Hamburg. Anlage in Volksdorf plant neue Attraktion. Die Macher betreiben auch die Eis-Arena in Planten un Blomen und die Kinderspielhalle Indoo.

Der Chef verlangt keine Extrawurst. Hinter einer Gruppe von Schülern hat sich Jens Eickmeier mit seinem Gurt in das Sicherungssystem eingeklinkt und wartet, bis er an der Reihe ist. „Die Kraft beim Klettern kommt aus den Beinen“, sagt der 55-Jährige, als er vor einer schmalen Kletterwand steht. Dann geht es hoch hinauf. Mit Händen und Füßen sucht er die grünen und roten Haltepunkte, greift nach ihnen, tritt auf sie drauf und erklimmt die Plattform am Baum. Nun hat er in drei, vier Metern Höhe den Waldboden unter sich. Und vor sich ein von Kunststoff ummanteltes Stahlseil. Er tritt auf das Seil, macht ein paar Schritte, und schon steckt er mitten im Spinnennetz – so heißt das erste Element in luftiger Höhe.

Einmal im Monat erklimmt der Unternehmer noch selbst die Bäume im Volksdorfer Wald, in denen er seit 2009 klettern lassen darf. Vor Kurzem hat sich der Vertrag mit dem Bezirksamt Wandsbek um zehn Jahre verlängert. Die richtige Zeit, um den nächsten Ausbauschritt für den Kletterwald Hamburg ins Auge zu fassen. „Wir dürfen noch einen Parcours bauen und wollen das in den nächsten drei Jahren umsetzen“, sagt Eickmeier. Bisher sind auf dem Gelände am Meiendorfer Weg sieben Strecken angelegt.

Das Mindestalter ist fünf Jahre

Der Niagara Trail und der Amazonas Parcours haben den Schwierigkeitsgrad leicht und dürfen daher auch von mindestens fünf Jahre alten und 1,10 Meter großen Kindern bewältigt werden. Sie klettern auf den beiden Baumpfaden in etwa zwei Metern Höhe. Die anderen fünf Parcours, die alle von einem zentralen Einstiegspunkt in der Mitte starten, ragen in bis zu zehn Meter Höhe. Die schwierigste Tour heißt in Anlehnung an den höchsten Berg der Welt Mount-Everest-Nordroute. Aktive müssen mindestens 1,60 Meter groß sein, um an die Haltehilfen zu kommen und die Strecke mit Hindernissen wie dem Aufstiegstunnel und der Trapezbrücke zu bewältigen.

Kletterwald-Chef Jens Eickmeier geht über eine Brücke aus Seilen und Holzbalken. Seit 2009 betreibt er zusammen mit einem Schulfreund den Kletterwald in Volksdorf
Kletterwald-Chef Jens Eickmeier geht über eine Brücke aus Seilen und Holzbalken. Seit 2009 betreibt er zusammen mit einem Schulfreund den Kletterwald in Volksdorf © Andreas Laible / FUNKE Foto Services

Da komme es hin und wieder vor, dass selbst Erwachsene ihre Kräfte falsch einschätzen und von den Trainern aus der Höhe gerettet werden müssen. Denn die richtigen Sportkletterer seien eher selten seine Kunden. „Wir haben vor allem Familien und junge Erwachsene, die hier einen schönen Tag beim Klettern verbringen wollen“, sagt Eickmeier, der selbst Vater von zwei Söhnen (17, 21) ist. Kindergeburtstage, Junggesellenabschiede und Betriebsausflüge sind häufig Anlass für den Besuch im Kletterwald.

Bisher gibt es sieben Kletterrouten

Entsprechend soll mit der neuen Anlage das mittlere Schwierigkeitssegment gestärkt werden. Über dem Spielplatz neben den bisherigen sieben Kletterrouten könnte es in luftige Höhe gehen und das „Fliegen“ im Vordergrund stehen. „Wir wollen besonders viele Seilbahnen haben, damit die Kunden wie Tarzan durch den Wald segeln können“, sagt Eickmeier, der den Kletterwald zusammen mit seinem Geschäftspartner Jens Schwabe betreibt.

