Berlin. Sportwetten, Spielhallen, Online-Casinos: Glücksspiel boomt. Doch vieles ist gar nicht erlaubt – das stört die Anbieter oft nicht.

Wenn am Wochenende die Spiele der Fußball-Bundesliga angepfiffen werden, dürften zahlreiche Fußballbegeisterte ihre Handys zücken, die App ihres Sportwetten-Anbieters öffnen und ihren Tipp abgeben. Denn für viele Fans ist das Mitfiebern spannender, wenn neben dem Sieg der eigenen Mannschaft auch noch ein ordentlicher finanzieller Gewinn lockt. Was viele nicht wissen: Legal ist ihre Wette in Deutschland meist nicht.

Zwar sind in Werbeblöcken des Privatfernsehens und auf Werbebanden in Stadien große Sportwettanbieter wie Betway, Interwetten oder Bet-at-Home omnipräsent, offizielle Lizenzen für ihr Geschäftsmodell besitzen sie laut Glücksspielstaatsvertrag der Bundesländer aber nicht.

Glücksspiel in der „Grauzone“

Da der Europäische Gerichtshof es im Jahr 2016 den Bundesländern aber untersagte, gegen Sportwettanbieter aus der EU vorzugehen, sind diese geduldet und befinden sich in einer Art „Grauzone“.

Die drei Anbieter sind in den europäischen Glücksspiel-Steuerparadiesen Malta und Gibralta ansässig. Ab dem 1. Januar 2020 wollen die Bundesländer mit einer Übergangsregelung Sportwetten auch formal erlauben, zunächst bis Sommer 2021.

Ein Schlupfloch im hohen Norden

Anders sieht das bei Online-Casinos aus. Für sie gibt es keine Lizenzen – mit Ausnahme eines Schlupflochs in Schleswig-Holstein. Dort wurden vor sieben Jahren Lizenzen vergeben, zehn Anbieter dürfen ihr Geschäft bis Sommer 2021 noch befristet fortführen.

Zu den Anbietern, die eine solche Lizenz besitzen, gehört auch die Kapitalgesellschaft Megapixel Entertainment, die ihren Hauptsitz ebenfalls im Steuerparadies Malta hat. Zu Megapixel Entertainment zählen Marken wie „Wunderino“ oder „Hyperino“, die im deutschen Privatfernsehen werben.

Auch die Werbeclips von Electraworks und der Marke „Bwin“ sowie das zur Kapitalgesellschaft Skill on Net gehörende „DrückGlück“ laufen derzeit im TV.

Um diese Werbung ist jüngst ein Streit entbrannt – denn die Hamburger Glücksspielaufsicht möchte sie verbieten.

Denn nur wer auch in Schleswig-Holstein wohnt und bei einem dieser Unternehmen spielt, zockt legal. Für alle anderen gilt das nicht. Viele Online-Casinos zählen erst gar nicht zu den zehn Lizenzträgern, die das Schlupfloch im hohen Norden nutzen. Wer bei ihnen spielt, ist im illegalen Bereich unterwegs.

Bereits im März hatten die Medienaufsichten ein Werbeverbot durchgesetzt, nach der Lizenzverlängerung in Schleswig-Holstein warben die Anbieter aber weiter.

Online-Casinos wollen legal werden

Das könnte sich in spätestens zwei Jahren ändern. Zum 30. Juni 2021 läuft der Glücksspielstaatsvertrag aus, bis dahin müssen sich die Bundesländer auf ein neues Konzept geeignet haben. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir danach kein Verbot des Online-Glücksspiels mehr haben werden“, sagte Dirk Quermann, Präsident des Deutschen Online Casinoverbands, unserer Redaktion.

Schon jetzt macht der Online-Markt beim Glücksspiel einen großen Anteil aus – immerhin 22 Prozent der 2017 laut Jahresreport der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder erspielten 14,2 Milliarden Euro stammt aus dem nicht-regulierten, also unerlaubten Bereich.

Der Trick der Café-Casinos

Neben dem Online-Markt zählen dazu auch sogenannte Café-Casinos, deren Betreiber ein weiteres Schlupfloch ausfindig gemacht haben. In Cafés dürfen bis zu drei Spielautomaten aufgestellt werden. In der Praxis sieht das oft so aus, dass in kleinen, 24 Stunden geöffneten „Cafés“ drei Automaten und eine Kaffeemaschine installiert werden – Auflage erfüllt.

Besonders in der Hauptstadt hat diese Masche Methode, sagt Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft: „Berlin hat sich zum Horrorszenario entwickelt. Es gibt noch 350 legale Spielhallen, dafür aber rund 2.500 illegale Café-Casinos. Das ist katastrophal für den Spielerschutz.“

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    Wenn Lose über Arbeitsplätze entscheiden

    Stecker sieht die Schuld für diese Entwicklung in den strengen Auflagen gegen die alteingesessenen Betreiber. In den Bundesländern gibt es Abstandsregelungen, Casinos müssen einen festgelegten räumlichen Abstand zueinander haben.

