Duisburg. Ferdinand Dudenhöffer wartet auf sein neues Auto und fährt so lange Bahn. Er glaubt: Sie könnte viel mehr aus der Dieselkrise machen.

„So gut läuft es selten mit der Bahn. Heute ist ein Glückstag“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Dabei betritt der Autoprofessor in Bochum den sieben Minuten verspäteten Regionalexpress nach Duisburg. Seit drei Wochen ist der Leiter des Car-Instituts der Universität Duisburg-Essen, an dem in strategischen Fragen der Automobilwirtschaft kaum ein Weg vorbei führt, Bahnfahrer.

Seinen einige Jahre alten Euro-5-Diesel hat er verschrotten lassen, der neue Benziner lässt wegen Lieferengpässen auf sich warten. Die Fahrt mit der Bahn sei jeden Tag ein Abenteuer, erzählt Deutschlands Autopapst. Dabei lässt er sich auf einen freien Sitzplatz fallen. Eine Ausnahme an diesem Dienstagmorgen um kurz nach neun.

Normalerweise sei der Zug überfüllt. Weil mal wieder ein Wagen fehlt oder Türen kaputt sind. Wenn der Zug denn pünktlich kommt.

Fünf Minuten Verspätung sind fast Standard

„Auf dem Fußweg zum Bahnhof überprüfe ich mit meinem Handy den Fahrplan. Da stehen fast immer fünf Minuten Verspätung“, klagt Dudenhöffer sein alltägliches Leid, das mit dem Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr begann.

Komme er am Bahnhof an, werden aus fünf Minuten zehn, 20 oder mehr. „Und dann fängste an zu frieren“, meint der Verkehrswissenschaftler mit ironischem Lächeln auf den Lippen.

Am Arbeitsplatz ist er schneller als mit dem Auto

Über Wattenscheid und Essen rast der Regionalexpress an der stillstehenden Schlagader des Ruhrgebiets vorbei, der Autobahn 40. „In dem Stau würde ich jetzt stehen“, kommentiert Dudenhöffer. Was trotzdem besser sei, da er dann wenigstens im trockenen, warmen Wagen sitze.

Immerhin erreicht er heute mit der Bahn seinen Arbeitsplatz schneller als üblicherweise mit dem Auto. Dafür zahlt er aber auch deutlich mehr: 44,40 Euro kostet ein Viererticket für die Strecke Bochum-Duisburg – also 11,10 Euro für eine Strecke von rund 40 Kilometern.

Beim Monatsticket ist der Preis günstiger. 147,30 Euro bezahlt der Pendler im Ruhrgebiet dann. Bei 220 Arbeitstagen eines Vollbeschäftigten pro Jahr beträgt der Fahrpreis so rund vier Euro pro Strecke.

Dudenhöffer: Preise jenseits von Gut und Böse

Fährt man, wie Dudenhöffer, nicht regelmäßig mit der Bahn, seien die Einzelpreise viel zu teuer: „Wäre die Fahrt günstiger und das Angebot zuverlässig, würde ich vielleicht auch dauerhaft auf die Bahn umsteigen. Aber die Preise sind jenseits von Gut und Böse.“

Mit der Unzuverlässigkeit ließen die Nahverkehrsverbünde in Deutschland gerade eine Riesenchance verstreichen: Es sei ein Jammer, dass sie den Abgasskandal nicht nutzten, indem sie Dieselfahrern attraktive Angebote bereiteten, bedauert Dudenhöffer. Im Ruhrgebiet stehen Fahrverbote für alte Diesel und sehr alte Benziner auf der A 40 bevor, die sich durch das komplette Ruhrgebiet zieht.

Dudenhöffer: Dezentrale Steuerung nötig

Der Automobil-Wissenschaftler befürchtet, dass sich daran auch in Zukunft nichts ändert: „In den vergangenen 70 Jahren ist der ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) nicht besser, sondern schlechter geworden. Auch bei der Bahn insgesamt bin ich pessimistisch.“

Es bräuchte eine dezentrale Steuerung des Bahnverkehrs. Damit ein Stellwerkausfall in einer Stadt nicht den kompletten Nah- und Fernverkehr flachlegt. Warum das nicht längst passiert ist, sei für Dudenhöffer ein Rätsel.

Keine Alternativstrecke bei der Bahn

Für ihn ist und bleibt die Fahrt mit dem Auto die bessere Option. Und so beißt er die Zähne zusammen und steigt in den häufiger verspäteten als pünktlichen Regionalexpress. So lange, bis der neue Benziner vor seiner Tür steht und er wieder über die A 40 von Bochum nach Duisburg fährt. Oder langsam rollt.

Dann habe er im Notfall mit der A 42 immerhin noch eine Ausweichmöglichkeit. Diese Alternative sucht der Automobilexperte bei der Bahn vergeblich. Stehe der Zug einmal auf offener Strecke, dann stehe er.

Nach der Bahnfahrt folgt der Fußweg

Das bleibt Ferdinand Dudenhöffer an diesem Dienstag erspart. Gegen halb zehn erreicht der Regionalexpress den Duisburger Hauptbahnhof mit zehn Minuten Verspätung. Der Autopapst verlässt den Zug und macht sich auf den zehnminütigen Fußweg zur Uni.

„Das macht mir nichts, ich laufe gerne“, berichtet er, während er die Treppen hinabsteigt. In der Uni angekommen, geht es für den Bahn-Neuling endlich wieder um Autos – bis zum nächsten Ausflug in den ÖPNV-Dschungel am Feierabend.