Hamburg. Firmen aus der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichten dahinter. Heute: Die Manufaktur Devils Eye.
Seeluft sei gesund, heißt es. Sie lindere Atemwegsprobleme, fördere die Durchblutung und stärke die Abwehrkräfte. Seeluft macht aber offensichtlich auch erfinderisch. Zumindest gilt das für Nicole und Bernd Sell, die bei einem Spaziergang im Hafen von Grömitz beschlossen, ihr Leben komplett umzukrempeln und beruflich neu anzufangen. Er schmiss seinen Job als Werbefilmer, sie ihre Anstellung bei einem der größten Erdbeerproduzenten Europas, Karls Erdbeerhof. Zusammen gründeten sie eine Manufaktur zur Herstellung von Grill- und Gewürzsoßen Das war vor drei Jahren. Seitdem bringt das Ehepaar, das seine Produkte unter dem Namen Devils Eye (Teufelsauge) vertreibt, jedes halbe Jahr neue Rezepturen auf den Markt. Aktuell beliebte Kreationen sind eine Barbecue-Sauce mit Kaffee und – ganz neu – Bacon Jam.
Aber wie macht man bitte eine Marmelade aus Speck? „Dazu wird der Speck mit Zwiebeln angeschmort und anschließend mit Balsamico und einer Reihe von Gewürzen lange eingekocht. Das schmeckt super als Topping für Hot Dogs, Burger, Grillfleisch, Käsebrote, oder einfach so“, sagt Nicole Sell. In einem ehemaligen Gebäude der früheren Drogeriemarktkette Schlecker in einem Wohngebiet in Sereetz bei Lübeck haben sie ihre Küche, wo die Speckmarmelade und alles andere von Devils Eye entsteht.
Gewürzmischung bleibt Geheimnis
Bernd Sell steht gerade mit einem Löffel, groß wie ein Klappspaten, vor einem brodelnden 200 Liter fassenden Topf, in dem frische „Black Coffee Barbecue-Sauce gekocht wird. 30 Kilogramm Tomatenmark sind darin, vier Kilo frische Zwiebeln 13 Liter Essig, acht Liter Sojasauce, 17 Liter Wasser, eine eigene Gewürzmischung, die Sell nicht preisgibt – und 2,5 Liter Espresso. „Kaffee hat eine feine Säure und eine herbe Note, die den Geschmack einer Barbecue-Sauce sehr gut ergänzen“, sagt er.
Für alle Produkte der Manufaktur gilt: Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, künstliche Aromen oder sonstige künstliche Zusätze wie Soßenbinder kommen bei Devils Eye nicht ins Glas. „Grillsaucen gibt es in unfassbar großer Auswahl. Da können wir nur mit außergewöhnlichem Geschmack und mit ausschließlich natürlichen Zutaten punkten“, sagt Sell. Deshalb eigne sich ein Großteil der Produkte auch zur Verfeinerung vegetarischer oder veganer Gerichte. Außer Saucen gibt es von Devils Eye auch Chutneys, Pickles und Würzmischungen für Dips mit Mayonnaise, Crème fraîche oder Schmand.
Rezepte werden am Schreibtisch entwickelt
Bernd Sell ist der kreative Kopf, der Koch in dem Familienbetrieb. Obwohl er beruflich zunächst einen anderen Weg eingeschlagen hat, verbringt er seine Freizeit seit Kindertagen gerne in der Küche am Herd. Und Sell hat eine besondere Begabung. Er kann sich im Kopf den Geschmack vorstellen, der bei der Zusammensetzung verschiedener Zutaten entsteht. Viele seiner Rezepte entwickelt er am Schreibtisch. Mit Erfolg: Sogar Tim Mälzer lobt die Saucen.
Während ihr Mann kocht, kümmert sich Nicole Sell um alles andere: Akquise, Büro, Rechnungen, und abends, wenn die Tagesproduktion vorbei ist und alle Flaschen abgefüllt und verschlossen sind, klebt sie noch die Etiketten darauf – von Hand, denn eine Etikettiermaschine gibt es in der Küche nicht. Angefangen habe alles mit dem Famila-Markt um die Ecke, erzählen sie. „Der nahm uns einige Saucen ab. Da es ganz gut lief, wurde die Famila-Zentrale aufmerksam, so dass wir jetzt auch die anderen Märkte beliefern.“ Dann seien einige Edeka-Filialen in Hamburg hinzugekommen, die Citti-Handelsgeselleschaft und schließlich Rewe.
350 Supermärkte führen Devils Eye
Insgesamt 350 Supermärkte im Norden werden inzwischen mit den Kreationen aus dem Hause Sell beliefert. Viel Arbeit, wenn man bedenkt, dass die Bestellungen relativ kurzfristig eingehen und dann palettenweise ausgeliefert werden müssen. Vier Aushilfskräfte unterstützen das Ehepaar. Und in der Hauptsaison, von März bis Mai, wenn die Handelshäuser ihre Regale für die Grillsaison auffüllen, wird eine weitere Vollzeitkraft eingestellt.
Gewinn erwirtschaften die beiden mit ihrem gelebten Traum unterm Strich noch nicht. Schließlich haben sie zur Einrichtung der Küche einen Kredit von 120.000 Euro aufgenommen, der abbezahlt werden muss. „Wir müssen in 450 Supermärkten gelistet sein, dann erreichen wir den Break Even“, so Nicole Sell. Die beiden sind auf dem besten Wege dahin. „Wir haben im ersten Halbjahr rund 60.000 Flaschen verkauft, das ist soviel wie 2018 im gesamten Jahr.“ Zudem haben die Sells schon wieder eine neue Idee. Eine Glasur, mit der man zum Beispiel Spare Ribs auf dem Grill einpinseln kann. Die Kreativität kennt bei den Sells keine Grenzen. Es könnte wirklich an der Seeluft liegen. Denn auch privat wohnen sie in Timmendorfer Strand.