Hamburg. Zahl der E-Fahrzeuge steigt. Was man bei Haftpflicht und Kasko beachten sollte. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Allmählich nehmen Elektroautos in Deutschland Fahrt auf. Die Hersteller haben eine Produktoffensive angekündigt und die E-Fahrzeuge überzeugen mit weniger Verschleißteilen sowie geringeren Wartungskosten. Reparaturen an Kupplung oder Auspuff sind nicht mehr notwendig. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos in Deutschland um 55 Prozent. Zum 1. Januar 2019 waren 83.175 Stromer registriert. Vor fünf Jahren waren es erst rund 12.000. Doch wie sieht es mit dem Versicherungsschutz der Elektrofahrzeuge aus? Welche Unterschiede gibt es zum Verbrenner? Gibt es spezielle Tarife? Lässt sich das E-Auto günstiger versichern? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie muss man ein E-Auto versichern?
Ob Benziner, Diesel oder E-Auto: Eine Kfz-Haftpflichtversicherung ist Pflicht. Sie kommt für Schäden auf, die durch Benutzung des Fahrzeugs einem Dritten zugefügt werden. Da es sich bei den Stromern meist um Neuanschaffungen handelt, ist auch eine Kaskoversicherung empfehlenswert. Denn die Vollkaskoversicherung reguliert Schäden am eigenen Fahrzeug, die durch einen Unfall oder Vandalismus entstanden sind. Die Teilkasko kommt für Schäden durch Brand, Blitzschlag, Hagel und Marderbisse auf.

Gibt es spezielle Tarife für E-Autos?
Solche Tarife gibt es kaum. Für die Kalkulation der Prämien sei die Antriebstechnik nicht entscheidend, heißt es beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. „Eine wichtige Rolle spielen die Typ- und Regionalklasse sowie die Schadenfreiheitsklasse (SF) des Versicherungsnehmers“, sagt Christian Weishuber von der Allianz, die bisher 7100 Elektrofahrzeuge versichert hat. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass Elektrofahrzeuge ein ähnliches Schadengeschehen wie konventionell betriebene Autos aufweisen.“ Statt spezieller Tarife für Elektroautos setzen die Versicherer eher auf Zusatzleistungen. So bietet die Allianz eine Allgefahrendeckung für die Batterie an, versichert den Diebstahls des Ladekabels oder Überspannungsschäden. „Außerdem gewähren wir auf alle Elektro- und Hybrid-Modelle einen Rabatt von 20 Prozent auf die Versicherungsprämie“, sagt Weishuber. Auch bei der Concordia gibt es einen Bonus von 15 Prozent für Elektroautos. Die HUK Coburg gewährt ebenfalls einen Nachlass für Elektroautofahrer. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese Gesellschaften günstige Versicherungsprämien für Stromer haben.

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© Frank Hasse

Was ist wichtig, wenn ein Elektroauto versichert wird?
Entscheidend ist, dass der Akku umfassend im Versicherungsschutz integriert ist. „Aus unserer Sicht ist eine Allgefahrendeckung für die Batterie ganz wichtig“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Bei der Allgefahrendeckung geht es darum, dass auch Bedienfehler beim Laden mitversichert sind oder wenn die Batterie anderweitig beschädigt wird. „Zudem sollten Schäden durch Brände am Fahrzeug, unter anderem im Zusammenhang mit Abschleppvorgängen, im Tarif eingeschlossen sein“, sagt die Versicherungsexpertin. „Bei einer stichprobenhaften Durchsicht von Versicherungsbedingungen ist uns aufgefallen, dass bisher wenige Anbieter solche Zusätze in den Bedingungen haben.“ Das Abschleppen von Elektroautos ist komplizierter als bei Verbrennern und erhöht das Risiko von Schäden am Antrieb. Auch eine möglichst lange Neuwertentschädigung von 24 oder 36 Monaten ist empfehlenswert.

Mit einem Schutzbrief kann bei R+ V auch das Abschleppen des Fahrzeuges bis zur nächsten Stromtankstelle versichert werden, wenn das Auto wegen eines leeren Akkus stehen bleibt. Wenn die Batterie aber nur gemietet oder geleast ist, muss sie nicht mitversichert werden. Dadurch fallen die Versicherungsprämien deutlich günstiger aus.

