Hamburg. Exklusive Studie: In Dulsberg und Horn steigen die Preise für Immobilien extrem. Doch es gibt auch Stadtteile, wo sie sinken.

Die Straßen des Stadtteils sind von roten Backsteinbauten geprägt: Dulsberg, einer der kleinsten Stadtteile in der Hansestadt. In dem von Oberbaudirektor Fritz Schumacher 1919 konzipierten Stadtteil mit großzügigen grünen Innenhöfen lässt es sich gut leben, doch das Zentrum des Immobilienpreisanstiegs vermutet man hier nicht. Dennoch kletterten die Immobilienpreise für Eigentumswohnungen hier vom vierten Quartal 2017 bis zum vierten Quartal 2018 um 13,5 Prozent, wie aus der Stadtteilübersicht des Maklerunternehmens Homeday hervorgeht, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.

Auf dem zweiten Rang liegt Horn mit einem Preisanstieg von 11,2 Prozent. Pro Quadratmeter Wohnfläche müssen 3700 Euro bezahlt werden. „Da die zentralen und gefragten Stadtteile immer teurer werden, schauen sich die Käufer immer mehr Quartiere an, wo die Preise noch nicht so stark gestiegen sind“, sagt Makler Steffen Haack von Homeday.

Im angrenzenden Barmbek sind die Preise in der Vergangenheit schon deutlich stärker angestiegen. „Die Stärken von Dulsberg mit einer grünen Infrastruktur und einer schnellen Verbindung in das Zentrum werden jetzt entdeckt“, sagt Haack. Auch für Kapitalanleger sei der Stadtteil interessant. Zudem ist das Wohnungsangebot in dem Stadtteil sehr begrenzt, denn rund die Hälfte der 10.000 Wohnungen gehört der Saga und Baugenossenschaften.

Ende des Immobilienpreisanstiegs ist nicht in Sicht

Ein Ende des Immobilienpreisanstiegs in Hamburg ist nicht in Sicht. In 57 von 98 Stadtteilen, zu denen Daten vorliegen, lag der Preisanstieg 2018 bei mindestens 3,8 Prozent oder höher. Dieser Schwellenwert wurde für die Analyse gewählt, weil er doppelt so hoch wie die Inflationsrate für 2018 ist.

In rund jedem dritten Stadtteil kletterten die Immobilienpreise um fünf Prozent oder mehr. Lediglich in den Stadtteilen Neuallermöhe, Langenhorn und Wellingsbüttel gingen die Preise leicht zurück. „Eine schnelle Abkühlung des Immobilienmarktes zeichnet sich aber nicht ab”, sagt Steffen Wicker, Gründer und Geschäftsführer von Homeday. „Weiterhin günstige Bauzinsen, eine starke Nachfrage und die zunehmende Verknappung an verfügbarem Wohnraum werden auch die zukünftige Preisentwicklung bestimmen.“ Hinzu komme das neue Baukindergeld, welches Käufern einen größeren finanziellen Spielraum beim Immobilienerwerb ermöglicht.

Für die Preisdaten in Hamburg wurden 25.000 Angebotsdaten für Immobilienverkäufe aus verschiedenen Quellen ausgewertet und mit weiteren Daten wie etwa zur Lage verknüpft. Allerdings zeigen die Daten nicht den Preis pro Quadratmeter für eine bestimmte Wohnungsgröße wie etwa beim Immobilienmarktatlas der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg. In die Daten von Homeday fließen alle Wohnungsgrößen ein, sowohl Bestandsobjekte wie auch Neubauten. Mit 1800 Neubaufertigstellungen, die jährlich als Eigentumswohnungen in der Hansestadt vermarktet werden, spielen diese Objekte aber nur eine untergeordnete Rolle.

Curslack zieht jetzt viele Immobilienkäufer an

Mit Hilfe eines Algorithmus sollen Ungereimtheiten herausgefiltert und ein genaues Abbild der Marktpreise entstehen.

Im Schnitt stiegen die Immobilienpreise für Eigentumswohnungen in Hamburg im vergangenen Jahr um 4,7 Prozent. Einfamilienhäuser verteuerten sich um acht Prozent. Insgesamt gibt es in Hamburg eine große Spreizung der Immobilienpreise, wie die Übersicht zeigt.

