Berlin. Unter den Handelsketten Aldi und Lidl ist ein Streit um die niedrigsten Preise ausgebrochen. Das drückt die ohnehin niedrigen Margen.

Zu den Eigenschaften von Top-Managern zählt meist auch das Talent, Geschäftsrisiken glaubwürdig kleinreden zu können – so, als wären sie nur vorüberziehende Schönwetterwolken. Auch Klaus Gehrig greift gerne zu diesem Trick.

Über den Konkurrenten Aldi sagte der Chef der Schwarz-Gruppe und oberste Lidl-Chef bei einer Veranstaltung Mitte März: „Wenn es Aldi nicht gäbe, wäre Lidl eingeschlafen. Wir brauchen uns.“ Das klingt aufgeräumt. Aber die Wahrheit ist: Gehrig ist bereits hellwach. Die schlummernde Rivalität zwischen den beiden großen deutschen Discountern ist wieder aufgeflammt.

Seit Wochen liefern sich die Lebensmittelhändler einen erbitterten Streit um den niedrigsten Preis – seit Neuestem auch bei Markenartikeln. Mit einer Rabattaktion nach der anderen kämpfen Aldi und Lidl um Kunden und um das höchste Gut auf dem Discountermarkt: das Image, der Billigste zu sein.

Lidl vs. Aldi: Die Marktmacht der Discounter schwindet

Die Discounter führen momentan einen Unterbietungswettbewerb.
Die Discounter führen momentan einen Unterbietungswettbewerb. © dpa | Fredrik von Erichsen

Ein Unterbietungswettbewerb, der die ohnehin niedrigen Margen im Lebensmittelhandel weiter nach unten drückt. Die Schlacht kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Zunehmend schwindet die Marktmacht der Discounter. Es gilt zu bestehen neben Supermärkten, die den Wocheneinkauf zum Erlebnis umgedeutet haben, und neben immer mächtiger werdenden Bio-Ketten.

Anfang Februar setzte Aldi das erste Ausrufezeichen: Der Discounter senkte den Preis für die 1,25-Liter-Flasche Coca-Cola von 99 auf 79 Cent. Ein grundlegender Bruch mit der bisherigen Strategie des Discounters. Zwar hat Aldi schon 2015 Markenartikel in sein Sortiment aufgenommen. Auf Sonderangeboten hat er aber bislang verzichtet.

Aldi und Lidl wollen Kunden mit Fertigsoßen locken

Nun aber sieht der Kunde auch in Aldi-Filialen und auf Prospekten schrill bunte Schilder mit „Knallerpreisen“ und „Wochenaktionen“ für Nutella, Toffifee oder Chio Chips.

Lidl hingegen versteht sich seit jeher als der Discounter, der Marken zu Billigpreisen anbietet. Als Aldi den Cola-Preis senkte, passierte das Naheliegende: Lidl zog nach, hat den Preis mit 77 Cent noch unterboten. Derlei Beispiele gibt es mittlerweile genügend. Aktuell lockt Aldi die Kunden mit Fertigsoßen der Marke Knorr Fix zum Preis von 55 Cent statt 85. Bei Lidl wiederum gibt es Maggi-Fix-Fertigsoßen für 44 Cent.

