Hamburg. Viele Firmen aus Hamburg und Schleswig-Holstein fürchten den Brexit. Das hat eine von der Commerzbank initiierte Umfrage ergeben.
Die schwer kalkulierbaren Entscheidungen des US-Präsidenten Donald Trump und der Brexit-Schleuderkurs der britischen Regierung zeigen nun auch bei norddeutschen Mittelständlern deutlich Wirkung: Die Chefs kleinerer und mittelgroßer Unternehmen in Hamburg und Schleswig-Holstein bewerten die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingen in China inzwischen deutlich besser als die in den USA oder in Großbritannien.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Commerzbank stufen 38 Prozent der Firmen im Norden die Rahmenbedingungen in China als sehr gut oder gut ein. Nur 20 Prozent der Verantwortlichen in den Unternehmen beurteilen die entsprechenden Bedingungen in den USA als mindestens gut, mit Blick auf Großbritannien sind es gar nur neun Prozent. „Diese Resultate sind schon bemerkenswert, zumal China damit gleichauf mit Frankreich rangiert“, sagt Stefan Otto, Bereichsvorstand Mittelstandsbank Nord/West der Commerzbank.
Fast jede zweite Firma im Norden macht im Ausland Umsatz
Forsa befragte Entscheider in gut 2000 Unternehmen, darunter 128 aus Hamburg und Schleswig-Holstein, mit Jahresumsätzen von mindestens zwei Millionen Euro. Der Umfrage zufolge verkaufen 47 Prozent der norddeutschen Mittelständler Produkte oder Dienstleistungen ins Ausland, für weitere 13 Prozent kommt dies künftig in Frage.
Auffällig ist: Auf die Frage nach potenziellen Risiken für das Exportgeschäft nennen 43 Prozent der Firmen aus Hamburg und Schleswig-Holstein den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU, während im Bundesschnitt nur 35 Prozent der Unternehmen negative Brexit-Auswirkungen befürchten. „Offenbar aufgrund der traditionell engen wirtschaftlichen Verflechtungen Norddeutschlands mit England ist die Betroffenheit hier in der Region spürbar größer als im übrigen Deutschland“, so Otto. Immerhin 85 Prozent der befragten Betriebe im Norden erwarten von der Politik, sich für gute Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien auch nach einem Brexit einzusetzen; das sind vier Prozentpunkte mehr als im Bundesschnitt.
Bürokratie behindert deutsche Firmen im Ausland
Ein weiteres interessantes Resultat: Gefragt nach den Problemen im internationalen Geschäft, fühlen sich 41 Prozent der Unternehmen durch „mangelnden Schutz geistigen Eigentums“ – gemeint sind nicht zuletzt chinesische Raubkopien – behindert. Damit rangiert dieser Punkt erst an sechster Stelle. „Dieser Faktor wäre vor fünf Jahren wohl noch deutlich häufiger genannt worden“, sagt Otto dazu. 77 Prozent aller deutschen Firmen nennen Bürokratie als Problem im Auslandsgeschäft, Preisschwankungen bei Rohstoffen (57 Prozent) sowie Einfuhrzölle (54 Prozent) stellen weitere bedeutende Hürden dar.
Außerhalb des Euro-Raums sind zwar noch immer Großbritannien, Russland und die USA die wichtigsten Handelspartner der norddeutschen Firmen. Künftig an Bedeutung gewinnen werden nach Auffassung von Otto die Länder entlang der „neuen Seidenstraße“ und der afrikanische Kontinent – „bei allen Herausforderungen, die sich dort immer noch stellen.“
Insgesamt rechnen 62 Prozent der befragten Unternehmen in den nächsten zwei Jahren mit geringerer Planungssicherheit, 65 Prozent befürchten eine konjunkturelle Eintrübung. Das deckt sich mit den Einschätzungen der Commerzbank-Volkswirte: Gerade vor wenigen Tagen haben die Experten ihre Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr von 1,8 Prozent auf 1,3 Prozent abgesenkt.