Hamburg. Galaxus, Tochter des Schweizer Migros-Konzerns, hat Angebot auf 100.000 Produkte verdoppelt. Monatsumsatz in Millionenhöhe.
Im Konferenzraum von Galaxus hat Frank Hasselmann einen hohen Glasbehälter aufgestellt. Beim Start des Online-Händlers Anfang November war das Gefäß leer. Wie bei einem Messbecher hatte der Deutschland-Chef auf die Außenseite Zahlen geschrieben. Nur dass es ihm nicht um Zucker oder Mehl ging, sondern um Kunden. 1000, 2000, 5000. Für jede erreichte Etappe hat er in den vergangenen Monaten weiße und orangefarbene Tischtennisbälle in das Glas gefüllt. Ziemlich viele Bälle, die oberste Markierung ist überschritten. Inzwischen konnte Galaxus mehr als 10.000 Kunden gewinnen. „Seit Januar liegt der monatliche Umsatz im siebenstelligen Bereich“, zieht Hasselmann jetzt eine erste positive Bilanz. „Besucherzahlen, Neukunden und Verweildauer zeigen, dass das Erfolgskonzept aus der Schweiz auch beim deutschen Publikum auf Anklang stößt.“
Es begann mit kleinem Elektronik-Start-up
Denn auch wenn unter dem Logo auf der deutschen Internetseite noch „Beta“ steht, neu ist Galaxus nicht. Die Digitec Galaxus AG, gegründet 2001, ist der erfolgreichste Online-Händler der Schweiz – deutlich vor dem Branchenriesen Amazon. Es gibt praktisch nichts, was es in den beiden Shops des Anbieters nicht gibt – von der Baumschere bis zur Erotikunterwäsche. Im Bereich Elektronik sind die Züricher Marktführer. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei knapp einer Milliarde Euro. Mit der Expansion ins Nachbarland wagt das Unternehmen den ersten Schritt ins EU-Ausland und hat sich durchaus ambitionierte Ziele gesteckt. „Mittelfristig“, haben die Gründer damals verkündet, „wollen wir zu den fünf größten Online-Händlern Deutschland gehören.“ Da geht es um Namen wie Amazon und Otto, Zalando und Mediamarkt. Für ein Unternehmen, das hierzulande praktisch unbekannt ist, klingt das schon sehr selbstbewusst. Ein Grund dafür ist, dass hinter der digitalen Plattform einer der größten Handelskonzerne des Alpenlandes steckt: die Migros-Gruppe mit einem Jahresumsatz von immerhin gut 28 Milliarden Schweizer Franken (25 Milliarden Euro).
Im Angebot vor allem Elektronik
Frank Hasselmann hatte ein Jahr Zeit, den Launch des deutschen Angebots vorzubereiten. Jetzt sitzt er in einer Büroetage in Hamburg-Bahrenfeld. Aus den Panorama-Scheiben des futuristischen Neubaus kann man mit ein bisschen Glück bis zum Michel und zur Elbphilharmonie schauen. Aber dafür ist wenig Zeit. Im Konferenzraum hängt eine große Planungswand mit bunten Kacheln, auf denen die Ziele und Aufgaben für die nächsten Monate notiert sind. Es sind ziemlich viele. „Wir sind noch am Anfang und bauen das Sortiment nach und nach aus“, sagt der 39-Jährige, der vom Industriekonzern Linde kommt. Gestartet war Galaxus mit 50.000 Artikeln ausschließlich aus dem Elektronikbereich. Smartphones, TV-Geräte, Laptops und Computerspiele sollten die Besucher zum Kauf verleiten.
1200 Mitarbeiter in der Schweiz
Das hat auch mit der Geschichte der Schweizer Muttergesellschaft zu tun. Vor 18 Jahren hatten die Freunden und begeisterten Gamer Florian Teuteberg, Oliver Herren und Marcel Dobler ihren ersten Online-Shop digitec.ch programmiert, vor allem um günstiger an Ersatzteile für ihre Computer zu kommen. Das Start-up wuchs schnell und verkaufte bald die gesamte Palette an Elektronikprodukten und stieg zum Online-Marktführer für IT, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation auf. 2012 launchten die Gründer das Online-Warenhaus Galaxus. Heute arbeiten bei dem Unternehmen 1200 Mitarbeiter.