Die Marken hinter No-Name-Produkten

Produzenten beliefern Supermärkte nicht nur mit ihren Premium-Produkten. Auch No-Name-Produkte kommen von Storck, Müller Milch und Co. Das Portal
Produzenten beliefern Supermärkte nicht nur mit ihren Premium-Produkten. Auch No-Name-Produkte kommen von Storck, Müller Milch und Co. Das Portal © imago/blickwinkel | imago stock&people
Von Müller Milch kommt vor allem der bekannte Milch Reis. Doch nicht nur das Markenprodukt stammt von dem bekannten Produzenten. Auch der Milchreis der Aldi-Marke Desira ist von Müller.
Von Müller Milch kommt vor allem der bekannte Milch Reis. Doch nicht nur das Markenprodukt stammt von dem bekannten Produzenten. Auch der Milchreis der Aldi-Marke Desira ist von Müller. © imago/Schöning | imago stock&people
Der Leibniz-Butterkeks: Nur echt mit 32 Zähnen? Weit gefehlt! Auch der Butterkeks von Choco Bistro (Aldi) kommt vom Hersteller Bahlsen.
Der Leibniz-Butterkeks: Nur echt mit 32 Zähnen? Weit gefehlt! Auch der Butterkeks von Choco Bistro (Aldi) kommt vom Hersteller Bahlsen. © imago stock&people | imago stock&people
Super Dickmann’s kommen von Storck. Das Pendant zum Markenprodukt ist bei Aldi Süd zu haben und heißt Choceur Riesen Schokoküsse.
Super Dickmann’s kommen von Storck. Das Pendant zum Markenprodukt ist bei Aldi Süd zu haben und heißt Choceur Riesen Schokoküsse. © imago stock&people | imago stock&people
Coppenrath und Wiese produzieren tiefgefrorene und gekühlte Kuchen und Torten. Darunter ist auch dieser Käsekuchen. Wer bei Kaufland den Käsekuchen der Marke Grotemeyer’s kauft, bekommt aber auch ein – meist günstigeres – Produkt aus dem Hause Coppenrath und Wiese.
Coppenrath und Wiese produzieren tiefgefrorene und gekühlte Kuchen und Torten. Darunter ist auch dieser Käsekuchen. Wer bei Kaufland den Käsekuchen der Marke Grotemeyer’s kauft, bekommt aber auch ein – meist günstigeres – Produkt aus dem Hause Coppenrath und Wiese. © Coppenrath und Wiese | Coppenrath und Wiese
Böklunder Würstchen sind in Supermärkten wie Edeka meist prominent in Regalen platziert. Wer etwas weiter unten schaut, könnte auch die Delikatess Schinkenwürstchen der Eigenmarke Gut und Günstig nehmen. Die kommen auch von Böklunder.
Böklunder Würstchen sind in Supermärkten wie Edeka meist prominent in Regalen platziert. Wer etwas weiter unten schaut, könnte auch die Delikatess Schinkenwürstchen der Eigenmarke Gut und Günstig nehmen. Die kommen auch von Böklunder. © imago/Rüdiger Wölk | imago stock&people
Die Firma Appel steht für Feinkostprodukte rund ums Thema Fisch. Bei Aldi Süd gibt es die Heringsfilets von Appel auch, allerdings in Dosen, auf denen der Markenname Armada steht.
Die Firma Appel steht für Feinkostprodukte rund ums Thema Fisch. Bei Aldi Süd gibt es die Heringsfilets von Appel auch, allerdings in Dosen, auf denen der Markenname Armada steht. © imago/Rüdiger Wölk | imago stock&people
Der Löwensenf aus Düsseldorf ist nicht nur in der Rheinmetropole bekannt und beliebt – teilweise auch untere anderem Markennamen. Bei Aldi Süd wird Echt Düsseldorfer Senf ohne den Zusatz Löwensenf verkauft. Das Produkt stammt aber vom selben Hersteller.
