Hamburg. In Hamburg ist eine Debatte um Stadtgeländewagen entbrannt. Wie gefährlich und umweltschädlich sind sie wirklich?

„Schon mal darüber nachgedacht, Verantwortung zu übernehmen? Oder braucht das Ego so eine Protzkarre?“ heißt es. Oder: „Klimawandel juckt mich nicht.“ Besitzer von SUVs finden an ihren Fahrzeugen immer öfter Zettel oder Aufkleber, die gegen große Autos in einer Stadt wie Hamburg protestieren – und die unter Abendblatt-Lesern eine große Debatte ausgelöst haben. „Wir hatten einen Aufkleber auf unserem Macan mit der Aufschrift: Klimawandel juckt mich nicht! Und ich kann mich nicht davon freimachen, dass das eine Art Weckruf war, ob ich wirklich so ein großes Auto brauche“, sagt der Hamburger Nils Behrens. „Ich musste sowieso gerade ein neues Auto bestellen und wechsle jetzt zu einem Mini.“

Ältere Hamburger betonen den Sicherheitsaspekt der SUVs

Kurt Wendt sieht das ganz anders: „Ich habe die Nase voll von diesen Ökofreaks, die behaupten, ich würde einen SUV fahren, weil ich ein Überlegenheitsgefühl brauche, mich wie in einem Panzer gegen die Umwelt absichern möchte und die Städte mit meinem Fahrzeug verstopfe. Ich möchte einsteigen können, ohne mir den Kopf zu stoßen, und gerade im Fahrzeug sitzen können.“ Bernd Egger geht noch weiter: „Ich kann nur jeden beglückwünschen, der einen SUV fährt.“

Bei den Kritikern sei „viel Neid im Spiel“. Ältere Hamburger betonen immer wieder den Sicherheitsaspekt der SUVs: „Auch ich, weiblich, 68 Jahre alt, fahre gern einen sogenannten SUV. Ein ideales Zugfahrzeug für unseren Wohnanhänger. Zudem noch ein Auto, in dem ich als nicht so große Person eine sehr gute Übersicht und ein gutes Gefühl für die Sicherheit habe“, so Anke Schulze. Rentner Peter Thon sieht einen Vorteil für andere Verkehrsteilnehmer: „Wegen der Übersichtlichkeit fährt man vorausschauender.“

SUVs aus eng besiedelten Wohngegenden verbannen

Für Torsten Berger ist es dagegen höchste Zeit, „SUVs aus eng besiedelten Wohngegenden zu verbannen“. Hubertus Jonas nennt es „absolut morbid und geradezu dekadent, wenn im Stadtverkehr geländegängige und mit Breitreifen bestückte SUVs bewegt werden, um ein paar Zigaretten zu holen“. Frank Lüders wiederum ist weder „ein Liebhaber noch ein Gegner“ von SUVs, „aber Zettel an Windschutzscheiben zu klemmen geht mir tierisch auf die Nerven“. Wenn, dann sollten die Gegner doch direkt mit Fahrern eines SUV ins Gespräch kommen. Für Andreas Kaluzny hat die ganze Diskussion einen Vorteil: „Jeder hat jetzt die Gelegenheit, sich zu fragen: Was sind meine Gründe für so ein Fahrzeug?“

Doch welche Grundlagen hat die Kritik an diesen Fahrzeugen? Und wie viele davon gibt es in Hamburg? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die SUVs:

Was ist überhaupt ein SUV?

Die Abkürzung, die in den 1990erJahren aufkam, steht für „Sport Utility Vehicle“, was sich mit dem Begriff „sportliches Nutzfahrzeug“ übersetzen ließe. Man versteht darunter gemeinhin Pkw mit erhöhter Bodenfreiheit, die an das Erscheinungsbild von Geländewagen angelehnt sind. Die Spanne der Autos, die als SUV bezeichnet werden, ist sehr groß. Sie reicht vom 900 Kilogramm leichten Suzuki Ignis bis zu Schwergewichten von 2,5 Tonnen wie dem Mercedes GLS oder dem BMW X7.

