Hamburg. Flugzeugsitze, Autos, Gabelstapler, Computer und iPads der insolventen Airline kommen beim Duvenstedter Auktionshaus HT unter den Hammer.

Es ist im Prinzip ein Relikt aus vergangener Zeit. Auf dem Schreibtisch von Holger Haun liegt ein Auktionshammer. Zum Einsatz kommt das antike Holzstück aber nur noch selten. Der Chef des Hamburger Auktionshauses HT Hanseatische Industrie-Consult ist heutzutage fast ausschließlich im Internet aktiv. „Durchgesetzt haben sich Online-Versteigerungen in den vergangenen zehn, zwölf Jahren“, sagt Haun. Nun startete der 58-Jährige eine neue Runde im Netz – und die dürfte bei einem breiten Publikum auf Resonanz stoßen. Anfang Februar musste Deutschlands viertgrößte Fluglinie Germania wegen Zahlungsschwierigkeiten Insolvenz anmelden. Ein Käufer fand sich nicht. Nun wird sie abgewickelt. Die restlichen Vermögensgegenstände kommen unter den virtuellen Hammer.

Flugzeugsitze sind ab 50 Euro erhältlich

Das Angebot ist vielfältig. Luftfahrtbegeisterte sind wohl vor allem an den Flugzeugsitzen interessiert. Ein Zweisitzer unterliegt dem Mindestgebot von 50 Euro. Für einen Dreisitzer starten die Preise bei 100 Euro. In späteren Auktionsrunden sollen noch Flugzeug-Trolleys, aus denen die Getränke und Snacks serviert wurden, und -Container für den Transport von Essensmenüs verfügbar sein. „Es werden wohl noch drei bis vier Versteigerungen folgen“, sagt Haun. Auch 30 Flugzeugmodelle mit Germania-Lackierung kommen noch auf den Markt. Bereits erhältlich ist ein Teil des Fuhrparks. 22 Autos – alle in Weiß – können erworben werden. Los geht es bei einem 15 Jahre alten VW Golf mit Mindestgebot 200 Euro. Das teuerste Fahrzeug ist ein VW Transporter T6, Baujahr 2017 mit 10.000 gefahrenen Kilometern für 12.000 Euro. Wer auf der Suche nach einem Gabelstapler ist, kann ebenfalls fündig werden. Das 2018 komplett generalüberholte Stück von Linde kann acht Tonnen heben – und soll mindestens 20.000 Euro in die Kasse bringen.

HT-Chef Holger Haun sitzt mit einem antiken Auktionshammer in seinem Büro in Duvenstedt.
HT-Chef Holger Haun sitzt mit einem antiken Auktionshammer in seinem Büro in Duvenstedt. © Wolfgang Horch

HT versteigerte auch Inventar des Schlecker-Konzerns

Mit den Einnahmen kann zumindest ein Teil der Schulden beglichen werden, die die Fluglinie angehäuft hat. „Unser Ziel ist es, so viel Geld zu erlösen wie möglich“, sagt Haun, der in der Vergangenheit einen sehr berühmten Fall bearbeitete. Vor sechs Jahren versteigerte er die Reste des Schlecker-Konzerns. So hatten sich unter anderem gut 800 Gabelstapler angesammelt. In Erinnerung blieb ihm vor allem ein silberner Mercedes SLR McLaren mit roten Ledersitzen, den der gefallene Drogerie-König Anton Schlecker einst steuerte. Für eine sechsstellige Summe wechselte der Sportwagen letztlich den Besitzer.