Ist es günstiger, einen Stromer oder einen Benziner zu versichern?
Für den Abendblatt-Tarifvergleich Elektroauto gegen Verbrenner wurden Fahrzeuge ausgewählt zu denen es vom jeweiligen Hersteller ein Elektro- und ein Benzinmodell mit annähernd vergleichbarer Leistung gibt. Das ist beim Tesla nicht der Fall. Die Elektroautos von Renault, Smart und BMW gehören zu den häufigsten versicherten E-Modellen. Doch generell günstiger kann man Elektroautos nicht versichern. Zwischen den einzelnen Modellen gibt es sehr große Unterschiede. Die Stromer-Varianten von Renault, Smart und BMW lassen sich in Hamburg preiswerter versichern als ein vergleichbarer Benziner, wenn man jeweils die fünf günstigsten Tarife in die Betrachtung einbezieht, wie Berechnungen des Abendblatts auf dem Vergleichsportal www.nafiauto.de zeigen.

Beim Renault Zoe und dem Smart Fortwo electric drive ist aber der Durchschnittswert der jährlichen Versicherungsprämien aus den fünf günstigsten Angeboten maximal vier Prozent niedriger als für die Verbrenner. Am besten schneidet der BMW i3 mit einem Preisvorteil von 16 Prozent ab. Den E-Golf VII im Vergleich zum Benziner zu versichern ist dagegen 24 Prozent teurer. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt auch das Vergleichsportal Check24 in einer ähnlichen Studie, allerdings waren die Fahrzeuge für die Beispielberechnungen nicht in Hamburg, sondern in Baden-Baden zugelassen. Dort schnitt der Elektro-BMW beim Durchschnittswert der fünf günstigsten Anbieter um 22 Prozent preiswerter ab. Der E-Golf war zwölf Prozent teurer.

Welche Annahmen liegen dem Vergleich zugrunde?
An den Versicherungsschutz wurden hohe Anforderungen gestellt, es handelt sich nicht um Billig-Tarife. Die Vergleichsrechnungen beziehen sich auf einen 35-Jährigen Angestellten mit der Schadenfreiheitsklasse (SF) 10. Die Neufahrzeuge sind jeweils in Hamburg zugelassen. Es wurde ein umfassender Versicherungsschutz gewählt, der mindestens Standard-Niveau hat, wie die Tarifbezeichnungen Komfort, Auto-Plus oder Optimal zeigen. Alle Tarife erfüllen mindestens folgende Anforderungen: Die Versicherungssumme liegt bei mindestens 100 Millionen Euro und es gibt freie Werkstattwahl. Versichert sind die Folgeschäden von Tierbissschäden und grobe Fahrlässigkeit, ebenso eine umfangreiche Sonderausstattung. Außerdem haben die Policen eine erweiterte Wildschadenklausel. Da es sich um Neuwagen handelt, wird eine Neuwertentschädigung von mindestens zwölf Monaten vorausgesetzt. Der Versicherungsnehmer wählt neben der Haftpflichtversicherung eine Vollkasko mit 300 Euro Selbstbeteiligung inklusive Teilkasko mit 150 Euro Selbstbeteiligung.


Welche Gesellschaften sind für Hamburger besonders günstig?
Es sind überraschend nicht die Gesellschaften am preiswertesten, welche die Kunden üblicherweise bei Verbrennungsfahrzeugen als günstige Kfz-Versicherer kennen. Während bei den Verbrennern häufig Gesellschaften wie HUK-Coburg, HUK24 oder VHV unter den preiswerten Anbietern sind, dominieren bei den Elektroautos ganz andere Namen: Lippische, Feuersozietät Berlin und Versicherungskammer Bayern (VKB). Während die Feuersozietät Berlin und die VKB eine Neuwertentschädigung von insgesamt 24 Monaten bieten, gewährt die Lippische diesen Vorteil nur für 18 Monate. Kurzschlussfolgeschäden bei Elektrofahrzeugen sind bei der Feuersozietät Berlin und der VKB bis maximal 20.000 Euro mitversichert, bei der Lippischen lediglich bis zu 10.000 Euro. So macht für den Renault Zoe die Lippische über den Tarif Auto Plus das günstigste Angebot. Die Jahresprämie beträgt hier 485 Euro. Der vergleichbare Verbrenner kostet beim günstigsten Anbieter Verti (Klassik) 515 Euro. Beim BMW i3 ist die Feuersozietät Berlin (Vario mit Vollkasko Plus) der günstigste Anbieter mit 578 Euro. Der vergleichbare Benziner wird von HUK24 (Classic) für 711 Euro im Jahr versichert. Es lohnt sich also genau zu vergleichen.