Mit dem Kinderspielplatz Indoo fing Eickmeier an

Im Jahr 2003 quittierte der promovierte Jurist seinen Dienst bei der Fernsehproduktionsgesellschaft Studio Hamburg. Zusammen mit dem Wirtschaftsingenieur Schwabe, mit dem er seit Schulzeiten in Wilhelmshaven eng befreundet ist, machte er in Ahrensburg den laut Homepage größten Indoor- und Kletterpark Norddeutschlands auf. „Im Raum Hamburg gab es Familien Entertainment Center gar nicht. Es war klar, dass das funktionieren musste“, sagt Eickmeier. Auf 3500 Quadratmetern können Kinder im Indoo spielen und toben. Es gibt Hüpfburgen, Trampoline, eine Kletterwand, Seilbahn, Fußballfeld und Minikartbahn. Neue Attraktion in diesem Jahr ist eine 7,50 Meter hohe und 18 Meter lange Hüpfburg, die aussieht wie eine großer Orang-Utan. Schon nach kurzer Zeit bemerkten die Unternehmensgründer, „dass sich unsere Gäste im Sommer eher draußen bewegen“. Eickmeier und Schwabe suchten nach einem weiteren Geschäftsfeld, sahen sich den Kletterwald in Geesthacht an – und waren sofort von der Geschäftsidee überzeugt.

In der Metropolregion gibt es an die zehn Kletterparks

Zwei Jahre suchten sie nach dem idealen Platz, mehr als 20 Standorte von Großhansdorf bis Hamburg-Mitte schauten sie sich an. Das Bezirksamt Wandsbek habe zunächst eine Fläche an der Alster in Wohldorf-Ohlstedt vorgeschlagen, bei der die Umweltbehörde aber nicht mitgespielt habe.

Beim Volksdorfer Wald habe sie hingegen kein Veto eingelegt. Heute gibt es an die zehn Kletterparks in der Metropolregion, zum Beispiel im Freilichtmuseum Kiekeberg und am Inselpark in Wilhelmsburg. Auch auf der „Cap San Diego“ geht es hoch hinaus. Für den Volksdorfer Kletterwald hat die Lage in unmittelbarer Nähe zur U-Bahn wichtige Vorteile. Von der City bis dorthin fährt die U 1 in rund einer halben Stunde. Besucher müssen nur rund fünf Minuten Fußweg von der Station Meiendorfer Weg einplanen. „Die Herausforderung sind die Wochentage“, sagt Eickmeier. Deshalb sind Schulklassen eine wichtige Zielgruppe, die von Montag bis Freitag vormittags für eine Grundauslastung sorgen. Vor allem an Dienstagen sponsern die Betreiber Einrichtungen wie der Arche, dem Rauhen Haus oder dem Kinderschutzbund den Eintritt. An Wochenenden fülle sich die Anlage hingegen fast automatisch. An Spitzentagen kämen etwa 300 zahlende Besucher. Insgesamt sei die Zahl der Kunden pro Jahr sehr stabil, egal, ob es ein trockener oder nasser Sommer sei. „Das ist eine magische Kraft, die das steuert“, sagt Eickmeier und lacht.

Die Investitionen sind auf 15 Jahre gerechnet

Wie viele Besucher pro Saison kommen, will er nicht verraten. Viele würden die Eintrittsgelder von 19 (Kind) bis 25 Euro (Erwachsener) hochrechnen und denken, dass das hochprofitabel sei. Allerdings seien die Investitionen auch beträchtlich. Rund 500.000 Euro steckte das Unternehmerduo anfangs in den Betrieb, die Investitionen sind auf 15 Jahre gerechnet. Der Erlebnisanlagenbauer Balance montierte die Plattformen an den Bäumen, spannte Strickleitern zwischen ihnen und fixierte die Elemente wie das Spinnennetz oder Boxsäcke, die über einer Hängebrücke hin- und herpendeln. Viel Geld habe auch das Sicherheitssystem gekostet. Vor dem Betreten jeden Parcours haken sich die Sportler mit ihrem Gurt in ein Seilsystem ein. Dieses kann nicht – wie bei anderen Anlagen mit einem Karabiner – zwischendurch verlassen werden, sondern nur zum Ende des Parcours. Erwogen wird der Einbau einer Weiche, damit schnelle Kletterer langsamere überholen können.

