Hamburg. Der neue Vorstandschef Roland Harings bekennt sich klar zum Standort Hamburg, spricht über den Gewinnrückgang 2019 und Umweltschutz.
Roland Harings ist zumindest beruflich längst bei Aurubis in Hamburg angekommen, auch wenn er den Kupferkonzern mit seinen weltweit rund 6700 Mitarbeitern erst seit wenigen Wochen als Vorstandschef leitet. Das Büro auf der Veddel hat er neu und modern einrichten lassen – weiß ist nun die dominierende Farbe. Nach einer turbulenten Anfangsphase mit der vorzeitigen Absetzung seines direkten Vorgängers Jürgen Schachler durch den Aufsichtsrat will der 56-jährige Manager Aurubis nun in ruhigere Fahrwasser und erfolgreiche Zeiten führen.
Herr Harings, Sie sind seit Mai in Hamburg, haben Sie sich schon eingelebt?
Roland Harings: Eingelebt wäre zu viel gesagt, aber ich bin hier sehr gut mit meiner Familie angekommen. Uns gefällt es ausgezeichnet. Wir haben uns bereits eine Wohnung gekauft, die aber noch ausgebaut werden muss.
Sie haben zuvor in der Schweiz gelebt. Sehen Sie bereits große Unterschiede zwischen Zürich und Hamburg?
Auf jeden Fall ist das Preisniveau für Immobilien in beiden Städten sehr hoch – das haben wir schon festgestellt (lacht). Ansonsten muss man sagen, dass Hamburg für mich eine richtige Weltstadt ist. Zürich empfinde ich dagegen eher als heimelig, aber die Stadt ist auch wunderschön – und vor allem extrem ordentlich und sauber.
Sie wurden bereits von ihrem Vorgänger Jürgen Schachler eingearbeitet, als dieser Anfang Juni von heute auf morgen vom Aufsichtsrat abgesetzt wurde. Hat Sie die Abberufung überrascht?
Es war eine sehr intensive Aufsichtsratssitzung. Die Entscheidung des Aufsichtsrats, das von Herrn Schachler aufgelegte große Investitionsprojekt Future Complex Metallurgy (FCM) zu stoppen, ist aber richtig und notwendig gewesen. Und letztlich war es dann wie in vielen anderen Unternehmen: Der Chef muss letzten Endes die Verantwortung für diese doch sehr hohe Abschreibung übernehmen.
Nun wäre Herr Schachlers Vertrag ohnehin zwei Wochen nach der Aufsichtsratssitzung ausgelaufen. War es da notwendig, sich so kurz vorher von ihm zu trennen – auch mit Blick auf die negative öffentliche Wahrnehmung des gesamten Unternehmens?
Darüber kann man diskutieren. Aber ich halte es für richtig, dass man sich als Chef eines so großen Unternehmens auch seiner Verantwortung stellt.
Warum musste FCM gestoppt werden?
Das Projekt bewegte sich nicht mehr in dem Kostenrahmen, der für Aurubis wirtschaftlich Sinn gemacht hätte. Wir hatten uns zu viel zu schnell vorgenommen. Hier müssen wir nachjustieren. Ich möchte aber betonen, dass wir trotz der Entscheidung FCM zu stoppen, weiter an unserer Multi-Metall-Strategie festhalten. Wir setzen also auch künftig auf eine Vielzahl von Metallen.
Das Projekt FCM stand insgesamt für eine Investition in Höhe 320 Millionen Euro. Zudem sollten 120 neue Arbeitsplätze in Hamburg entstehen. Wird es diese Arbeitsplätze dennoch geben oder kommt es gar zu einem Stellenabbau?
Hamburg ist mit rund 2500 Beschäftigten einer der wesentlichen Standorte unseres Konzerns und wird das auch bleiben. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich nach wenigen Wochen im Amt noch keine konkreten Aussagen zu den Arbeitsplätzen machen kann. Sowohl mit Blick auf das rauere Konjunkturklima als auch auf und unsere Ergebnissituation müssen wir aber permanent auf die Kosten schauen.
Kennen Sie den früheren, langjährigen Aurubis-Chef Werner Marnette?
Nicht persönlich. Aber ich habe mir seinen Redebeitrag auf der vergangenen Hauptversammlung angehört.
Herr Marnette sieht durch das Aus für das FCM-Projekt den Standort Hamburg in Gefahr – was antworten Sie?
Das ist komplett falsch. Schauen Sie sich doch den Standort an, wie viel Geld wir hier investiert haben. Allein in den bevorstehenden Wartungsstillstand investieren wir rund 45 Millionen Euro. Oder auch unser neues Ausbildungs- und Innovationszentrum, für das wir 18 Millionen Euro ausgegeben haben. Das würden wir doch nicht machen, wenn wir Hamburg aufgeben wollten. Ich weiß nicht, was Herrn Marnette umtreibt. Es tut mir vor allem für die Mitarbeiter leid, dass mit solchen Aussagen eine große Verunsicherung in die Belegschaft getragen wird. Herr Marnette hat das Unternehmen lange geprägt und ist noch immer ein Instanz – und gerade deshalb ist es sehr schade, dass er solche Aussagen tätigt.
Der Vorsteuergewinn (Ebt) von Aurubis ist in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres um mehr als 50 Prozent auf 125 Millionen Euro gefallen. Was sind die Gründe für diesen Einbruch?