Neu: elektronische Haushaltsgeräte
Der deutsche Ableger hat inzwischen ein Portfolio von mehr als 100.000 Produkten. Auch ein Angebot von zunächst 6000 elektrischen Haushaltsgeräten ist seit kurzem im Shop erhältlich. Alle Bestellungen werden über ein eigenes Warenlager in der nordrhein-westfälischen Stadt Krefeld abgewickelt. Langfristig ist geplant, Galaxus Deutschland zu einem Online-Warenhaus zu machen. Noch in diesem Jahr sollen weitere Produktgruppen dazukommen, sagt Geschäftsführer Hasselmann. Spielwaren oder Heimwerkerbedarf könnte er sich vorstellen.
Galaxus bietet Expertentipps und Tests
Also im Prinzip genau das, was andere Einkaufsplattformen längst im Angebot haben. Bei Galaxus gibt es zusätzlich zu den Produkten ein Online-Magazin mit Branchenneuigkeiten, Expertentipps und Tests. Die, betont Frank Hasselmann, seien unabhängig und könnten durchaus auch kritisch ausfallen. „Die ehrliche Meinung ist uns wichtig.“ Im Moment kommen die Inhalte noch zu einem großen Teil von der hauseigenen Redaktion in der Schweiz. Das soll sich aber mit dem Aufbau des Teams in Hamburg von derzeit zehn auf 20 Mitarbeiter bis zum Jahresende ändern.
Preise ähnlich wie bei Amazon
Über ein Community-Forum können Nutzer zudem Fragen stellen und miteinander diskutieren. Das ist ein schöner Zusatznutzen, entscheidend beim Online-Kauf ist aber in der Regel der Preis. Fünf Monate nach dem Start seien mehr als 100.000 Besucher pro Woche auf der deutsche Seite unterwegs, so Hasselmann. „Das Interesse zeigt, dass wir mit unseren Preisen mithalten können.“ Stichproben der Redaktion bei verschiedenen Artikeln zeigen, dass Galaxus in der Regel ähnliche Preise anbietet wie Amazon oder Otto. „Wir wollen kein Preistreiber sein“, beschreibt der Manager die Unternehmenspolitik. „Aber unsere Preise sollen auch kein Grund sein, woanders zu kaufen.“
Experte: Neue Anbieter haben es schwer
Im vergangenen Jahr sind die Umsätze im E-Commerce-Handel erneut um mehr als elf Prozent gewachsen. Das Brutto-Umsatzvolumen mit Waren liegt nach Angaben des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel bei 65 Milliarden Euro. Allerdings hatte sich das Wachstum zuletzt verlangsamt. „Der Wettbewerb auf dem deutschen Markt ist hart und sehr konzentriert“, sagt Lars Hofacker, E-Commerce-Experte beim Kölner EHI Retail Institute. Die TOP 10 der Online-Händler stünden für mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes.
Auch für einen Anbieter wie Digitec-Galaxus, der in der Schweiz bestens positioniert sei, werde es deshalb schwierig, in Deutschland erfolgreich zu sein. Grundsätzlich sei es aber gut, so der Branchen-Insider, „wenn ein neuer Player mutig ist und mit einem kundenorientierten Angebot und pfiffigen Ideen in den Wettbewerb einsteigt und Alternativen bietet.“ Die größte Herausforderung sei, die Marke bekannt zu machen. „Dafür braucht es einen langen Atem. Dann kann es klappen.“
Bis Jahresende 200.000 Produkte
Frank Hasselmann setzt auf den schnellen Ausbau des Angebots. Bis Jahresende soll sich die Produktzahl auf rund 200.000 Artikel nochmal verdoppeln. „Wir sind mehr als ein Webshop. Unser Ziel ist es, das Einkaufserlebnis eines stationären Fachgeschäfts in den Online-Handel zu übertragen“, sagt der Hamburger Manager und spricht von einer „Lücke auf dem deutschen Markt“. Ein wichtiger Pluspunkt: Auch wenn die deutsche Galaxus-Tochter wie ein Start-up wirkt, im Hintergrund steht eine äußerst finanzkräftige Schweizer Muttergesellschaft. „Priorität für Migros ist, das Geschäft in Deutschland aufzubauen“, sagt Hasselmann. Im April hat sich der Chef aus Zürich im Hamburger Galaxus-Büro angesagt.