Die Reismühle A. Lütke & Co. brachte einst als bundesweit erste Naturreis in den Handel. Jetzt wird der Nachfolger erneut innovativ.
Dass die Deutschen trotz diverser kulinarischer Erneuerungswellen ein Volk von Kartoffelessern sind, lässt sich mit Zahlen belegen. 59 Kilo isst jeder Bundesbürger zwischen Flensburg und Füssen im Jahr, statistisch gesehen. Nudeln, als Pasta in unterschiedlichsten Erscheinungsformen inzwischen fester Bestandteil auf der germanischen Speisekarte, kommt immerhin auf acht Kilo. Auf Platz drei der Sättigungsbeilagen landet ziemlich abgeschlagen Reis mit einem Pro-Kopf-Jahreskonsum von 3,5 Kilo – trotz Sushi, Currys & Co.
„Viele Deutsche wissen nicht, wie man Reis richtig kocht“, sagt Jochen Wendt, Geschäftsführer des Reis-Produzenten Euryza. Eine steile These. Aber wer weiß schon, dass man bestimmte Sorten vom indischen Basmati-Reis erst waschen, in kaltem Wasser ziehen lassen und erst danach langsam aufkochen soll. Und selbst wenn es bekannt ist, wer macht das?
Orzya ist Marktführer bei losem Reis
Wendt schüttelt den Kopf. Der 53-Jährige sitzt in der Deutschland-Zentrale des Unternehmens an einer Ausfallstraße im Hamburger Stadtteil Hamm kurz vor der Auffahrt zur A1. Im Empfangsbereich hat er Plexiglas-Säulen mit unterschiedlichen Reissorten aufstellen lassen. Es sieht fast aus wie ein Kunstwerk. „Wir sind mit unserer Marke Oryza Marktführer im Bereich loser Reis und Reisspezialitäten“, sagt der Kaufmann, der seit 2016 die Geschäfte in Deutschland führt. Seit einigen Monaten sind mit der Steamed-Linie die ersten Fertigprodukte auf dem Markt. Den dampfgegarten Reis im Beutel gibt es in vier Varianten. Einfach in die Mikrowelle oder in die Pfanne, in zwei Minuten ist der Reis heiß. Das klappt garantiert.
Produziert wird in Antwerpen
Hersteller Euryza, der aus der 1909 gegründeten Hamburger Reismühle A. Lütke & Co. entstanden war und inzwischen zum spanischen Lebensmittelkonzern Ebro gehört, betritt mit der neuen Produktlinie Neuland. Die Marke Oryza, der Name ist von der botanischen Bezeichnung Oryza sativa für Reis abgeleitet, gibt es seit 1976. Nach eigenen Angaben brachten die Hamburger Reismühlen als erste in Deutschland Naturreis in den Handel. 1989 kam der Basmati-Reis der Marke in die Supermarkt-Regale. Vor sechs Jahren war die Reis-Produktion in Hamburg geschlossen und nach Antwerpen verlagert worden. Heute gibt es 14 verschiedene Reissorten in den bunten Oryza-Paketen. Im vergangenen Jahr sind in einer eigenen Linie noch einige hochwertigere Sorten Basmati-, Risotto- und Paella-Reis sowie Quinoa und Couscous dazugekommen.
Deutschland-Zentrale ist in Hamburg
Insgesamt produziert der Hersteller Euryza, zu dem auch die Marke Reisfit gehört, 15.000 Tonnen der Getreideart für den deutschen Markt und ist neben den zahlreichen Handelsmarken mit einem Anteil von 20 Prozent der größte Markenproduzent. 2017 lag der Umsatz bei gut 25 Millionen Euro. „Das werden wir auch für 2018 erreichen“, sagt Wendt, der mit seinem 34-köpfigen Vertriebs- und Marketingteam angetreten ist, um das Geschäft weiter auszubauen.
Ein wichtiger Schritt ist die Entwicklung der Steamed-Produkte, die das Entree in den Convenience-Markt mit zweistelligen Wachstumsraten bringen soll. „Wir haben Pionierarbeit geleistet“, sagt Wendt selbstbewusst. Idee, Herstellungsverfahren, Rezepte stammen aus Hamburg, produziert wird in einem Betrieb im spanischen Sevilla.
In die Tüten kommt Reis aus dem Himalaya
„Wir verwenden nur Premiumqualitäten“, sagt Jochen Wendt. In die Tüten kommt nur Basmati-Reis mit besonders langem Korn aus dem Himalaya, die Bezeichnung laut internationalem Code-System lautet 1121. Der Jasmin-Reis stammt aus Thailand. Die erste Resonanz ist positiv, sagt der Manager Inzwischen gibt es die Produkte auch in den Niederlanden und in Finnland.
Wendt sieht sich auch als Reis-Erklärer. „Wir wollen den Trend drehen“, sagt er. Reis, weltweit einer der wichtigsten Säulen der Ernährung, wird in Deutschland oft nur als billiges Grundnahrungsmittel und farblose Beilage wahrgenommen. Es gebe aber eine große Vielfalt an Sorten und Geschmäckern, sagt der Euryza-Geschäftsführer.
„Es ist ein Prozess, dass die Kunden verstehen, dass es auch bei Reis um Qualität geht.“ Und gesund ist Reis auch noch. Er hat wichtige Mineralstoffe und Vitamine, aber wenig Kalorien. Und, sagt Wendt, „Reis enthält komplexe Kohlenhydrate, die langsam abgebaut werden und länger satt machen“. Geplant ist, dass in diesem Jahr eine Oryza-Bio-Linie dazukommt. Außerdem will das Unternehmen Reis künftig auch in Papiertüten ähnlich wie Mehl oder Zucker anbieten. Im nächsten Jahr soll es erstmals auch frische Fertig-Produkte von Oryza geben. Reis kochen muss man dann nicht mehr.
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