Berlin. Flugzeuge, Boote, Wohnwagen – Sharing in der Mobilität boomt. Immer mehr französische Anbieter buhlen nun in Deutschland um die Kunden.

Das Teilen des eigenen Autos oder das Organisieren von Mitfahrgelegenheiten sind längst gang und gäbe. Aber warum nicht das eigene Flugzeug teilen? Lars Klein besaß 2015 zwar kein eigenes Flugzeug, war von der Idee aber dennoch angetan. Immerhin ist Fliegen ein teures Hobby – sowohl für Freizeitpiloten als auch für Passagiere, da biete es sich doch an, beide zueinanderzubringen.

Als der heute 24-Jährige vor vier Jahren auf Emeric de Waziers und Bertrand Joab-Cornu traf, nahm die Idee konkrete Züge an. Sie gründeten in Paris das Flugzeug-Sharingunternehmen Wingly. Mittlerweile ist Wingly der größte Sharing-Anbieter von Flügen in Europa – und plant eine Expansion in die USA.

Sharing-Mitflugzentrale stieß in Frankreich auf Widerstand

Wingly hätte auch in Deutschland gegründet werden können, vielleicht wäre dann sogar einiges einfacher gewesen. Denn in Frankreich war das junge Start-up noch keine drei Monate alt, da protestierten die Piloten-Gewerkschaften. „Obwohl wir uns auf private Rundflüge konzentrieren, sah man Wingly damals als Uber der Lüfte an. Das führte so weit, dass Flug-Sharing von der französischen Luftfahrtbehörde verboten wurde“, erinnert sich Klein.

Trotzdem ergab die Gründung in Paris für Klein Sinn, denn in Frankreich „steht mehr Liquidität für Start-ups zur Verfügung“, sagt Klein und fügt an: „So ist es als junger Gründer relativ simpel, Subventionen zu erhalten. In Deutschland dagegen sind viele Förderprogramme an Bedingungen geknüpft.“

Amerikanischer Markt lockt

Im Nachhinein stellte sich das Verbot in Frankreich nicht als großer Nachteil heraus. Das Gründertrio machte aus der Not eine Tugend, erschloss den deutschen Markt und erhielt dank des in Deutschland geschaffenen Referenzprojekts und der Unterstützung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit im Juni 2017 grünes Licht vom französischen Staatsrat.

Mittlerweile liegt der Fokus von Wingly auf Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Wingly fliegt einen Millionenumsatz ein, möchte in diesem Jahr erstmals rentabel sein – und dann mit einem Startvorteil aus der bisherigen Erfahrung in die USA expandieren, wo das derzeit bestehende Verbot von Mitflugzentralen bald kippen könnte. Wingly könnte also ein Erfolgsprojekt werden – allerdings ein französisches. Im Bereich Sharing-Economy haben die Franzosen Deutschland abgehängt.

Franzosen haben beim Sharing in Europa die Nase vorn

Mit Comuto und seiner bekanntesten Marke „BlablaCar“ hat ein französisches Start-up es sogar zum „Unicorn“, zum Einhorn, geschafft. Als Einhörner werden Start-ups bezeichnet, die über eine Milliarde US-Dollar wert sind. In Deutschland sind die bekanntesten Einhörner Flixbus, Check24 und Auto1. Sharingportale sucht man unter den derzeit sechs Unicorns vergebens.

Dabei nutzt in Deutschland laut einer Auswertung des Statistik-Portals Statista auf Datengrundlage der Europäischen Kommission und dem Verbraucherzen­trale Bundesverband jeder fünfte Deutsche Sharing-Angebote. Auch an Ideen mangelt es nicht. Die Seite mitflugzen­trale.de entwickelte Softwareentwickler Martin Bott beispielsweise bereits 1994. Weil er nicht daran glaubte, dass sich die Seite finanziell lohnen könnte, spielt sie heute nahezu keine Rolle mehr.

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„Kapital und Talent sind Wachstumshemmer“

Bezeichnend: Nur 1,5 Prozent der deutschen Start-ups sind laut dem jüngsten Start-up Monitor im Geschäftsfeld Sharing aktiv. Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups, sieht daher Nachholbedarf in der Förderung. „Die beiden größten Wachstumshemmer für deutsche Start-ups sind Kapital und Talent“, sagt Nöll.

Oft komme das Kapital ausschließlich aus den USA oder Asien, auch fehle es an Fachkräften. „Wir brauchen mehr Engagement deutscher Versicherungen, Pensionskassen, aber auch des deutschen Mittelstands im Bereich Wagniskapital wenn wir die Kapitallücke schließen wollen“, so Nöll.

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Umkämpfter Markt beim Teilen von Wohnmobilen

In den Genuss eines solchen Engagements kam der französische Camping-Sharer Yescapa. Mit dem Versicherungsunternehmen MAIF hatte das 2014 gegründete Start-up einen solventen Geldgeber, außerdem nahm es am Label „French Tech“ der französischen Regierung teil, das unter anderem bei der Finanzierung hilft und ein weltweites Netzwerk von französischen Technik-Unternehmen unterhält.

Mittlerweile zählt Yescapa 250.000 Nutzer aus 74 verschiedenen Ländern und fuhr 2018 einen Umsatz von 18 Millionen Euro ein. Seit drei Jahren ist Yescapa auch in Deutschland aktiv und macht dort unter anderem dem Berliner Start-up Paul Camper Konkurrenz. „Auf Yescapa sind heute fast 20-mal so viele deutsche Nutzer registriert, als es noch 2016 waren“, sagte Yescapa-Manager Levin Klocker.

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    SamBoat startet in Deutschland

    Jüngst expandierte auch das französische Boot-Sharing-Start-up SamBoat nach Deutschland. Dort trifft es auf die gestandenen Charterunternehmen Argos aus Wiesbaden und Master Yachting aus dem bayerischen Sommerhausen, das seit letztem Sommer zur italienisch-schweizerischen Firma Sailogy gehört.

    Den treuen Kundenstamm der deutschen Unternehmen „von den Vorzügen der Sharing-Idee über eine Online-Plattform“ zu überzeugen, sei das Ziel von SamBoat, sagt Managerin Eva Bernhard. Noch in diesem Jahr soll die aktuelle Zahl von 60 Mitarbeitern verdoppelt werden, bis 2021 möchte SamBoat bis zu 60 Prozent seiner Boote außerhalb Frankreichs vermitteln.

    Die SamBoat-Gründer Laurent Calando (links) und Nicolas Cargou von SamBoat.
    Die SamBoat-Gründer Laurent Calando (links) und Nicolas Cargou von SamBoat. © SamBoat | SamBoat

    Teilen als lukratives Geschäft

    Auch das Teilen des eigenen Boots ist ein lukratives Geschäft, rund 14 Millionen Euro Außenumsatz verzeichnete SamBoat im letzten Jahr. Maßgeblich für den Erfolg seien die Förderprogramme der französischen Regierung gewesen, berichtet Bernhard.

    Ein weiterer Faktor sei, dass in Frankreich der Onlinehandel noch stärker boome als in Deutschland, die Kunden also noch stärker für das Internet der Dinge sensibilisiert seien. „Das bietet das nötige Potenzial für den weiteren Aufstieg der französischen Start-up-Dynamik“, ist Bernhard überzeugt.