Leipzig. Wegen Lieferengpässen hatte die erste Filiale des russischen Discounters Mere direkt wieder geschlossen. Jetzt ist sie wieder offen.

Mit großem Ambitionen war der Aldi-Konkurrent Mere in Deutschland an den Start gegangen. Doch bereits nach einer Woche musste die Filiale in Leipzig wieder schließen – wegen Lieferschwierigkeiten. Die seien nun behoben, seit Mittwoch kann in der Leipziger Filiale wieder eingekauft werden, teilte eine Unternehmenssprecherin mit.

Zur Eröffnung vor einer Woche hatte Mere noch für Aufregung gesorgt. „Das ist ja wie nach der Wende“, sagt eine Frau mittleren Alters zu ihrem Mann als sie die Filiale betrat. Das erste deutsche Geschäft des Unternehmens Torgservis aus Sibirien liegt in einem Einkaufspark in Taucha, einem Vorort von Leipzig.

Vom Russen-Discounter ist bereits vielerorts die Rede. Tatsächlich erinnert der Laden aber eher an ein Möbellager als an einen Supermarkt.

Weiße Neonröhren von oben, der Geruch von Plastik und Pappe, deckenhohe Metall-Regale. Darauf Ware, die noch in ihren Lieferkartons steckt, von Plastikfolie umwickelt ist. Darunter mit Klebestreifen befestigte Papierschilder, auf denen das steht, mit dem Mere punkten will: Schier unglaublich niedrige Preise.

Das kosten Produkte bei Mere:

  • ein halbes Kilo Kaffee für 2,49 Euro
  • ein Liter Milch für 49 Cent
  • ein Liter Weißwein für 1,04 Euro,
  • das Hunderterpack Zahnstocher für 12 Cent.

Und die scheinen die Menschen anzulocken, schaut man auf die Warteschlangen, die sich an diesem Werktag um die Mittagszeit beinahe bis zum Ende der Filiale ziehen. Kein einziger freier Einkaufswagen ist mehr zu haben.

Mere verspricht „Tiefstpreise jeden Tag“

Der Discounter erinnert eher an ein Möbellager.
Der Discounter erinnert eher an ein Möbellager. © Getty Images | Jens Schlueter

Einige der Kunden scheinen aus Neugier da zu sein: Gibt es womöglich andere Produkte als bei den deutschen Discountern Aldi und Lidl? Die meisten hat aber wohl eher die Aussicht auf Schnäppchen angelockt, mit denen der Discounter unter dem Motto „Tiefstpreise jeden Tag“ vorab geworben hatte.

Dennoch scheint sich bei kaum einem Kunden ein echter Kaufrausch einzustellen. Oder gar ein Einkaufserlebnis. Im Gegenteil: Viele schauen skeptisch auf die Produkte, die größtenteils tschechische oder polnische Bezeichnungen tragen.

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    Kühltruhen sind weitestgehend leer

    „Wenn du in die Müllbeutel oben was reinwirfst, kommt es unten wieder raus“, sagt einer beim Blick auf die Rollen. Ein anderer: „Guck mal, dieses ganzes Dreckszeug.“

    Viele der Regale sind zudem über lange Strecken leer. Da sind etwa Kühlregale, in denen sich nur an einzelnen Stellen „Weiße Presswurst“, Würstchen oder Salami sammeln. Oder Tiefkühltruhen, in denen es laut Papierschild zwar Frostspinat im 2,5-Kilogramm-Beutel geben soll. Tatsächlich findet sich darin jedoch vor allem eines: Leere.

    Diese Produkte gab es bei Mere nicht:

    • Butter
    • Brot
    • Gemüse
    • Äpfel
    • Nudeln
    • Pizza
    • Joghurt
    • Fisch
    • Süßigkeiten

    „Wir sind dabei, nachzufüllen“, erklärt eine der Verkäuferinnen. Butter? Brot? „Nee, haben wir nicht“, antwortet eine andere auf Nachfrage. „Generell nicht“, schiebt sie nach.

    Paletten voller Lebensmittel im neuen Discounter
    Paletten voller Lebensmittel im neuen Discounter © Getty Images | Jens Schlueter

    Insgesamt wird schnell klar: Das Angebot ist sehr begrenzt. Auch andere Nahrungsmittel wie Gemüse, Nudeln oder Süßigkeiten, auch Pizza, Joghurt und Fisch fehlen. Selbst an Käse gibt es nur eine Sorte: Reibekäse für 2,40 Euro je 500 Gramm.

