Hamburg. Er leitet das Geschäft des Hamburger Händlers Gebr. Heinemann in fünfter Generation – im Abendblatt verrät er seine Pläne.
Wenn er aus den Fenstern seines Büros oben im Heinemann-Speicher in der HafenCity schaut, liegt ihm Hamburg quasi zu Füßen. Alle fünf Hauptkirchen, Rathaus, die Speicherstadt, St. Annenfleet – ein Bild wie auf einer Postkarte. Kommt man da überhaupt zum Arbeiten? Max Heinemann lächelt. „Es ist mir wichtig, in die Ferne blicken zu können“, sagt er. Die grandiose Aussicht helfe ihm auch, sich geografisch wieder in seiner Heimatstadt zu verorten. Nach 14 Jahren im Ausland ist der Erbe der hanseatischen Kaufmannsdynastie Gebr. Heinemann in die Firmenzentrale zurückgekehrt. Zwischen die beiden Panoramafenster hat er ein Foto der Skyline von Singapur gehängt, wo er lange gelebt, das asiatische Geschäft der Firma aufgebaut und seine Familie gegründet hat. Jetzt soll der 36-Jährige als Geschäftsführer den führenden Duty-Free-Händler Europas in die Zukunft führen.
Gebr. Heinemann ist unter den großen Akteuren im internationalen Reisemarkt das einzige Familienunternehmen. „Es ist uns wichtig, auch in fünfter Generation familiengeführt und damit unabhängig zu bleiben“, sagt Max Heinemann, der im Abendblatt-Gespräch erstmals über seine neue Rolle spricht. Er trägt ein blaues Sakko und braune Slipper. Sein Bart ist rot-blond und sorgsam gestutzt. Manchmal überlegt er länger, bevor er eine Frage beantwortet. Seine Position als Sprecher der Geschäftsleitung, die er im vergangenen Jahr angetreten hat, ist im Rahmen einer größeren Umstrukturierung neu geschaffen worden. Vater Gunnar und dessen Vetter Claus, die seit mehr als 40 Jahren die Geschicke der 1879 gegründeten Firma lenken und das Geschäft massiv ausgebaut haben, sind weiterhin im Verwaltungsrat und – so der junge Herr Heinemann – „auch im Tagesgeschäft präsent“.
Reibungslose Nachfolgereglung bei Heinemann
Die neue Firmenstruktur, bei der unter anderem das Großhandels- und Einzelhandelsgeschäft auf Leitungsebene zusammengeführt und eine neue Regionalstruktur etabliert wurden, soll weiteres Wachstum in den unter Druck stehenden globalen Märkten vorantreiben. Das Konzept trägt die Handschrift des neuen Chefs, der im fünfköpfigen Geschäftsleitungsteam für Strategie, Strukturen und Personal zuständig ist und sich an einer Nahtstelle im Unternehmen sieht. Trotzdem bleibt er betont bescheiden. „Es ist mehr ein Generationsübergang als ein Generationswechsel.“ Großes Pathos liegt ihm nicht.
Aber natürlich ist er stolz, in die Unternehmensführung berufen worden zu sein. Anders als in anderen Hamburger Familienunternehmen lief die Nachfolgeregelung bei den Heinemanns völlig geräuschlos. Sein Bruder ist Architektur-Fotograf. Die Kinder seines Onkels Claus Heinemann sind deutlich jünger. „Der Zusammenhalt in der Familie ist groß und über Generationen gewohnt“, erklärt Max Heinemann den einvernehmlichen Übergang. „Und wir reden viel miteinander. Das ist wichtig.“ Aber, das macht der neue starke Mann an der Spitze des Traditionsunternehmens klar, auch ohne das Backup aus der Familie, „hätte ich Spaß an der Aufgabe und an der Verantwortung.“
Vor 50 Jahren erste Duty-Free-Lizenz auf dem Flughafen Köln/Bonn
Dass die sich nicht nur an Geschäftszahlen messen lässt, wird im Foyer der Firmenzentrale im Stil alter Kontorhäuser an der Koreastraße deutlich. In langer Reihe hängen die Ölporträts bisheriger Firmenlenker in goldschimmernden Rahmen an einer Backsteinwand – wie in einer Ahnengalerie. Mitten drin Heinrich Heinemann, der den Gewerbebetrieb für Schiffsausrüstung vor 140 Jahren mit seinem Bruder Carl angemeldet hatte, schon damals mit Sitz im historischen Hafenviertel. Das Geschäft entwickelte sich stetig, größte Veränderung war vor 50 Jahren der Erwerb der Lizenz für den ersten Duty-Free-Shop am Flughafen Köln/Bonn und damit der Sprung vom Groß- in den Einzelhandel, inzwischen das wichtigste Geschäftsfeld. Heute haben Gebr. Heinemann weltweit 8000 Mitarbeiter und betreiben mehr als 330 Duty-Free-Shops an 74 Flughäfen in 28 Ländern mit 40 Millionen Kunden im Jahr. Als Großhändler beliefert das Unternehmen 1000 Einzelhandelskunden in über 100 Ländern, darunter Fähren, Kreuzfahrtschiffe und Militär sowie Shops in zollfreien Zonen vom Vatikan bis Helgoland. 2018 steigerte die Gruppe den Umsatz um 11,4 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro.