Wir haben 2019 in unseren drei großen Werken längere Wartungsstillstände – das belastet das Ergebnis doch sehr. Diese Stillstände wollen wir künftig entzerren. Zudem hatten wir auch unvorhersehbare Ausfälle, hier müssen wir an der Zuverlässigkeit der Anlagen arbeiten. Und die Abschreibung für FCM in Höhe von 30 Millionen Euro hat auch Spuren in der Bilanz hinterlassen. Und dennoch sind wir weiterhin ein sehr, sehr profitables und kerngesundes Unternehmen.
Wie ist Ihre Prognose für den Rest des Geschäftsjahres?
Der Ausblick ist wegen der Wartungsstillstände und der nicht einfachen Konjunktur verhalten. Wir gehen deshalb von einem operativen Vorsteuergewinn deutlich unter dem Vorjahr aus. Allerdings muss man sich auch die Vergleichswerte anschauen: Das letzte Geschäftsjahr war immerhin das viertbeste unserer langen Unternehmensgeschichte. Mittelfristig sehe ich aber immenses Potenzial für Aurubis. Denn die Energiewende weg von fossilen Brennstoffen hin zu regenerativen Alternativen spielt uns in die Karten. Kupfer wird immer bedeutender weil es für alle Technologien, mit denen Strom transportiert wird, das perfekte Material ist – egal ob es Batterien oder Leitungen sind. Hier sind wir ideal positioniert – auch beim Recycling.
Der Aktienkurs von Aurubis ist seit Anfang 2018 um mehr als 50 Prozent abgestürzt – was sind aus Ihrer Sicht die Gründe diesen Einbruch – und wann geht es wieder aufwärts mit dem Papier?
Neben den Wartungsstillständen spielen hier natürlich auch externe Faktoren eine Rolle wie die weltweite Konjunktur und der volatile Metallpreis. Aber wenn wir unsere Zuverlässigkeit bei den Anlagen erhöhen, wovon ich ausgehe, dann wird es auch mit dem Aktienkurs wieder aufwärts gehen. Insgesamt ist die Aurubis-Aktie ein ausgezeichnetes Investment. Wir haben ja auch sehr langfristige Investoren wie die Salzgitter AG, worüber wir sehr froh sind. Denn gerade die Salzgitter AG ermöglicht uns wichtige Investments wie zum Beispiel die Übernahme der belgisch-spanischen Metallo-Gruppe.
Es gibt am Kapitalmarkt immer wieder die Gerüchte, dass die Salzgitter AG, die bereits 25 Prozent an Aurubis hält, bald die Mehrheit übernehmen könnte. Ein realistisches Szenario?
Eine Antwort darauf wäre im Bereich der Spekulation. Ich sehe beim aktuellen Salzgitter-Engagement den Vorteil, dass wir einen industriellen Ankeraktionär haben, der unser Geschäft versteht und uns tatkräftig unterstützt. Was Salzgitter vorhat, dazu kann ich nichts sagen. Allerdings sind die Synergien nicht sehr groß, weil sich unsere Geschäfte doch stark unterscheiden.
Haben Sie Sorgen mit Blick auf die sich eintrübende Konjunktur, den Handelsstreit zwischen China und den USA sowie den drohenden Brexit?
Das betrachte ich durchaus mit Sorge. Gerade wenn sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China verschärfen sollte, dürfte das auch negative Auswirkungen auf unsere Kunden in Deutschland und ganz Europa haben, die eng mit beiden Ländern verwoben sind. Das wäre schlecht für unser Geschäft.
Die Hamburger Kupferhütte ist unlängst in die Schlagzeilen geraten, weil die gesetzlich vorgegebenen Zielwerte des chemischen Elements Arsen in der Veddeler Luft zeitweise überschritten wurden. Fühlt Aurubis sich dafür verantwortlich?
Wir stehen zu unserer Verantwortung und nehmen die Werte natürlich sehr ernst. Wir haben über Jahre hinweg massiv in den Umweltschutz investiert – allein in Hamburg 220 Millionen Euro seit dem Jahr 2000 – und werden das auch weiterhin tun. Wenn wir uns mit direkten Konkurrenten vergleichen, so sind wir eines der besten Werke mit Blick auf die Umweltstandards. Nun konkret zu den Arsenwerten: Wir hatten 2018 eine ganz besondere Wetterlage wegen des extrem heißen und trockenen Sommers – das hat sicherlich auch zu den kurzfristig erhöhten Werten beigetragen, die übrigens längst wieder unterhalb des Zielvorgabe liegen. Und dennoch werden wir weiter an der Verbesserung unserer Umweltstandards arbeiten – das steht außer Frage.
Ist eine Kupferhütte wie Aurubis mitten in einer Großstadt wie Hamburg mit Blick auf Emissionen und Umweltschutz überhaupt sinnvoll?
Ja, auf jeden Fall. Sicherlich kann man die Emissionen nicht auf Null bringen. Aber es ist unser Ziel, das sauberste und beste Kupferwerk der Welt zu sein. Zudem sollte man nicht verkennen, dass wir mit über den Energiedienstleister enercity mit unserer CO2-freien Industriewärme bereits Wohnungen in der HafenCity versorgen und einer der größten industriellen Arbeitgeber der Stadt sind. Wir geben dabei vor allem jungen Menschen die Chance auf eine Ausbildung, die es sonst auf dem Arbeitsmarkt eher schwer hätten. Wir sehen uns als einen wichtigen Teil der Wirtschaft und Gesellschaft in Hamburg – und stehen nicht zuletzt für Integration.