Hamburg. Ein neues Luxuskino in der HafenCity bietet Filmerlebnisse der besonderen Art. Das Publikum kommt teilweise von weit her.

Es riecht hier immer noch wie in einem fabrikneuen Auto der oberen Preisklasse. Verantwortlich dafür sind die Ledersitze, die mehr als ein Drittel der rund 230 Plätze im größten der drei Säle des Astor-Kinos in der HafenCity ausmachen. Auf Tastendruck neigt ein Elektromotor die Rückenlehne in eine fast liegende Position und fährt eine bequeme Fußstütze heraus. Raum dafür ist reichlich vorhanden, der Abstand zwischen den Sitzreihen beträgt bis zu 1,75 Meter.

„Mit einer ,normalen‘ Bestuhlung ginge die doppelte Zahl an Zuschauern in diesen Saal hinein“, sagt Hans-Joachim Flebbe, Chef der Hamburger Firma Premium Entertainment, die das Kino betreibt. Masse war einmal sein Geschäft: Flebbe war Mitgründer und bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Cinemaxx-Kette, schied dann aber aufgrund von Differenzen über die Ausrichtung aus dem Konzern aus. Seitdem verfolgt er ein ganz anderes Konzept. Er nennt es Premium-Kino. „Das war etwas ganz Neues“, sagt Flebbe.

Im Astor werden die Drinks am Platz serviert

Ihm ist bewusst, dass die klassischen Lichtspielhäuser zunehmendem Wettbewerb durch Streamingdienste wie Netflix ausgesetzt sind: „Dies hier kann eine Antwort darauf sein.“ Nach Auffassung von Flebbe haben Kinos eine gute Zukunftsperspektive, wenn es ihnen gelingt, nicht nur ein Gemeinschaftserlebnis zu bieten, sondern den Besucher als echten Gast zu behandeln.

Gerne weitersagen: Betreiber Hans-Joachim Flebbe mit Ehefrau Rita Ende Oktober 2019 bei der Hamburg-Premiere des Films
Gerne weitersagen: Betreiber Hans-Joachim Flebbe mit Ehefrau Rita Ende Oktober 2019 bei der Hamburg-Premiere des Films "Das perfekte Geheimnis" in der Astor Film Lounge in der HafenCity. © Imago/Andre Lenthe

Was der Kinounternehmer darunter versteht, wird schon am Eingang deutlich: In den Abendstunden heißt ein uniformierter „Doorman“ die ankommenden Zuschauer willkommen. Drinnen erwartet sie ein geräumiger Lounge-Bereich wie in einem Hotel sowie ein Gratis-Begrüßungsgetränk. Weiteres kann man später beim Personal im Kinosaal ordern, die Snacks oder Drinks werden dann am Platz serviert.

Die Zielgruppe des Luxus-Kinos: „erwachsenes Publikum“

Es ist mit hohem Aufwand verbunden, ein solches Service-Niveau zu bieten – rund 60 Personen sind in dem neuen Standort am Sandtorkai beschäftigt. Dennoch sind die Ticketpreise mit durchschnittlich 15 Euro nicht deutlich höher als in der Branche üblich. Hinzu kommen sechs bis sieben Euro Gastronomieumsatz pro Besucher. „Ich kann nur sagen: Es rechnet sich“, sagt Flebbe – trotz der gerade einmal 412 Plätze, verteilt auf drei Säle.

Einer von ihnen hat gerade einmal 71 Plüschsessel und ist an den Wänden mit Regalen ausgestattet, in denen echte Bücher stehen. Das gesamte Konzept zielt erkennbar auf die kaufkraftstarke Altersgruppe der Baby-Boomer; Flebbe selbst spricht von einem „erwachsenen Publikum“.

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    Hierzu passe auch die Filmauswahl, für die im Familienbetrieb seine Frau verantwortlich ist: „Wir setzen nicht auf Produktionen, in denen es nur rumst und kracht, sondern eher auf anspruchsvollere Stoffe, in denen Geschichten erzählt werden.“ Dass die meterdicken Wände, die aus Schallschutzgründen für die Kinosäle erforderlich waren, keinen Mobilfunkempfang möglich machen, ist aus Sicht von Flebbe eher ein Plus.

    Mit den Buchungszahlen seit dem Start im November ist der Unternehmer nach eigenem Bekunden sehr zufrieden: „Zu uns kommen viele Menschen, die sonst lange nicht mehr in einem Kino waren, manche Gäste reisen bis zu 100 Kilometer weit an.“ Es hat allerdings acht Jahre gedauert, bis auch in Hamburg ein Astor-Kino eröffnen konnte. Flebbe hat lange nach einem geeigneten Standort gesucht.

    Flebbe hätte gern das „Streit’s“ übernommen

    Intensive Verhandlungen über das Traditionshaus „Streit’s“ am Jungfernstieg, das er gerne übernommen hätte, blieben erfolglos. Inzwischen gehören zur Premium-Entertainment-Gruppe fünf Astor-Kinos in München (zwei), Berlin, Köln und Hamburg sowie das auf englischsprachige Filme in Originalfassung spezialisierte Savoy am Steindamm.

    Zudem besitzt Flebbe in Hannover einen ebenfalls auf das Premium-Konzept umgestalteten früheren Cinemaxx-Standort und in Berlin den legendären „Zoo Palast“. Im Sommer eröffnet in Frankfurt an der Zeil ein weiteres Astor-Haus in einem Einkaufscenter, das vom Hamburger ECE-Konzern – hinter dem die Familie Otto steht – betrieben wird. „Das könnte auch ein Modell für weitere Städte sein“, sagt Flebbe.

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    Seine heutige Lichtspieltheater-Gruppe hat mit rund 2,5 Millionen Besuchern pro Jahr und einem Umsatz von 40 Millionen bis 50 Millionen Euro zwar nur etwa ein Viertel der Größe von Cinemaxx zum Zeitpunkt seines Ausstiegs dort. „Aber so macht mir Kino jetzt wieder Spaß“, sagt Flebbe – und wenn man miterlebt, wie er sich im neuen HafenCity-Astor über den Sound des Schlusskonzerts im Film „Bohemian Rhapsody“ über den Rockstar Freddie Mercury fast wie ein kleiner Junge begeistern kann, glaubt man ihm das sofort.

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