Die Plattformen an den Bäumen müssen jedes Jahr versetzt werden

Zu den Einmalkosten kommen jährlich wiederkehrende Wartungs- und Reparaturkosten. Im Januar beginnen seine Mitarbeiter mit dem Überholen der Anlage. Sie überprüfen, ob die Bretter morsch geworden, Trittstufen vermost, Seilverbindungen nach wie vor fest sind und tauschen das Material bei Bedarf aus. Pflichtaufgabe ist das Versetzen der Plattformen, die an den Baum gepresst werden. Die Halterungen müssen jedes Jahr erweitert werden, weil die Bäume wachsen und vom Umfang dicker werden. Auch die Montagefirma und der Tüv checken die Anlage. Ist in der Höhe etwas auszutauschen, rücken Industriekletterer an. Das treibt die Kosten. Eine mittlere fünfstellige Summe werde in diese Arbeiten jedes Jahr investiert. Zudem bewerte jedes Jahr ein Baumgutachter und der Förster den Zustand der Pflanzen. „Die sind sehr zufrieden“, sagt Eickmeier.

Unternehmensgruppe setzt pro Jahr 2,5 Millionen Euro um

Geöffnet ist der Kletterwald von März bis Oktober – und der Arbeitstag beginnt für einen Beschäftigten mit dem täglichen Check der Anlage. Eickmeier und Schwabe beschäftigen dort in der Saison rund 40 Mitarbeiter, von der Aushilfe bis zur Vollzeitkraft. In der gesamten Unternehmensgruppe sind es gut 30 Mitarbeiter in Vollzeit und weitere 100 in Teilzeit und als Aushilfen.

Selbst im Winter wird das Personal benötigt. Denn zu der Indoo-Gruppe gehört neben Kletterwald und Indoorspielplatz in Ahrensburg auch der Betrieb der Eis-Arena Hamburg in Planten un Blomen, die von November bis März geöffnet hat. Mit einer Eisfläche von 4300 Quadratmetern sei sie eine der größten in Europa, heißt es. Auf sechs Bahnen wird dort neuerdings Eisstockschießen angeboten. Zudem wird ganzjährig das in der Grünanlage befindliche Park Café mit 100 Innen- und 300 Außensitzplätzen betrieben. „Je nach Wetter können wir das Personal kreisen lassen“, sagt Eickmeier. Alle vier Geschäftseinheiten zusammen erzielen einen Jahresumsatz von etwa 2,5 Millionen Euro. Die wirtschaftliche Situation sei sehr stabil, seit mehreren Jahren schreibe man operativ Gewinne, sagt Eickmeier, ohne Zahlen zu nennen.

Trend zum Klettern sei ungebrochen

Die Unternehmensgruppe sorge dafür, dass sich rund 250.000 Menschen pro Jahr bewegen. „Außerhalb der Vereine und der Schwimmhallen sind wir der größte Bewegungsanbieter in Hamburg“, sagt Eickmeier. Die Kinder hole man von der Playstation weg. Dass Klettern derzeit voll im Kommen sei, würde Eickmeier nur eingeschränkt unterschreiben. „Der Trend ist schon älter – aber er hält ungebrochen an.“

Eickmeier ist in seinem Parcours nach dem Meistern von Strickleitern und Balken in luftiger Höhe an der letzten Station des Borneo-Spezial, einer mittelschweren Strecke, angekommen. Er steht auf einer Plattform am Baum: „Das Schöne ist die Perspektive von hier oben. Der Blick in den Wald erzeugt so eine Art Urlaubsgefühl.“ Dann greift er zur Seilbahn Flying Fox, die das Ende von jeder Kletterstrecke im Volksdorfer Wald ist, löst sich von der Plattform und rauscht winkend zurück gen Boden.