Der Löwensenf aus Düsseldorf ist nicht nur in der Rheinmetropole bekannt und beliebt – teilweise auch untere anderem Markennamen. Bei Aldi Süd wird Echt Düsseldorfer Senf ohne den Zusatz Löwensenf verkauft. Das Produkt stammt aber vom selben Hersteller. © imago/Rüdiger Wölk | imago stock&people
Meggle stellt neben Butter und Kräuterbutter auch Kräuterbaguettes zum Aufbacken her. Das Kräuterbaguette der Rewe-Marke ja! kommt ebenfalls von Meggle.
Meggle stellt neben Butter und Kräuterbutter auch Kräuterbaguettes zum Aufbacken her. Das Kräuterbaguette der Rewe-Marke ja! kommt ebenfalls von Meggle. © Meggle | Meggle
Der Fleischsalat von Homann wird unter vielen Markennamen verkauft. Neben Homann gibt es den Fleischsalat auch in Verpackungen mit den Aufschriften: Vitakrone Fleischsalat (Lidl), Wonnemeyer Fleischsalat (Aldi Süd), Fürstenkrone Fleischsalat (Netto).
Der Fleischsalat von Homann wird unter vielen Markennamen verkauft. Neben Homann gibt es den Fleischsalat auch in Verpackungen mit den Aufschriften: Vitakrone Fleischsalat (Lidl), Wonnemeyer Fleischsalat (Aldi Süd), Fürstenkrone Fleischsalat (Netto). © Homann | Homann
Die Firma Lambertz in Aachen produziert so ziemlich alles, was mit Lebkuchen und Spekulatius zu tun hat – so auch Lebkuchen-Herzen. Diese gibt es auch bei Lidl (Favorina Lebkuchen) und Aldi (Reichsgraf Lebkuchen).
Die Firma Lambertz in Aachen produziert so ziemlich alles, was mit Lebkuchen und Spekulatius zu tun hat – so auch Lebkuchen-Herzen. Diese gibt es auch bei Lidl (Favorina Lebkuchen) und Aldi (Reichsgraf Lebkuchen). © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Nach all dem Essen tut ein Absacker ganz gut. Wie wäre es mit einem Kräuterschnaps von Underberg? Oder doch lieber ein Mümmelmann von Aldi? Beide kommen zumindest vom selben Hersteller.
Nach all dem Essen tut ein Absacker ganz gut. Wie wäre es mit einem Kräuterschnaps von Underberg? Oder doch lieber ein Mümmelmann von Aldi? Beide kommen zumindest vom selben Hersteller. © imago stock&people | imago stock&people
Die Firma Verpoorten verkauft unter anderem Eierlikör der Eigenmarke. Aber auch der Eierlikör der Marke Van Veen (Penny) und Gold Advocaat (Lidl) kommen von dort.
Die Firma Verpoorten verkauft unter anderem Eierlikör der Eigenmarke. Aber auch der Eierlikör der Marke Van Veen (Penny) und Gold Advocaat (Lidl) kommen von dort. © imago/Rüdiger Wölk | imago stock&people
Die Oettinger Brauerei ist eine der größten in Deutschland. Die Brauerei produziert aber auch für No-Name-Marken von Discountern. So stammt das Adelskronen Premium Pils von Penny auch von der Oettinger Brauerei. Stand aller Produkte: 20. März 2017.
Die Oettinger Brauerei ist eine der größten in Deutschland. Die Brauerei produziert aber auch für No-Name-Marken von Discountern. So stammt das Adelskronen Premium Pils von Penny auch von der Oettinger Brauerei. Stand aller Produkte: 20. März 2017. © imago stock&people | imago stock&people
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Von Aldi Nord heißt es auf Nachfrage über den Strategiewechsel: Ziel sei es, die „Preisführerschaft im Lebensmitteleinzelhandel weiter zu stärken“. Dass ihr Einstieg in das Rabattgeschäft bei Markenartikeln einen Unterbietungswettbewerb auslösen würde, dürfte dem Aldi-Management in Mülheim und Essen klar gewesen sein. Offenbar sieht man sich dennoch dazu gezwungen.

