Monaten viele Gedanken darüber gemacht, wie sie diese Vorgabe, die sogar vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben wird, gerecht werden kann. Auf alle Fälle wollte die Kommission einen Zustand vermeiden, wie er nach den letzten Kammerwahlen 2017 vorherrschte: Zwar waren die Branchenvertreter im Plenum gut durchmischt, aber 55 der 58 Sitze fielen an die Gruppe der ehemaligen Kammer-Rebellen, die überwiegend kleine oder sogar Kleinstunternehmen repräsentieren. Selbst eine nachträgliche Kooptation weiterer Unternehmer konnte das schiefe Bild nicht heilen. Die Folge: Großbetriebe, insbesondere aus der Industrie, fühlten sich durch die Kammer nicht vertreten und wandten sich von ihr ab.
Damit sich dieser Fehler nicht wiederholt, führte die Wahlkommission, der übrigens überwiegend Vertreter der ehemaligen Rebellen angehörten, neben der Einteilung nach Branchen auch eine Unterteilung nach Unternehmensgrößen ein. Um die 58 Sitze im Plenum bewerben sich also die Vertreter neun verschiedener Branchen, die zudem noch in drei Größenklassen, nämlich Betriebe mit bis zu neun Beschäftigten, Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten und große Betriebe mit 250 Beschäftigten und mehr unterteilt sind. Es gibt also 27 Untergruppen auf die sich die 48 Sitze im Plenum verteilen – und zwar so, dass sie möglichst die Zusammensetzung, also den Branchenmix der Hamburger Wirtschaftspiegeln.
Von Bülow tritt für die Branche Tourismus/Freizeitwirtschaft an, weil die Gastronomie keine eigene Wahlgruppe bildet. Und da Blocks Kette allein in Hamburg rund 1500 Mitarbeiter zählt, tritt er für die Untergruppe große Unternehmen an, die einen Sitz im neuen Plenum erhält – wie gesagt als einziger Kandidat. „Ich hätte mir allein aus meinem Demokratieverständnis heraus einen Gegenkandidaten gewünscht. Und ich hätte mir gewünscht, dass es auch eine echte Wahl gibt, an deren Ende es einen Sieger gibt“, sagte Bülow dem Abendblatt. „Ich bin aber nicht dafür verantwortlich, dass sich kein weiterer Unternehmer in unserer Untergruppe zur Wahl gestellt hat.“ Gleichwohl zeigte Bülow auch Verständnis für die Zurückhaltung: „Man darf nicht vergessen, dass es sich um ein Ehrenamt handelt, dass wir alle über unseren Beruf hinaus ausüben. Dafür muss man sich Zeit nehmen.“
ECE-Manager Robert Heinemann verwies darauf, dass es wichtig sei, im Plenum wieder für eine Stärkung der Handelskammer zu wirken. „Ich stelle mich nicht zur Wahl, weil ich unbedingt eine Platz im Plenum haben will. Sondern weil ich darauf setze, dass dort genügend vernünftige Unternehmer zusammenkommen, um die Kammer wieder neu aufzustellen.“
In der Wahlgruppe Industrie/Energie treten sogar fünf Kandidaten aus großen Firmen fürs Plenum an. Es sind der Hamburger Standortleiter von Airbus, Georg Mecke, der Prokurist von Montblanc-Simplo, Sascha Schneider, der Hamburg-Chef von MAN Energy Solutions, Thorsten Lehmann, der Prokurist der Jungheinrich AG, Wilfried Baur, und Ulf Gehrckens, Prokurist von Aurubis. Da in dieser Größenklasse fünf Sitze an die Industrie zu vergeben sind, können sich alle schon als gewählt betrachten.
Es gibt aber auch Branchen in denen die Wahl spannend wird. Aus dem Einzelhandel kämpfen gleich zwei bekannte Unternehmer um einen zu vergebenden Posten: Andreas Bartmann, Geschäftsführer des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter, und Cord Wöhlke, Geschäftsführender Gesellschafter der Drogeriemarkt-Kette Budnikowsky. Beide haben schon in der Vergangenheit Ämter in der Handelskammer ausgeübt. Bartmann war bis 2017 Vorsitzender des wichtigen Innenausschusses. Er hat seine erneute Kandidatur sehr spät eingereicht. „Ich wollte, dass die Hamburger Unternehmer eine Auswahlmöglichkeit haben“, sagte er dem Abendblatt.
Hier heißt es also eins gegen eins. Härter ist die Konkurrenz bei den Vertretern kleinerer Unternehmen. Aus der Dienstleistungsbranche treten etwa 20 Unternehmer an. Sie kämpfen um sechs zu vergebende Plätze. Bekannteste Vertreterin dürfte Astrid Nissen-Schmidt sein, neben Norbert Aust Co-Spitzenkandidatin der Wahlgemeinschaft Starke Wirtschaft Hamburg. Nicht viel besser geht es dem amtierenden Vize-Präses André Mücke. Er tritt mit seiner Schulagentur DSA youngstar gegen elf weitere Unternehmer aus der Wahlgruppe kleiner Betriebe an. In der Gruppe sind aber nur vier Plätze zu vergeben.
„Immerhin ist es gelungen, für alle zu vergebenden Plätze mindestens einen Kandidaten zu finden“, sagte eine Sprecherin der Kammer. „Dazu war extra die Bewerbungsfrist verlängert worden.“