Berlin. Der Verkehrsminister wendet sich in einem Alarmbrief an Flughafenchef Daldrup. Es gibt Stimmen, die einen zweiten Flughafen fordern.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup möchte den Großflughafen BER bis zum Herbst dieses Jahres fertig bauen. Zuvor soll im Juli oder spätestens August die entscheidende Wirkprinzipprüfung (WPP) beginnen, die das Zusammenspiel der verschiedenen technischen Anlagen testet.

„Damit liegen wir im Erwartungskorridor“, sagte Lütke Daldrup am Mittwoch bei einer Anhörung des Beteiligungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Danach gehe es um die endgültige Nutzungsfreigabe durch die Brandenburger Baubehörden. „Wir gehen von einer Inbetriebnahme im Oktober 2020 aus“, sagte Lütke Daldrup.

Die Wirk-Prinzip-Prüfung brauche 40 Arbeitstage sowie einen Vor- und Nachlauf, um den Bericht zu formulieren. Lütke Daldrup verwies auf die wichtigen Schritte der vergangenen Wochen. So habe der TÜV die Entrauchungssteuerung im April freigegeben. Im Mai folgte die Entrauchungsanlage, die lange als unzähmbares „Monster“ gegolten hatte.

Für den Monat Juni kündigte der Flughafenchef die Freigabe der Brandmeldeanlage an, im Juli solle die Sicherheitsstromversorgung folgen. Dafür müssen die wichtigsten Mängel an den Kabeltrassen, die mit Priorität eins versehen sind, abgearbeitet sein. Die anderen Mängel können nach den Plänen der Flughafengesellschaft später behoben werden.

Probleme am BER: Fraport-Chef schlägt zwei Flughäfen vor

Der Präsident des Flughafenverbands ADV, Stefan Schulte, schlägt angesichts der Probleme am BER langfristig zwei Flughäfen in Berlin vor. Mit Blick auf den Flughafen Tegel sagte Schulte unserer Redaktion: „Eine Möglichkeit könnte sein, die Lizenz für den Flughafen zu erhalten.“ Berlin werde weiter wachsen, die Stadt werde sich weiter entwickeln, so Schulte, der Vorstandsvorsitzender der Fraport AG ist.

„In die Ferne gesprochen, benötigt Berlin vielleicht einen weiteren Flughafenstandort“, erklärte er. Dass der jetzige Flughafen Tegel nicht einfach so weiterbetrieben werden könne, sei klar. „Alle Kräfte werden sich zunächst auf den BER konzentrieren. Aber irgendwann wird man sich fragen: Wie geht es mit dem Standort Berlin weiter?“, sagte der Chef des Frankfurter Flughafens.

Flughafen BER: Scheuer äußert Zweifel an Eröffnungstermin

Schulte äußerte Verständnis für die von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geäußerte Befürchtung, dass die Fertigstellung des BER sich weiter verzögern könnte: „Mit Blick auf die Historie kann ich die Sorge des Bundesverkehrsministeriums nachvollziehen.“ Er sei aber zuversichtlich, „dass die Kollegen in Berlin das in den Griff bekommen“.

Scheuer hatte in einem Brief an BER-Flughafenchef Lütke Daldrup geschrieben, dass die „Unsicherheiten hinsichtlich einer termingerechten Eröffnung des Flughafens BER im Oktober 2020“ auch in der Aufsichtsratssitzung am 17. Mai „nicht vollständig ausgeräumt“ worden seien. Konkret bezog sich Scheuer auf den Stand der Fertigstellung von Brandmeldeanlage und Kabelgewerken.

Scheuer verweist in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, auf die Brandmeldeanlage und die Kabelgewerke. Beide seien laut dem Schreiben sowohl von Lütke Daldrup als auch vom Tüv Rheinland als „kritisch“ eingeschätzt worden. „Diese Entwicklung gibt mir Anlass zur Sorge“, schreibt Verkehrsminister Scheuer.

Flughafen BER: Prüfung aller Anlagen ist ausschlaggebend

Das Problem sei die Wirkprinzipprüfung des Tüv im Juli. Erfolgt die Freigabe der Baubehörden nicht, ist das Zieldatum kaum zu halten. „Damit verbleiben – wenn überhaupt – nur noch äußerst geringe Puffer“, so Scheuer. Hinzu komme, dass diese Puffer lediglich „außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs des FBB, insbesondere bei den Genehmigungsbehörden“ lägen.

Im August trifft sich der FBB-Aufsichtsrat zu einer außerplanmäßigen Sitzung, um erste Zwischenstände der Prüfung auszuwerten. Die rund dreimonatige Tüv-Untersuchung wird dann noch nicht abgeschlossen sein, allerdings werden sich dann bereits Rückschlüsse ziehen lassen, wie das grundsätzliche Urteil ausfallen wird.

Noch immer ist der Flughafen BER nicht eröffnet.
Noch immer ist der Flughafen BER nicht eröffnet. © dpa | Bernd Settnik

Sollte es nicht positiv sein und der Eröffnungstermin nicht gehalten werden können, erwartet Scheuer von Lütke Daldrup ein alternatives Konzept. Dazu gehörten Angaben, wie es mit den Flughäfen Tegel und Schönefeld weitergehe. Scheuer hatte bereits im März den Wunsch geäußert, Tegel als zweites Terminal des BER zu erhalten.

Derzeit habe aber die termingerechte Eröffnung des Flughafens BER, so Scheuer, für ihn „weiter höchste Priorität“.

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Ministerium: Keine negativen Effekte für die Wirtschaft

Das Verkehrsministerium geht allerdings nicht davon aus, dass sich die bisherigen Terminverschiebungen negativ auf die Wirtschaft ausgewirkt hätten. Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP geht hervor, dass das Ministerium „nicht von erheblichen Auswirkungen ausgehe“.

Da sich derzeit rund um den Standort Schönefeld Unternehmen ansiedeln würden, könne dort „von einer insgesamt positiven Entwicklung ausgegangen werden“, heißt es in der Antwort.

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Probleme: Kabel-Sanierung am BER verzögert sich

„BER wird zum Problem von Andreas Scheuer“

Bei Fragesteller Christoph Meyer, Bundestagsabgeordneter der FDP, stoßen die Äußerungen auf Unverständnis. „Die Bundesregierung versteckt sich hinter eigenem Unwissen“, sagte Meyer und fügte an: „Hier werden Milliarden in den brandenburgischen Sand gesetzt und über die volkswirtschaftlichen Effekte wird nur geraten.“

Engelbert Lütke Daldrup, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB).
Engelbert Lütke Daldrup, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB). © dpa | Annette Riedl

Für Meyer zeigt die Antwort aus dem Verkehrsministerium vor allem eines: „Der BER wird zunehmend zum Problem von Andreas Scheuer.“

Die Mängelliste des Flughafen BER:

Auch wenn die Arbeiten am neuen Hauptstadtflughafen in den vergangenen Monaten an Geschwindigkeit zugelegt haben, gibt es noch viele Baustellen. Die TÜV Mängelliste des BER bleibt trotzdem lang. Laut „Tagesspiegel“ umfasste die Mängelliste im April noch 11.500 Punkte. Ein kleiner Auszug:

• überbelegte Kabeltrassen
• zusammen verlegte Schwach- und Starkstromleitungen
• Funktionserhalt der Sicherheits-Brandschutzleitungen

• Plastikdübel zur Befestigung von Kabeln