Künftig dürften die Stadtteile mit noch relativ niedrigen Immobilienpreisen deutlich stärkere Preissteigerungsraten verzeichnen als jene Stadtteile wie Blankenese, Eimsbüttel oder die HafenCity, wo jetzt schon mehr als 5000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche bezahlt werden müssen.

Das zeigt sich auch im Osten von Hamburg. „Curslack zieht jetzt viele Immobilienkäufer an“, sagt Makler Christian Loock. Trotz eines hohen Preisanstiegs von neun Prozent liegen die Quadratmeterpreise hier noch unter 3000 Euro, ebenso in Altengamme und Neuengamme. „Curslack ist gefragt, weil es nah an Bergedorf mit einer kompletten Infrastruktur liegt“, sagt Loock. In rund jedem dritten Stadtteil müssen mehr als 4000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche bezahlt werden.

Niedrigste Preise in Neugraben-Fischbek

Der teuerste Stadtteil ist Harvestehude mit einem Quadratmeterpreis von 7310 Euro. In 27 Stadtteilen kosten Eigentumswohnungen noch weniger als 3000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Die niedrigsten Preise werden in Neugraben-Fischbek (2610 Euro), Hausbruch (2610) und Billbrook (2730) aufgerufen.

In den gefragten bürgerlichen Wohngegenden stiegen die Preise unterschiedlich stark. Während sie in Niendorf um 8,3 Prozent anzogen, kletterten sie in Sasel um 3,5 Prozent und in Poppenbüttel um zwei Prozent. In allen drei Stadtteilen liegen die Preise aber noch unter 4000 Euro je Quadratmeter. Diese Schwelle dürfte zuerst in Niendorf überschritten werden. „Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen ist unverändert hoch“, sagt Haack. „Das gilt auch für Objekte mit hohem Modernisierungsbedarf.“

Durch den Mangel an Anlagealternativen, das niedrige Zinsniveau und den anhaltenden Zuzug von Menschen in Metropolen wie Hamburg bleiben Immobilien attraktiv. „Die Nachfrage nimmt eher noch zu, der Herdentrieb ist ungebrochen“, sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann. Viele hätten wegen der hohen Preise abgewartet, sehen aber, dass es keine Entspannung gibt, und springen jetzt noch auf den Zug.

Experte sieht bereits Immobilienblase

Betroffen von dieser Entwicklung könnten vor allem Immobilien aus dem Bestand sein. „Wir rechnen bei Eigentumswohnungen in Hamburg 2019 mit einem Preisanstieg von 10,3 Prozent“, sagt Lars Seidel, Geschäftsführer von Grossmann & Berger. Auch in den Folgejahren soll sich die positive Preisentwicklung von Immobilien fortsetzen, selbst wenn die Baugeldzinsen in den nächsten Jahren leicht steigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Immobilienportals Immowelt. Danach werden die Immobilienpreise für Eigentumswohnungen in Hamburg bis zum Jahr 2030 um noch 51 Prozent steigen. Für einen Quadratmeter Wohnfläche müssen nach der Prognose dann in Hamburg 6520 Euro bezahlt werden.

In Berlin und München sollen die Immobilienpreise mit einem Plus von jeweils 60 Prozent noch stärker steigen. Für die Prognose wurde die Entwicklung der Bevölkerung, Verbraucherpreise und Baupreise berücksichtigt. Zudem wurde ein Zinssatz von drei Prozent für Wohnbaukredite angenommen. Der Wert ist mehr als doppelt so hoch wie das aktuelle Zinsniveau.

Banken und Makler in Hamburg und Umgebung sehen noch keine Immobilienblase. Doch nach Hansmanns Einschätzung befindet sich Hamburg schon seit zwei Jahren in einer Immobilienblase. „Die Kaufpreise steigen stärker als die Mieten“, sagt er. Als Warnzeichen sieht er auch, dass immer mehr Regionen von den Preissteigerungen erfasst werden. Noch sei Zeit, aus der Blase kontrolliert die Luft abzulassen, sagt Hansmann. „Dazu müssen die Kriterien für die Kreditvergabe bei Eigenkapital und Tilgung verschärft werden. Dann werden Käufer abgeschreckt, und die Nachfrage normalisiert sich.“ Doch danach sieht es im Moment nicht aus.