Berlin. In Deutschland klaffen immer noch viele Funklöcher. Die Regierung will nun dagegen vorgehen. 5000 Funklöcher sollen verschwinden.

Wie schlecht es um das Mobilfunknetz im Deutschland des Jahres 2019 steht, das zeigt sich vor laufenden Kameras. Als die „Tagesschau“ der ARD am Montagmittag vom Treffen der Bundesregierung auf Schloss Meseberg in der brandenburgischen Provinz berichten will, bricht die Übertragung ab.

Im Schloss hat das Kabinett gerade eine Mobilfunkstrategie beschlossen, mit der 5000 Funklöcher in Deutschland von der Landkarte verschwinden sollen.

Wenig später dementiert zwar die zuständige Gemeinde Amt Gransee, der Ausfall habe an einem Funkloch gelegen, das Netz könnte wegen des Medienandrangs schlicht überlastet gewesen sein. Doch so oder so – der Fall offenbart die Probleme, mit denen sich viele Bürger im Alltag plagen. Gerade auf dem Land, in Dörfern und Kleinstädten, funktioniert das mobile Datennetz schlecht. Auch auf der Autobahn oder im Zug bricht die Verbindung immer wieder ab.

Dass beim Netzausbau in den vergangenen zwei Jahrzehnten gravierende Fehler gemacht worden sind, gesteht sich die Bundesregierung bei ihrer Digitalklausur ein und geht in die Offensive. Mit 1,1 Milliarden Euro will der Staat die „weißen Flecken“ beseitigen, in denen es kein oder nur sehr schlechtes Handynetz gibt.

Andreas Scheuer verspricht 97,5 Prozent Netzabdeckung

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verspricht 99,95 Prozent der Haushalte einen Zugang zu schnellem mobilen Internet, das Netz soll zudem 97,5 Prozent der Fläche der Bundesrepublik abdecken. Aktuell sind erst 93,94 Prozent versorgt. Scheuer will für den Ausbau auch öffentliche Grundstücke und Gebäude suchen lassen, auf denen Platz für die Mobilfunkmasten ist.

Eine Panne bei der „Tagesschau“ sorgte für Erheiterung im Netz.
Eine Panne bei der „Tagesschau“ sorgte für Erheiterung im Netz. © dpa | -

Wo die „weißen Flecken“ liegen, das sollten die Bundesbürger in den vergangenen Monaten mit der staatlichen Funkloch-App melden. Das Ergebnis: Vor allem in Grenzregionen, aber auch in abgelegenen ländlichen Räumen steht es schlecht um den Mobilfunk. Etliche Regionen hängen noch immer in der Gründerzeit des Handynetzes fest.

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    In diesem Jahr ist der Startschuss für den neuesten Mobilfunkstandard, das ultraschnelle 5G, gefallen. Dabei ist die aktuelle Technologie LTE (4G) nicht mal in allen Landstrichen angekommen (siehe Grafik). Dort kann sich glücklich schätzen, wer mit seinem Smartphone auf das 15 Jahre alte UMTS-Netz (3G, orangefarbene Flächen) stößt: Das ermöglicht immerhin eine langsame Internet-Verbindung. Mit dem Basis-Netz 2G (rot), mit dem der Mobilfunk in den 1990er-Jahren massentauglich wurde, ist Surfen im Internet dagegen fast unmöglich. Eine Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion sah die Mobilfunk-Qualität in Deutschland kürzlich sogar hinter der Albaniens.

    Mobilfunk-Anbieter haben noch Hausaufgaben zu erledigen

    Bei der Bestandsaufnahme, warum es in Deutschland so viele Funklöcher gibt, räumt die Bundesregierung Fehler der Vergangenheit ein. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagt, dass die Versorgungsauflagen für die Mobilfunkbetreiber bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen im Jahr 2000 nicht ausreichend gewesen seien.

    Mit den Lizenzen hatte der Staat fast 50 Milliarden Euro verdient. Heute gilt die hohe Summe als Ursache für überdurchschnittlich teure Mobilfunktarife – und als ein Grund dafür, dass den Betreibern weniger Geld für wichtige Investitionen in die Infrastruktur blieb.

    Jetzt erkennt der Staat an, dass es Gebiete gibt, in denen sich wegen der dünnen Besiedlung keine kostendeckende Mobilfunk-Struktur aufbauen lässt. Hier springt die Regierung ein. Innerhalb der kommenden zwei Jahre soll es eine „grundlegende“ Verbesserung geben, verspricht Braun. Einen konkreten Zeitplan bleibt die Bundesregierung jedoch schuldig.

    Auch die Mobilfunk-Anbieter haben noch Hausaufgaben zu erledigen. Bei der Ausschreibung der Lizenzen für den 5G-Mobilfunk hatten sie sich unter Androhung von Strafe verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres 99 Prozent der Haushalte mit schnellem Mobilfunk zu versorgen. Auch dabei bleiben aber noch einige Gebiete und schätzungsweise über eine Million Bürgerinnen und Bürger übrig, deren Anschluss den Unternehmen zu teuer ist.

    Um diese Gebiete wird sich eine Infrastrukturgesellschaft für Mobilfunk kümmern, so hat es die Bundesregierung in Meseberg vereinbart. Sie soll beim staatlichen Lkw-Maut-Betreiber Toll Collect angegliedert sein und im dritten Quartal 2020 ihre Arbeit aufnehmen.

    Die Gesellschaft wird dabei mit einem Problem zu kämpfen haben, das schon heute den Ausbau des Mobilfunknetzes hemmt. Vielerorts wehren sich Bürger gegen neue Handymasten, etwa aus Angst vor der Strahlung. Die Sorgen will der Bund mit einer Kommunikationskampagne ausräumen. Sie soll „transparent und neutral“ über Entwicklungen beim Mobilfunk informieren und einen Dialog mit Kritikern einleiten.

    Aktuell laufen rund 1000 Genehmigungsverfahren

    Zugleich will die Regierung die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen verbessern und schnellere Genehmigungsverfahren für neue Mobilfunkmasten ermöglichen. Aktuell liegen rund 1000 Verfahren für neue Standorte bei den Behören. Insgesamt gibt es 74.000 Sendemasten in Deutschland.

    Die Initiative der Bundesregierung stößt auf Zustimmung. Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), begrüßt, dass der Bund die Erschließung von „weißen Flecken“ in die Hand nimmt. „Dieses Thema jetzt zu bereinigen, ist dringend – extrem viel dringender als der flächendeckende 5G-Ausbau mit den jetzt versteigerten Frequenzen.“ Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert ein hohes Tempo beim Netzausbau ein: „Es muss möglichst rasch passieren und darf nicht zehn Jahre dauern“, mahnt Sprecher Alexander Handschuh.

    Anke Domscheit-Berg, Digital-Expertin der Linken, kritisiert die Milliarden-Ausgabe. Es sei billiger und effektiver, den Firmen „regionales Roaming in unterversorgten Gebieten“ zu verordnen – also die gemeinsame Nutzung der Mobilfunkmasten. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta fordert dagegen höhere Ausgaben. Die geplante Summe von 1,1 Milliarden Euro für den Netzausbau stehe in keinem Verhältnis zu den 6,5 Milliarden Euro, die der Staat bei der 5G-Auktion eingenommen hat: Der Versteigerungserlös müsse im Mobilfunkmarkt bleiben.

    Die sogenannte Funkloch-Karte zeigt, wie schlecht das deutsche Mobilfunk-Netz derzeit noch ist.