Der Blick in die Zahlen zeigt – vor allem bei Aldi Nord lief es zuletzt schlecht. Erstmals in seiner mehr als 50-jährigen Firmengeschichte schrieb der Discounter 2018 in der Bundesrepublik rote Zahlen. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel, beobachtet, dass die Lidl-Rabattaktionen „für Aldi zum Pro­blem geworden“ seien. „Das Preisimage von Aldi hat sich verschlechtert.“ Das habe sich auch beim Umsatz bemerkbar gemacht, sagt Rüschen.

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Von Body Shaming bis Billigfleisch - Die 5 größten Discounter-Aufreger

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    Zunehmend unruhig dürfte es auch in der Lidl-Zentrale in Neckarsulm zugehen. Das zeigt auch der unerwartete Abgang von Lidl-Chef Jesper Hojer vor wenigen Tagen. Über die Hintergründe wird in der Branche bislang spekuliert. Gut möglich, dass ihm ein überzeugendes Konzept fehlte, dem Konkurrenten Aldi die Stirn zu bieten.

    Neue Präsentation der Backwaren

    Auch Lidl bekräftigt auf Nachfrage „in der aktuellen Preisdiskussion den Anspruch auf Preisführerschaft“. Klaus Gehrig ließ Mitte März durchblicken, dass er dieses Ziel mit allen Mitteln verfolgen werde. Man müsse „aggressiver werden“ und sogar „Mittel für die Zukunft hinterfragen“, sagte der Manager. Das bedeutet wohl, manch eine dringend nötige Investition – wie etwa die ins Digitalgeschäft – muss sich unterordnen.

    Einen Investitionsstau aber dürfen sich weder Lidl noch Aldi erlauben. Längst verläuft die Frontlinie zwischen beiden Discountern nicht mehr nur beim Preis. Auch beim Service und der Einrichtung der Läden lässt der eine dem anderen keinen Vorsprung.

    Derzeit stellt Aldi etwa seine Präsentation der Backwaren in den Filialen um – und kopiert dabei Lidl. Aldi hatte auf Backautomaten gesetzt. Riesige Kästen, aus denen Brezel und Brötchen per Knopfdruck herausschießen. Lidl hingegen hatte auf freundliche Holzregale gesetzt, mit Blick in die Aufbackstube im Hintergrund. Das kam beim Kunden besser an. Aldi wiederum hat es früh verstanden, Bio-Ware ins Sortiment aufzunehmen, hier versucht Lidl derzeit nachzubessern.

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    Russischer Discounter Mere startet auch in Deutschland

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      Konkurrenz durch Supermarktketten Rewe und Edeka

      All das kostet Geld – die Gesellschafter von Aldi Nord etwa stellten zuletzt fünf Milliarden Euro für die Modernisierung der Filialen bereit. Summen in dieser Höhe dürften künftig nicht mehr locker sitzen. Aldi und Lidl müssen sich zunehmen gegen die großen Supermarktketten behaupten. Supermärkte: So erfolgreich sind Edeka und Rewe mittlerweile.

      Das zeigen aktuelle Zahlen des Marktforschungsinstituts Edge by Ascential, über die das „Handelsblatt“ am Donnerstag berichtet hat. Demzufolge sind die Umsätze der großen Discounter im vergangenen Jahr um zwei Prozent gestiegen, 2019 sollen es nur noch 1,9 Prozent sein. Die Umsätze von Supermarktketten wie Edeka und Rewe hingegen hätten 2018 um 9,1 Prozent zugelegt. Und Rewe-Chef Lionel Souque hat bereits angekündigt, man werde Aldi keine Preisführerschaft bei Markenartikeln überlassen.

      Die Ketten stellen ihr Geschäft zudem breiter auf und sorgen sich mehr um den Umweltschutz. Edeka will Biomärkte unter der Marke „Naturkind“ eröffnen. Real will hingegen Plastiktüten für Obst und Gemüse abschaffen, bei Rewe wurde schon länger mit umweltfreundlichen Verpackungen experimentiert.

      Der Kunde darf sich freuen

      Und noch eine Entwicklung bedroht die Discounter: „Aldi und Lidl laufen mit ihrer Strategie, näher an die Supermärkte zu rücken, Gefahr, eine Lücke im unteren Preissegment zu reißen“, beobachtet Marco Atzenberger von dem Kölner Handelsinstitut EHI.

      Ein deutliches Signal sei der Versuch des russischen Supermarktes Mere in Leipzig, in den deutschen Markt einzutreten. In Zwickau eröffnet demnächst eine zweite Filiale. Es ist noch nicht ausgemacht, wer in diesem Kampf bestehen und wer verlieren wird. Nur ein Gewinner steht schon fest: der Kunde, der sich über die günstigen Preise freuen kann.

      (Anja Stehle)