Hamburg. Hamburgs beliebteste Biermarken werden jetzt in Hamburgs Süden gebraut. Bürgermeister freut sich: Steuereinnahmen bleiben in der Stadt.

Fast 140 Jahre lang kam das Holsten-Bier aus Altona. Genau am 6. Mai 1880 – so will es die Firmenhistorie – wurde das erste gleichnamige Bier in der ein Jahr zuvor gegründeten Holsten-Brauerei in der damals noch holsteinischen Stadt verkostet. Der Standort der Brauerei ist seit wenigen Tagen Geschichte.

In der vergangenen Woche wurden an der Holstenstraße in Altona-Nord die letzten Liter Holsten und Astra in Flaschen und Fässer abgefüllt. Am Montag nahm der dänische Getränkekonzern Carlsberg die neue Holsten-Brauerei offiziell in Betrieb. Sie liegt südlich der Elbe, genauer: Im Gewerbegebiet Heykenaukamp in Hausbruch. Nahe der A 7, nicht weit entfernt vom Mercedes-Werk und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Tesa-Fabrik werden künftig dort die beiden Hamburger Traditionsbiermarken gebraut und abgefüllt – bis zu eine Million Hektoliter (100 Liter) pro Jahr.

Am alten Standort entstehen Wohnungen

Auf großen Teilen des ehemaligen Brauereigeländes sollen in Altona in den nächsten Jahren unter anderem etwa 1400 Wohnungen sowie Gewerbe- und Büroflächen entstehen. „Es ist eine Win-win-Situation“, betonte denn auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der ranghöchste unter den gut 400 Einweihungsgästen, die inmitten hoher Bierkistenstapel feierten. „Das alte Brauereigelände kann für die Stadtentwicklung genutzt werden, zugleich konnte ein neuer Standort in der Stadt gefunden werden, an dem die Logistikbedingungen für eine Brauerei sehr viel besser sind“, sagte Tschentscher. Immerhin 100 Lastwagen mit Leergut und gefüllten Flaschen und Fässern steuern die Holsten-Brauerei jeden Tag an. Sie müssen nun nicht mehr mitten durch die Stadt fahren.

„Der neue Standort löst viele der Probleme, die wir in Altona hatten. Der Standort war nicht mehr zeitgemäß für die industrielle Bierproduktion“, hob Sebastian Holtz hervor. Der Vorstandschef von Carlsberg Deutschland machte zugleich deutlich, dass es nicht einfach gewesen sei, eine geeignete Fläche für die neue Bierproduktion in der Hansestadt zu finden. „Aber Astra und Holsten sind so eng mit Hamburg verknüpft, dass es für uns nicht infrage kam, an einen Standort außerhalb der Stadt umzuziehen.“ Eine solche Investition, in einer Zeit, in der die Biermärkte stagnieren, sei auch ein Signal „dass wir an die Stadt glauben“.

Bierverbrauch in Deutschland sinkt

Wie viel sich Carlsberg die neue Brauerei hat kosten lassen, bleibt aber ein Geheimnis. „Es ist ein auch für die Carlsberg-Gruppe sehr großes Projekt. Im westeuropäischen Markt gibt es derzeit ja eher Werksschließungen als -neueröffnungen“, betonte Carlsberg-Manager Michael Hinrichs. Das Werk in Hausbruch werde für den Konzern zu einer Plattform für Innovationen im Getränkemarkt, etwa für Mischgetränke, deren Absatz steigt. Der Bierverbrauch in Deutschland dagegen ist rückläufig.

2018 wurden hierzulande durchschnittlich 102 Liter des Gerstengebräus pro Kopf der Bevölkerung konsumiert, zehn Jahre zuvor waren es noch um die 110 Liter gewesen. Gleichwohl bleibt Deutschland damit nach den Nachbarländern Tschechien und Österreich Europas Bierland Nummer drei. Carlsberg-Manager Hinrichs: „Das neue Werk unterstreicht, wie wichtig der deutsche Markt für den Konzern ist.“ Seine Kapazität aber ist geringer. In Altona konnten bislang bis zu drei Millionen Hektoliter Bier hergestellt werden, am neuen Standort nur ein Drittel davon. Diese Kapazität solle jedoch voll genutzt werden, sagte ein Unternehmenssprecher.

20 Prozent Marktanteil in Hamburg

Gebraut werden in Hausbruch vornehmlich Holsten und Astra. Und wie entwickelt sich deren Produktion und Absatz? Auch in dieser Frage bleiben die Antworten im Ungefähren. Carlsberg entwickele sich besser als der Markt, heißt es. Und: Holsten und Astra seien in Hamburg die beiden beliebtesten Marken mit einem gemeinsamen Marktanteil von etwa 20 Prozent. Jedes fünfte in der Hansestadt getrunkene Bier kommt demnach künftig vom Heykenaukamp.

Dort seien die Wege kürzer als am alten Standort, der Wasser- und der Energieverbrauch geringer, sagte Vorstandschef Holtz. Zudem gibt es nun keine Einschränkungen mehr für die Produktion in der Nacht. Vieles wurde automatisiert. So erkennen Kameras, ob in einer Leergutkiste Flaschen stehen, die dort nicht hineingehören. An anderer Stelle werden die Buddeln per Kamera auf Beschädigungen untersucht und gegebenenfalls noch vor dem Befüllen aussortiert. Roboter heben die schweren 30- und 50-Liter-Fässer auf das Band der Abfüllanlage, ein sogenannter Einpackroboter sortiert die Flaschen in bereitstehende Kisten auf Paletten ein. Die etwa 150 Mitarbeiter, heißt es, seien vornehmlich dazu da, um die automatisierten Abläufe zu kontrollieren – und einzugreifen, wenn es Unregelmäßigkeiten gibt.

Jobabbau war kein Thema

Eines allerdings kam in den offiziellen Lobes- und Dankesreden nicht zur Sprache: Der Umzug an einen neuen Standort mit einer hochmodernen Anlage kostet auch Arbeitsplätze in der Holsten-Brauerei. Etwa 70 Jobs in der Produktion und der Logistik fallen weg, bestätigte ein Unternehmenssprecher dem Abendblatt. Carlsberg hat angekündigt, dass der Arbeitsplatzabbau „sozialverträglich“ vollzogen werden soll.

Bürgermeister Tschentscher hob hervor, dass es gelungen sei, Arbeitsplätze in der Stadt zu halten und der Stadt Steuereinnahmen zu sichern. „Die Biersteuer ist die einzige Verbrauchssteuer, die an die Bundesländer fließt“, sagte er. Gezahlt wird am Produktionsort. Das heißt: Bei jedem Schluck Holsten oder Astra, der außerhalb der Stadt getrunken wird, kassiert Hamburg trotzdem mit.