22 Autos von Germania werden versteigert. Das Gebot für diesen zwölf Jahre alter VW-Transporter stand am Sonntag bei 1900 Euro.
22 Autos von Germania werden versteigert. Das Gebot für diesen zwölf Jahre alter VW-Transporter stand am Sonntag bei 1900 Euro. © Hanseatische Industrie-Consult

„Wir bearbeiten pro Jahr 300 bis 500 Insolvenzen – von ganz klein bis groß“, sagt Haun, der seit 1994 im Auktionsgeschäft ist. Der Diplom-Kaufmann bewertet zusammen mit Geschäftspartner Tom Thomsen, einem Maschinenbauingenieur, und ihren 15 Mitarbeitern die Anlagen und den Maschinenpark der Unternehmen. Sie machen Fotos, legen Startgebote fest und bringen alles in Kataloge. Bundesweit gibt es für HT rund 20 Mitbewerber. Man brauche viel Erfahrung und wechsele häufig die Branche, sagt Haun: „Wir sind heute bei Germania, morgen im Friseursalon und übermorgen beim Automobilzulieferer.“

iPads gibt es ab 80 Euro

Den aktuellen Auftrag erhielt der Hamburger von Germania-Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg. „Die Teilnahme an der Onlineauktion steht jedem offen“, sagt Wienberg: „Vom privaten Flugzeug-Fan, der sich ein Stück Luftfahrtgeschichte sichern will, bis zum Start-up-Unternehmer, der eine preiswerte Büroausstattung sucht.“ Denn auch solche Artikel sind im Angebot. Rund 500 Positionen mit Schreibtischen, Stühlen und Rollcontainern sind erhältlich. IT-Pakete mit Computer, zwei 24-Zoll-Bildschirmen, Tastatur und Maus sind ab 40 Euro ersteigerbar, mit Lenovo-Notebook statt PC müssen mindestens 70 Euro gezahlt werden. Ein iPad Mini 4 Wifi Cellular mit 128 Gigabyte wird ab 80 Euro angeboten.

Wer mitmachen will, muss sich auf der Internetseite www.ht-kg.de über das Feld Online-Versteigerungen registrieren.

Spaßbieter sind nicht erwünscht

Dazu sind E-Mail-Adresse und ein Passwort notwendig. Im Anschluss werden die Interessenten aufgefordert, ihren Personalausweis einzuscannen und zu schicken. „Wir wollen keine Spaßbieter haben“, sagt Haun. Dann wird per Mail eine Bieternummer zugeschickt – und es kann losgehen. Die Auktionen laufen bis Ende Mai/Anfang Juni. Der Start lief eher verhalten, Bieter müssen aber bis zum Schluss wachsam sein. „Die Musik spielt am letzten Tag“, sagt Haun. Wer den Zuschlag erhält, bekommt eine Rechnung und muss den Betrag überweisen. Zu dem Gebot kommt ein Aufgeld von 18 Prozent hinzu, das der Auktionator als Honorar für seine Arbeit erhält, und die Mehrwertsteuer. Letztlich muss das Produkt am Unternehmenssitz in Berlin abgeholt werden.

Auktion weckt Erinnerungen an Fall Air Berlin

Apropos Hauptstadt: Die Germania-Versteigerung weckt natürlich Erinnerungen an den Jahresanfang 2018. Damals wurden die Überbleibsel von Air Berlin meistbietend abgegeben. Es wurde ein hitziges Wettbieten, das vom Hamburger HT-Konkurrenten Dechow organisiert wurde. Ein Businessclass-Sitz wurde 56.000-mal angeklickt, für 2750 Euro ging er schließlich weg. Liebhaber zahlten für ein Zwei-Kilo-Paket Schokoherzen satte 352 Euro. Haun erwartet schon Klicks im Millionenbereich auf der Firmenhomepage, bleibt aber hanseatisch bodenständig: „Germania ist zwar ein Name, aber Air Berlin ist natürlich der bekanntere Name.“

Wer in seinem Büro übrigens mal einen Artikel aus dem aktuellen Versteigerungsangebot sehen möchte, wird enttäuscht. Denn es gelte ein ehernes Firmenmotto. „Wir nehmen niemals etwas mit aus den Unternehmen, die wir in der Auktion haben“, sagt Haun. Da bleibt auf dem Schreibtisch genug Platz für den antiken Auktionshammer – auch wenn er eigentlich nicht mehr gebraucht wird.

,