    In Niedersachsen wurde in den vergangenen zwei Jahren sogar per Los darüber entschieden, welche von den zu nah beieinanderliegenden Spielhallen bleiben darf und welche schließen muss – angesichts der betroffenen Arbeitsplätze eine höchst umstrittene und mittlerweile abgeschaffte Lösung.

    Abstände auf dem Handy und der realen Welt

    Auch eine im November des vergangenen Jahres in Kraft getretene Verordnung passt dem Lobbyverband gar nicht. Seitdem müssen an den Glücksspielautomaten mehr Tasten bedient werden, es gibt häufiger eingebaute Pausen.

    „Seit der Geräteumstellung im November 2018 haben wir 20 Prozent unserer Spielgäste verloren, in den ersten Wochen waren es sogar 40 Prozent“, klagt Stecker. Diese seien vor allem ins Internet abgewandert, wo es keine Limits und Spielerberatungen gebe.

    Sollte Onlineglücksspiel bald legal sein, fordert Stecker, dass auch die Einschränkungen gegen die Spielhallen aufgehoben werden. Eine Abstandsregelung bei Spielhallen aufrecht zu erhalten und gleichzeitig mehrere Casino-Apps nebeneinander auf dem Smartphone zu haben, sei inkohärent, sagte Stecker auf dem Kongress der Deutschen Automatenwirtschaft in Berlin.

    Milliarden an Steuern versus Gesundheit der Spieler

    Politisch ist das Thema hoch umstritten. Auf der einen Seite steht die Gesundheit, der Spieler- und Jugendschutz. Denn in Deutschland gibt es laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine halbe Million Spielsüchtige.

    180.000 von ihnen gelten als zwanghaft süchtig, dem Rest wird ein problematisches Verhältnis zum Glücksspiel attestiert. Auf der anderen Seite stehen die Steuereinnahmen. 5,2 Milliarden Euro flossen 2017 an Steuern und Abgaben aus dem legalen Glücksspiel an den Staat. Erlauben die Länder Online-Casinos und Sportwetten, dürften die Kassen noch mehr klingeln. Wie das aber konkret geregelt werden soll, ist unklar.

    „Schmuddel-Image“ verlangsamt Lösungsansätze

    Das liegt auch daran, dass nicht alle Politiker willens sind, sich mit dem Thema zu befassen. Viele Politiker verbänden mit Glücksspiel ein „Schmuddel-Image“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordneter Martin Gerster auf dem Berliner Kongress. Das Thema Glücksspiel sei „in der Politik wie eine heiße Kartoffel.“ Wie umstritten das Thema ist, musste auch Fußballstar Bastian Schweinsteiger erleben, der für das Glücksspiel warb und anschließend heftig kritisiert wurde.

    Eine Lösung könnte sein, Online-Casinos grundsätzlich zu erlauben – mit Schutzmechanismen. „Technisch lässt sich Spieler- und Jugendschutz online sehr gut umsetzen“, sagte Quermann. Spieler mit einem Eintrag in einer Sperrdatei ließen sich online sperren, mittels Video-Ident-Verfahren könne das Alter bestimmt werden. Online-Anbieter könnten sich verpflichten, Spielern zeitliche und finanzielle Limits anzubieten.

    Geht jedes Bundesland seinen eigenen Weg?

    Aber auch andere Lösungen wie eine „Opt-in, Opt-out“-Option werden diskutiert: „Das bedeutet, dass das eine Land Onlinekasinos erlauben kann, während das andere Land es verbieten kann“, erklärt Michael Barth, Geschäftsführer von Lotto Bremen.

    Für die Regierungen der Länder hätte das den Vorteil, dass jeder seine eigene Agenda verfolgen könne. Wer beispielsweise ein Signal gegen Glücksspiel setzen möchte, wählt die eine Variante, wer auf mehr Steuereinnahmen pocht, die andere. „Das wäre eine politische Lösung, aber die würde uns nicht weiterbringen“, meint Barth.

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      Denn dann ergebe sich eine Situation wie im Norden: Während ein Spieler in Schleswig-Holstein ein Spiel legal spielen kann, würde er beim Überschreiten der Landesgrenze nach Hamburg etwas Illegales tun. Das sei rechtlich schwer zu begründen, findet Barth.

      Da Regelungen beim Glücksspiel immer umstritten seien und wie bei den Sportwetten 2016 oft bis zum Europäischen Gerichtshof gingen, blickt der Bremer Lotto-Chef dem neuen Staatsvertrag skeptisch entgegen: „Ich habe die Sorge, dass dort das Gebäude, dass die Politik beim Glücksspielstaatsvertrag gerade mühsam errichtet, wieder zusammenbricht.“