Bonn. Post-Chef Frank Appel spricht im Interview über die Folgen höherer Personalkosten, Kundenbeschwerden und Aktivitäten der Konkurrenz.
Hinter Frank Appel liegen schwierige Monate. Trotz des Online-Einkaufsbooms in Deutschland musste der Chef der Deutschen Post die Gewinnprognose nach unten korrigieren, die Erträge im Brief- und Paketgeschäft sind rückläufig.
Bereits zum Jahreswechsel mussten Postkunden höhere Preise bei Paketen hinnehmen. Weitere Konsequenzen wie eine weitere Erhöhung der Preise für die Paketzustellung sind nicht ausgeschlossen. Darüber und über Beschwerden über DHL-Boten hat der Postchef Frank Appel im Interview mit unserer Redaktion gesprochen.
Deutsche Post will Preise für Pakete erhöhen
Briefe sollen teurer werden. Obwohl Sie Milliardengewinne erwirtschaften, gewährt Ihnen die Bundesnetzagentur eine Preiserhöhung von mehr als zehn Prozent. Muss das sein?
Frank Appel: Es geht ja um einen Zeitraum von drei Jahren, auf ein Jahr bezogen sind es also rund 3,5 Prozent. Die Behörde erkennt an, dass unsere Personalkosten deutlich gestiegen sind und weniger Briefe geschrieben werden. Das lässt sich nicht durch mehr Produktivität ausgleichen. Und was unsere Gewinne angeht: Der größte Teil davon kommt aus dem Ausland.
Wollen Sie den Spielraum, den Ihnen die Netzagentur für die Preiserhöhung gibt, voll ausnutzen?
Appel: Wir werden in den nächsten Tagen über die zukünftigen Preise für die einzelnen Briefprodukte entscheiden. Ob es 80, 85 oder 90 Cent für den Standardbrief werden, hängt auch von den künftigen Preisen für andere Produkte wie Kompakt-, Groß-, Maxibrief und Postkarte ab.
Glatte Beträge wären sicher von Vorteil. Klar ist aber auch: 3,5 Prozent pro Jahr sind das, was wir benötigen, um weiterhin gute Qualität liefern zu können. Viele unserer Briefzentren sind in den 90er-Jahren gebaut worden. Hier müssen wir investieren.
Ein Euro als Preis für den Standardbrief ist also bald gar nicht mehr so weit entfernt?
Appel: Mit der anstehenden Entscheidung gibt es in den nächsten drei Jahren keinen weiteren Spielraum für eine Portoerhöhung in Deutschland. Richtig ist aber auch, dass der Durchschnittspreis für einen Standardbrief in Europa schon jetzt bei 94 Cent liegt.
Trägt die Deutsche Post als Unternehmen, das zum Teil dem Staat gehört, eine Verantwortung dafür, die Preise für die Bürger möglichst gering zu halten?
Appel: Der aktuellen Auswirkungen sind für die Bürger überschaubar. Umgerechnet auf einen Haushalt geht es um durchschnittlich 23 Cent mehr im Monat. Verglichen mit Preissteigerungen für Strom oder Telekommunikation ist das nun wirklich eine kleine Summe. Um 23 Cent an anderer Stelle zu sparen, reicht es hin und wieder schon aus, am Nachmittag und nicht morgens zur Tankstelle zu fahren.
Ihre Rivalen im Paketgeschäft – DPD, GLS und Hermes – sprechen von Wettbewerbsverzerrung. Durch höhere Einnahmen aus dem Briefgeschäft ließe sich die Paketsparte subventionieren. Ist das so?
Appel: Das ist eine alte Behauptung, die nachweislich nicht stimmt. Im Übrigen ist es bemerkenswert, wenn sich unsere Wettbewerber so äußern. DPD gehört zum französischen Staatskonzern La Poste – und in Frankreich kostet das vergleichbare Porto schon jetzt mehr als ein Euro. Die Royal Mail – zu der GLS gehört – verlangt auch schon 77 Cent.
• Preissteigerung: Paket-Zustellung an der Haustür – Hermes will Preise erhöhen
Planen Sie auch höhere Paketpreise?
Appel: Wir haben im vergangenen Jahr angefangen, die Preise für Pakete bei unseren Geschäftskunden und Anfang des Jahres auch bei einem Filialpaketprodukt zu erhöhen. Die Lohn- und Kostensteigerungen müssen wir an unsere Kunden weitergeben. Wir glauben aber, dass wir als Marktführer auch zukünftig die Preise weiter erhöhen müssen. Ich vermute auch, dass sich unsere Wettbewerber daran orientieren.
Trifft die Preiserhöhung nur Ihre Geschäftskunden oder auch Ihre Privatkunden?
Appel: Generell müssen sich die Kunden auf steigende Paketpreise einstellen. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch eine stabile hohe Qualität. Das haben wir gerade erst im Weihnachts- und Ostergeschäft bewiesen – praktisch alle Pakete sind rechtzeitig angekommen. Und schließlich wollen wir auch unsere Mitarbeiter anständig bezahlen und keinen Niedriglohnwettbewerb. Gute Qualität und gute Löhne für unsere Zusteller gibt es aber nicht zum Nulltarif.
Amazon gehört zu Ihren wichtigsten Großkunden. Macht es Sie nervös, dass der US-Konzern in Deutschland ein eigenes Zustellnetzwerk aufbaut?
Appel: Wir haben ein gutes Verhältnis zu Amazon. Unser Geschäft mit Amazon wächst weltweit. Wenn wir weiterhin die beste Qualität anbieten, sehen wir auch, dass die Geschäftsvolumina bei uns bleiben.
12.000 Kunden haben sich im vergangenen Jahr über Postdienstleistungen bei der Netzagentur beschwert – so viele wie nie zuvor. Können Sie damit zufrieden sein?
Appel: Diese Zahl umfasst nicht nur uns, sondern alle Postdienstleister. Aber ganz klar: Jede Beschwerde ist eine zu viel. Es ärgert mich, wenn wir eine Dienstleistung nicht so erbringen, wie es sein sollte. Nur: Wir arbeiten eben mit Menschen, und Menschen machen auch Fehler. Wenn man sich die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur anschaut, dann ist es bei uns eine Beschwerde auf 2,3 Millionen beförderte Brief- und Paketsendungen. Die Anzahl der Beschwerden bei Postdienstleistungen ist übrigens deutlich niedriger als im Telekommunikations- oder Strombereich.
Bereiten Ihnen die aktuellen globalen Handelskonflikte Sorgen?
Appel: Auch in der Wirtschaft schadet Abschottung nur. Nennen Sie mir ein Land, das mit Protektionismus erfolgreich ist? Es gibt keins. Wettbewerbsfähig wird man nicht durch Abschottung, sondern durch die beste Infrastruktur, das beste Bildungssystem und damit, dass man sich dem Wettbewerb aussetzt. Die deutschen Unternehmen – auch die Mittelständler – sind sehr global aufgestellt. Daher bin ich sehr zuversichtlich.
(Ulf Meinke)