Hamburg. Rendite für Tages- und Festgeld sinkt. Das dürfte 2020 so weitergehen. Ausländische Banken könnten für Anleger interessant sein.

Für die Sparer sieht es im nächsten Jahr nicht gut aus. Immer mehr Geldinstitute, die vor Jahren noch für eine solide Verzinsung bekannt waren, setzen ihre Verzinsung auf praktisch null Prozent herab. So bietet die ING nur noch 0,001 Prozent auf dem Tagesgeldkonto. Neukunden sind davon für kurze Zeit ausgenommen. Doch die Banken streichen nicht nur die Verzinsung, immer häufiger drohen jetzt auch Negativzinsen. Können sich Sparer wehren? Welche Banken zahlen noch vergleichsweise hohe Zinsen? Wie sicher sind ausländische Banken? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.


Wie entwickeln sich die Zinsen 2020?
Die Experten sind sich uneins. Auch wenn die neue Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, zunächst keine weitere Lockerung der Geldpolitik betreiben wird. Schon jetzt müssen Geldinstitute für einen Teil ihrer Einlagen bei der Zentralbank einen Zins von minus 0,50 Prozent zahlen. Im Moment sieht die EZB Anzeichen einer Stabilisierung der Konjunktur und bei der Kerninflation zeichnet sich ein leichter Aufwärtstrend ab. „All das bestätigt unseren bisherigen Eindruck, dass eine weitere Lockerung der Geldpolitik in Form einer Zinssenkung oder einer Erhöhung des Volumens der monatlichen Anleihenkäufe vom Tisch ist“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Dennoch werden die Banken weiterhin mit Geld überhäuft, das sie nicht benötigen. Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung, die Bankkonditionen analysiert, erwartet daher: „Zu Zinssenkungen wird es deshalb vor allem beim Tagesgeld und einjährigen Festgeldanlagen kommen.“


Wie wirkt sich das konkret aus?
Innerhalb eines Jahres hat sich der Durchschnittszins für Tagesgeld auf 0,04 Prozent halbiert. Der Zinssatz für ein zweijähriges Festgeld sank von 0,32 Prozent auf aktuell 0,22 Prozent. Experte Herbst rechnet damit, dass sich der Tagesgeldzins bei den meisten Banken der Marke von null Prozent im nächsten Jahr nähern wird. „Natürlich wird es auch immer Institute geben, die eine Verzinsung auf dem Tagesgeldkonto weiterhin anbieten“, sagt Herbst.

Er hat dabei vor allem italienische, schwedische und rumänische Banken im Blick. Aber wahrscheinlich gibt es bei diesen Instituten, die heute das Tagesgeld mit einem halben Prozent verzinsen, dann auch nur noch 0,20 bis 0,30 Prozent. Beim Tagesgeld dürften sich die Konditionen im Verlauf des Jahres 2020 um rund ein Drittel verringern, erwartet Herbst.


Wo gibt es noch relativ hohe Zinsen?
Bei Festgeld bewegen sich die Zinsen je nach Laufzeit zwischen 0,75 Prozent und 1,45 Prozent. Das mag wenig erscheinen, ist aber ein Vielfaches des Durchschnittszinses für diese Anlagen. Die höchsten Zinsen gibt es bei ausländischen Banken, die nur über Vermittlungsportale wie Weltsparen oder Zinspilot erreichbar sind. So bietet die italienische Banca Progretto für zwei- und dreijähriges Festgeld mit 1,35 und 1,45 Prozent die höchsten Zinssätze (siehe Grafik).

Die Bank, die Kredite für den öffentlichen Sektor und den Mittelstand vergibt, gehört zu Oaktree Capital Management, einer der größten Investmentfirmen der Welt. Wer südländische Banken meiden will, kann auf Institute aus Österreich, Niederlande und Deutschland ausweichen. So verzinst die Credit Europe Bank aus den Niederlanden ein zweijähriges Festgeld mit 0,85 Prozent. Die Bank 11 aus Deutschland gibt 0,90 Prozent Zinsen für ein dreijähriges Festgeld. Es hat den Vorteil, dass der Zins für die vereinbarte Laufzeit stabil bleibt, auch wenn am Markt die Zinsen weiter sinken.


Wie lange sollte man sein Geld anlegen?

Sparer sollten sich für einen überschaubaren Zeitraum von zwei bis maximal drei Jahren binden, sagt Anke Puzicha von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Bisher haben sie sich immer geärgert, weil sie sich zu kurz gebunden haben.“ Bei der Wiederanlage des Geldes waren die Zinsen häufig noch niedriger.


Lohnt es noch in Tagesgeld anzulegen?