„Wir wollen weiter wachsen“, sagt Max Heinemann. Dabei gehe es nicht ausschließlich um Umsatzziele, sondern um eine besonnene Entwicklung, bei der auf Rentabilität geachtet werde. In Singapur, wo er nach dem Betriebswirtschaftsstudium im spanischen Barcelona von 2010 an das Geschäft in Asien und Australien erfolgreich mit aufbaute, hat er Erfahrungen gesammelt. Unter anderem betreiben die Hamburger am Flughafen Sydney ihren größten Duty-Free-Shop, haben in Malaysia einen wichtigen Fokus-Markt, zahlreiche Geschäfte in China und Partnerschaften in Indonesien. Wichtiges Vorzeigeprojekt ist eine insgesamt 53.000 Quadratmeter große Shoppingfläche am neuen Istanbuler Airport, die Gebr. Heinemann in einem Joint Venture betreibt.
Der neue Heinemann-Chef hat sich Familienzeiten verordnet
In Hamburg geht es jetzt um die ganz großen Linien im weltweiten Geschäft. „Wir sehen die wirtschaftliche Zukunft des Duty-Free-Geschäfts an Flughäfen positiv“, sagt Max Heinemann. Dabei setzt er neben dem wachsenden Online-Handel bewusst auf Ladenkonzepte. „Es geht heute nicht mehr um die größten Preisvorteile beim Kauf eines Parfüms oder eines besonderen Whiskys, sondern um einen Mehrwert für den Kunden durch mehr Service und angenehme Atmosphäre.“ Als Beispiele nennt der Unternehmer neue und überraschende Markenpräsentationen, regionale Angebote sowie die Schaffung von großen Selbstbedienungsflächen mit einheitlichen Kassenzonen, in denen man von Lebensmitteln bis zu exklusiven Gesichtscremes alles bekommt. „Wir wollen Marktplätze schaffen.“ Daneben gibt es schon jetzt die Möglichkeit – mit einem gültigen Ticket – auch online bei Heinemann einzukaufen und sich die Waren nach Hause schicken zu lassen.
Heinemann weiß wovon er spricht. Er ist selbst Kunde in den eigenen Läden. „Mein Parfüm kaufe ich immer bei Reisen am Flughafen“, sagt er. Wenn er eine besondere, gerne auch regionale Spirituose haben möchte, besorgt er sich diese bei Heinemann. Auch aus Zeitgründen. Er arbeitet viel. Als seine Frau mit den drei kleinen Kindern im Januar aus Singapur nachkam und alle zusammen die gemeinsame Hamburger Wohnung in Alsternähe bezogen, hat er sich Familienzeiten verordnet. „Wenn ich nicht auf Reisen bin, bringe ich meine Tochter morgens in die Schule und den Jüngsten auf meinem Arbeitsweg in die Kita. Deshalb gibt es bei mir keine Meetings vor 9.30 Uhr,“ sagt der begeisterte Vater. Abends für die Zu-Bett-Geh-Geschichten ist er dann wieder daheim.
So langsam haben sich alle in Hamburg eingelebt. „Auch wenn ich manchmal die Sonne und die gute Organisation des Alltagslebens in Singapur vermisse“, sagt Max Heinemann. Klar ist, dass er gekommen ist, um zu bleiben. Gerade hat er sich nach 14 Jahren wieder ein Fahrrad gekauft. Mit der Familie will er damit Hamburg neu kennenlernen. Und nicht nur von oben ansehen.