Seit 2013 unterscheidet das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in seiner Zulassungsstatistik zwischen SUVs und Geländewagen, wobei sich die Flensburger an der Definition der einzelnen Fahrzeugklassen in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung orientieren. Geländewagen zeichnen sich demnach durch einen Allradantrieb aus, zudem müssen sie Steigungen von 30 Prozent überwinden können und mehrere weitere Kriterien etwa im Hinblick auf die Bodenfreiheit erfüllen. Das führt dazu, dass laut KBA zum Beispiel ein Porsche Cayenne kein SUV, sondern ein Geländewagen ist, auch wenn er in der Praxis kaum als solcher genutzt werden dürfte.

Wie haben sich die Neuzulassungen von SUVs in Deutschland entwickelt?

Während die Gesamtzahl der neu zugelassenen Pkw in Deutschland zwischen 2008 und 2018 um elf Prozent zunahm, verzeichneten die SUVs (einschließlich der Geländewagen) einen regelrechten Boom: In diesem Zeitraum hat sich ihre Verkaufszahl von gut 200.000 auf 933.000 mehr als vervierfacht. Im Jahr 2019 werden erstmals mehr als eine Million Stadtgeländewagen zugelassen, schätzen die Branchenexperten des Duisburger CAR Instituts – damit würde etwa jeder dritte Neuwagen dieser Kategorie angehören. Nach KBA-Daten betrug der Bestand der SUVs zu Jahresbeginn 2019 in Deutschland 3,14 Millionen Stück, hinzu kamen 2,40 Millionen Geländewagen.

Wie beliebt sind SUVs in Hamburg?

Hierzu gibt es unterschiedliche Angaben, jedoch ist Hamburg offenbar nicht die SUV-Hochburg Deutschlands. In der Hansestadt ist der Marktanteil der über das Internet nachgefragten SUVs und Geländewagen zusammengenommen nach Angaben des Online-Neuwagenvermittlers MeinAuto.de zwischen 2015 und 2018 von rund 21 Prozent auf etwa 30 Prozent gestiegen. In Berlin und München sowie im Deutschlandschnitt lagen die Anteile höher. Wie die Bundesregierung laut dem Branchendienst SP-X im vorigen Jahr auf Anfrage des Bundestags mitteilte, wies Hamburg im Jahr 2017 einen Anteil der SUVs und Geländewagen von 16,6 Prozent an den Pkw-Neuzulassungen (insgesamt 140.532) auf und war das Schlusslicht unter den Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Der Bundesschnitt lag 23,9 Prozent.

Sind SUVs bei Unfällen gefährlicher als andere Autos?

„Man kann nicht einfach sagen: Ein SUV ist grundsätzlich gefährlicher als ein Polo oder als ein Smart“, sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), der Nachrichtenagentur dpa. Entscheidend sei die Geschwindigkeit beim Unfall, nicht die Fahrzeugart. Allerdings hat die UDV im Jahr 2011 eine Studie veröffentlicht, wonach im Fall einer heftigen Kollision das Risiko für schwere oder tödliche Verletzungen beim Unfallgegner eines SUV um ein Mehrfaches höher ist als für die Insassen des Stadtgeländewagens.

Sind SUVs umweltschädlicher als die übrigen Pkw-Kategorien?

Für die Hamburger Verkehrsexperten der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist die Antwort klar – SUVs sind demnach „Klimakiller“. Dass der CO2-Ausstoß von Neuwagen seit 2017 insgesamt wieder ansteige statt zu sinken, liege am SUV-Trend. Zusammen mit den Geländewagen erzeugten sie 2018 im Schnitt 144 Gramm CO2 je Kilometer, deutlich mehr als die Gesamtheit der neu zugelassenen Pkw (130 Gramm). Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht das etwas anders. Der überwiegende Teil der SUVs seien Klein-, Kompakt-, und Mittelklassewagen, die nicht mehr CO2 als etwa Minivans dieser Fahrzeugklassen ausstoßen, sagt der Professor der Universität Duisburg-Essen. Er rät den Herstellern jedoch, besonders schwere SUVs wie den Mercedes GLS oder den BMW X7 zumindest nicht in Europa zu verkaufen: „In Zeiten des Klimawandels polarisieren diese Fahrzeuge erheblich und gefährden die Markenwerte.“