Tagesgeldkonten machen nur Sinn, wenn das Geld kurzfristig geparkt werden soll, denn es besteht die Gefahr, das die Zinsen im Jahresverlauf 2020 weiter sinken. Deutlich wird das bei den Konditionen für Neukunden. Barclays und die ING locken zwar mit einem Tagesgeldzins von 0,25 Prozent, der weit über dem Durchschnittswert liegt, aber nach einem Jahr oder schon nach vier Monaten auf praktisch null Prozent fällt. Den höchsten Tagesgeldzins bietet die Versicherung Cosmos direkt mit 0,62 Prozent, garantiert für drei Monate.

Der Zins wird vierteljährlich neu festgelegt. Zuletzt lag er bei 0,31 Prozent. Das kann ein Anhaltspunkt sein, auf welches Niveau der Zins Ende März wieder fällt. 0,30 Prozent ist der Wert, den die meisten Banken mit attraktiven Angeboten für Tagesgeld im Moment zahlen. Rund ein halbes Prozent Zinsen für Tagesgeld gibt es nur bei ausländischen Banken, die über die Vermittlungsplattformen Weltsparen und Zinspilot erreichbar sind.


Wie arbeiten die Internetplattformen?

Sparer, die sich dort anmelden, eröffnen ein Verrechnungs­konto bei der deutschen Part­nerbank des jeweiligen Portals. Anschließend können sie alle Angebote online abschließen und verwalten. Bei Fälligkeit können sie leicht bei anderen Banken des Portals anlegen. Die Portale selbst kommen mit dem Geld der Anleger nicht in Kontakt. Durch die Portale, die viele Bankangebote bündeln, entfällt, dass man sich bei jeder neuen Bank anmelden und identifizieren muss. Auch die Deutsche Bank bietet ihren Kunden inzwischen Zinsanlagen bei anderen Geldinstituten an.


Wie sicher sind Einlagen bei ausländischen Banken?

Grundsätzlich sind Einlagen bis zu 100.000 Euro pro Person abgesichert. Im Pleitefall soll der Kunde spätestens nach sieben Tagen sein Geld zurückhaben. Sparer müssen sich bei einer Bankpleite nicht mit der Entschädigungseinrichtung im Ausland auseinandersetzen. Rückzahlungen laufen automatisch über das deutsche Einlagensicherungssystem im Auftrag der ausländischen Einrichtung. Umstritten ist, wie gut die nationalen Entschädigungsfonds für eine Bankeninsolvenz gerüstet sind. Deshalb sollte auch immer die Bonität des jeweiligen Landes berücksichtigt werden.

So wird von der Ratingagentur Moody’s Italien und Portugal mit Baa3 (ausreichende Bonität) bewertet, während Estland die Note A1 (gute bis befriedigende Bonität) erhält. „Am Ende entscheiden die Staaten, ob eine Bank in Schieflage gerettet wird“, sagt Herbst. Deshalb ist die Länderbonität wichtig. Grundsätzlich gilt, je höher die Zinsen, desto höher das Risiko.


Drohen Strafzinsen für Einlagen?

Nach einer Übersicht des Verbraucherportals Biallo verlangen inzwischen 61 Institute von Privatkunden Negativzinsen. Dazu gehören die Hamburger Volksbank und die Haspa. Kleinsparer sind aber nicht betroffen. Wie sich die Lage 2020 entwickeln wird, ist umstritten. „Negativzinsen für Spareinlagen dürften sukzessive zur Norm werden“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters Dr. Klein. „Selbst wenn ich weder Strafzinsen noch Gebühren zahlen muss, faktisch ist die Realverzinsung auf Tages- und Festgeldkonten seit Jahren negativ. Das Geld auf diesen Konten wird also schon längere Zeit entwertet – auch ohne Negativzinsen.“

Max Herbst sieht zunächst keinen Grund, die Negativzinsen auszuweiten. „Den Banken wurden umfangreiche Freibeträge für ihre Einlagen bei der EZB eingeräumt, auf die kein Strafzins fällig wird“, sagt er. Für wahrscheinlicher hält er, das zunehmend Neukunden mit Negativzinsen belastet werden.


Wie können sich Sparer wehren?

Banken sprechen immer davon, dass sie mit vermögenden Kunden über Strafzinsen verhandeln. Ob diese von Bestandskunden überhaupt erhoben werden können, ist umstritten. So hat das Landgericht Tübingen geurteilt, dass bei Altverträgen das Verwahrentgelt nicht nachträglich per Klausel im Preisaushang eingeführt werden darf (Az.: 4 O 187/17). Wer solche Vereinbarungen nicht akzeptiert, muss nicht zahlen. Das hat auch die Comdirect bestätigt, die ab 1. Januar ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent für Einlagen über 250.000 Euro erheben will.

„Es handelt sich um eine Vereinbarung, bei der beide Seiten einverstanden sein müssen. Für den Fall, dass der Kunde die Vereinbarung nicht unterzeichnet, geschieht unmittelbar zunächst einmal nichts“, sagt ein Comdirect-Sprecher. Schlimmstenfalls kann aber die Bank dem Kunden kündigen.