Stockholm. Schweden testet die weltweit erste Straße mit Stromschiene für Lastwagen. Beteiligt sind der Staat und der Energieversorger Vattenfall.

Ungewöhnlich warm für die Jahreszeit ist es an diesem Nachmittag in Stockholm. Das schöne Wetter ist nicht der einzige Grund, weshalb auf der stark befahrenen Landstraße nördlich der schwedischen Hauptstadt so viel los ist. Studenten der technischen Hochschule sind gekommen, Batterieexperten vom japanischen Toshiba-Konzern, eine Delegation des chinesischen Transportministeriums wird noch erwartet. Und natürlich ist Gunnar Asplund da, der preisgekrönte Elektroingenieur, früher Forschungschef beim schweizerischen ABB-Konzern. Es ist seine Erfindung, die hier alle bestaunen, sie könnte das Transportwesen weltweit revolutionieren.

Asplund ist Ideengeber für die weltweit erste Teststrecke, auf der Elektro-Lastwagen über eine Stromschiene im Asphalt ihre Batterie während des Fahrens aufladen können. Auf der von schwer beladenen Lastwagen häufig genutzten Straße hat Asplund eine zwei Kilometer lange Elektroschiene in den Straßenasphalt ziehen lassen. Und er hat einen Lkw umgebaut, der nun ausschließlich mit Batterien fährt.

Tempo 80 kann der Lastwagen während des Ladens fahren

Der Lastwagen hat mittig auf der Unterseite einen mechanischen Arm, der über Sensoren und GPS-Ortung automatisch ausfährt, wenn der Lastwagen auf der Straßenspur mit der Stromschiene fährt. Ein magnetisches Anziehungssystem sorgt dafür, dass sich der flexible Arm beim Fahren mit unverminderter Geschwindigkeit direkt in die Rille der Stromschiene einklinkt, um Aufladestrom in die Lkw-Antriebsbatterie zu übertragen. Der Fahrer muss dafür nicht extra steuern.

Der Arm ist flexibel genug, um die Stromschiene zu erreichen, solange der Lkw in der Spur bleibt. Etwa Tempo 80 kann der Lastwagen während des Ladens fahren. Wechselt der Lkw die Spur, um ein anderes Fahrzeug zu überholen, zieht der Arm sich automatisch ein. Zurück auf der Aufladespur, klinkt er sich dann wieder ein.

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    Auch Pkw könnten ihre Batterie über die Schiene laden

    Asplund hat seine Idee mit dem Namen „eRoad Arlanda“ vor allem mit Geld des Staates, aber auch mit Unterstützung des Baukonzerns NCC, des Energieversorgers Vattenfall und anderer schwedischer Unternehmen verwirklicht. Denn während die Umstellung auf Elektro-Pkws weltweit im Gange ist, gilt das für schwer beladene Lastwagen, die weit fahren müssen, bislang als technisch nicht umsetzbar. „Alleine das Gewicht der vielen Strombatterien, die Lkws tragen müssten, um mit schweren Gütern zumindest eine gewisse Reichweite zu erlangen, macht das unmöglich“, erklärt Asplund. Würde man nur auf den allerwichtigsten Autobahnen in Schweden oder in Deutschland Stromschienen verlegen, könnten die meisten Lkw schon mit kleineren Batterien fahren und diese immer wieder aufladen, sagt der Erfinder.

    „In Schweden reicht es schon aus, die Straßenverbindungen zwischen den drei größten Städten, Stockholm, Göteborg und Malmö, mit Stromschienen auszustatten, um den Großteil der Lkw-Flotte Schwedens auf Strom umzustellen. Im Bau sind sie relativ preiswert“, erklärt Asplund. In Deutschland lohne es sich wegen der sehr viel höheren Bevölkerungs- und entsprechenden Gütertransportdichte noch mehr, unterstreicht er.

    Konduktive Stromschienen sollen letztlich billiger sein

    Straßenbauer bei der Arbeit an den Stromschienen in Schweden.
    Straßenbauer bei der Arbeit an den Stromschienen in Schweden. © eRoadArlanda | eRoadArlanda

    Das Aufladen per Schiene funktioniere zudem bei jedem Wetter, bei Regen und Schnee. Die Schiene reinigt sich durch die Benutzung selbst und ist so schmal, dass auch Radfahrer darin nicht stecken bleiben. Zudem ist sie so abgesichert, dass Passanten keinen Stromschlag bekommen können. „Und konduktive Stromschienen sind letztlich billiger, als überall Ladestationen zu errichten“, hat Asplund ausgerechnet.

    Seit Kurzem testet er auf seiner Stromstraße neben einem Lkw auch ein Elektroauto mit ausfahrbarem Stromarm. Er will zeigen, dass auch Elektroautos, kleinere Lastfahrzeuge und Busse Stromschienen nutzen könnten.

    Schweden könnte mit erstem Ausbau von Stromstraßen beginnen

    Schwedens Regierung unterstützt das Projekt maßgeblich. Sie hat sich das Ziel gesetzt, den Straßenverkehr bis zum Jahr 2030 fossilfrei zu machen. Schwere Fahrzeuge wie Lastwagen stehen derzeit für ein Drittel des CO2-Ausstoßes im schwedischen Straßenverkehr, Pkws für zwei Drittel. „Wenn wir das erste fossilfreie Wohlfahrtsland der Welt werden wollen, müssen wir schon jetzt Demoanlagen haben und demnächst auch Pilotanlagen für Stromstraßen“, kündigte Schwedens sozialdemokratischer Infrastrukturminister Tomas Eneroth an. Er sei „relativ optimistisch“, dass Schweden mit dem ersten Ausbau von Stromstraßen tatsächlich bald beginne.

    Nur müssen auch die Hersteller mitspielen. „Die haben Jahrzehnte auf Lkws mit Verbrennungsmotoren gesetzt. Der Widerstand bei den Herstellern, sich auf Stromlastwagen einzulassen, ist derzeit leider noch sehr groß, haben wir festgestellt“, sagt Stefan Hörnfeldt, Produktionschef für Infrastruktur beim Baukonzern NCC und Mitbetreuer der Stromstraße. Fraglich, wie schnell nun E-Modelle auf den Markt kommen werden.