    Sogar Äpfel sucht man hier vergebens – und das, obwohl das Wort „Mere“ auf Rumänisch genau das bedeutet. Oder russischer Wodka. An Alkohol muss bislang der Weißwein aus Niederösterreich herhalten.

    Kaum Lebensmittel des täglichen Bedarfs, dafür jede Menge Konserven in Übergröße:

    • 1,7 Kilogramm Thunfisch für 8,37 Euro,
    • 850 Gramm Champignons für 1,66 Euro.

    Und daneben vor allem Haushaltswaren:

    • Klobürsten für 63 Cent,
    • Besenstiele für 25 Cent,
    • 20 Müllbeutel für 23 Cent,
    • vier Packungen Streichhölzer für 8 Cent
    • oder eine Pfanne für 2,67 Euro.

    Diese Einfalt scheint sich auch in den Einkaufswagen der Kunden niederzuschlagen. Hier und da finden sich darin zwar ein paar Putzlappen, Milch- oder Kaffeepackungen. Insgesamt sehen die Körbe jedoch erstaunlich leer aus, keiner scheint hier seinen Wochenendeinkauf zu machen oder auch nur die Zutaten für das nächste Abend- oder Mittagessen zu besorgen.

    Kunden sehen Mere eher kritisch

    Das kann auch ein gut gekleidetes Ehepaar mittleren Alters bestätigen, als sie ihre Ware in eine Tüte packen, auf der „Hugo Boss“ steht. Konserven und Abgepacktes gäbe es hier vor allem. Warum sie gekommen sind? „Wir haben gehört, dass es hier billig ist“.

    Trotz der Ersparnis lohne sich jedoch der Aufwand für sie nicht. 30 Kilometer seien sie gefahren. Gut seien die Sachen aber, die man hier kaufen könne, meint der Herr. Er kenne sich da aus, sei selbst oft im Ausland unterwegs.

    Kundin: „Es ist mir unangenehm hier zu sein“

    Zwei Frauen, beide Mütter zweier Kinder, die eine Rettungssanitäterin, die andere Erzieherin, sind da kritischer: „Das meiste hier ist Ramsch.“ Sie hätten anderes erwartet, nachdem sie aus dem Radio davon erfahren hatten und ebenfalls mehr als 30 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt hatten.

    Für einen Kindergeburtstag sei es vielleicht geeignet, wo man manches in großer Menge brauche. „Eigentlich ist es mir auch unangenehm hier zu sein“, fügt die Sanitäterin etwas verschämt hinzu. Man frage sich schon, wie die Produkte so billig sein können, was darin stecke, wie sie hergestellt würden.

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      Triste Atmosphäre, aber niedrige Preise

      Das meiste käme ja aus Polen oder Tschechien. Ein bisschen Gedanken mache man sich da, ob die die gleichen Standards wie in Deutschland einhielten. „Aber sehr billig ist es, das muss man sagen.“ Und das sei eben für viele der entscheidende Punkt, obwohl man „hier wirklich nicht gerne einkaufe“. Sehr trist sei es.

      Sie selbst kämen vermutlich nicht wieder, seien sich aber sicher, dass der Markt viele anlocke. Gerade in Ostdeutschland.

      Genau dort will Torgservis nach eigenen Angaben auch weitere Filialen eröffnen – und so Schritt für Schritt die Marktführer Aldi und Lidl mit Billigstpreisen angreifen. Für Kaffee, Pfefferminztee und Milch ist das an diesem Tag gelungen.

      So viel günstiger ist Mere im Vergleich zu Aldi:

      • Milch: 8 Cent
      • Pfefferminztee: 33 Cent
      • Kaffee: 1,02 Euro

      Bei Apfelsaft hingegen ist es anders. Der ist bei Mere 2 Cent teurer als bei Aldi.

      Ob das Konzept ansonsten Erfolg hat, wird sich zeigen. In Osteuropa und Asien betreibt das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits 928 Filialen, unter anderem in Russland und Rumänien.

      Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) warnte indes vor einer weiteren Verschärfung des Preiskampfs bei Lebensmitteln. Die Eröffnung der bundesweit ersten Filiale von Torgservis sei ein Alarmsignal, sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler.

      Wer mit dem Versprechen antrete, die ohnehin schon günstigen Discounter in Deutschland drastisch zu unterbieten, der drehe weiter an der Preis-Abwärts-Spirale. Lebensmittel seien Qualitätsprodukte, die nicht unter Wert verkauft werden dürften, so Zeitler.

      Ein Konkurrent scheint bereits in die Offensive zu gehen: Aldi fährt eine neue Angebotspolitik und senkt die Preise für Markenprodukte. (mit dpa)

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