Hamburg. Piloten kämpfen bundesweit für bessere Arbeitsbedingungen. Abflüge in Fuhlsbüttel sind betroffen. Die Rechte der Passagiere.

Ryanair leidet derzeit unter der schlimmsten Streikwelle in der Geschichte der Fluggesellschaft. Europas größter Billigflieger verhandelt seit Monaten erstmals mit Gewerkschaften für Piloten und Kabinenbeschäftigten in mehreren Ländern über Tarifverträge, in Deutschland mit der Vereinigung Cockpit (VC) und der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Doch die Gespräche verlaufen zäh. Am heutigen Mittwoch erhöht das fliegende Personal in Deutschland mit einem erneuten Streik von 24 Stunden Dauer den Druck auf die Geschäftsleitung in Dublin. 150 von 400 Flügen fallen aus.

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Ist auch Hamburg von dem neuen Streik betroffen?

Am heutigen Mittwoch stehen nach Angaben des Flughafens Hamburg 14 Starts und 14 Landungen von Ryanair auf dem Plan. Einer Flughafensprecherin zufolge wurden zwei Abflüge gestrichen: Nach London-Stansted um 6:40 Uhr und nach Bergamo um 10:50 Uhr. Allerdings sind in Hamburg zwei Ryanair-Jets stationiert. Es kann somit immer noch zu weiteren Absagen kommen. Wie Kenny Jacobs, Marketingchef des Billigfliegers, am Dienstag sagte, sind alle von Flugstreichungen betroffenen Passagiere am Dienstagnachmittag per E-Mail oder SMS benachrichtigt worden. Man habe ihnen eine Rückerstattung des Ticketpreises, eine kostenlose Umbuchung auf einen Flug an einem der nächsten Tage oder einen Alternativflug angeboten. Alle Passagiere, die keine Mitteilung erhalten hätten, seien nicht von dem Streik betroffen.

Wie stark ist Ryanair an deutschen Flughäfen vertreten?

Der irische Billigflieger Ryanair hat nach eigenen Angaben 42 Flugzeuge an elf Basen in Deutschland stationiert. Das macht ungefähr ein Zehntel der Flotte von Ryanair aus. Rund 400 Kapitäne und Co-Piloten des Unternehmens sind in Deutschland stationiert. Nach Einschätzung der VC ist aber etwa ein Drittel des Cockpit-Personals nicht direkt bei Ryanair angestellt und kann daher nicht mitstreiken. Der Billigflieger hat außerdem rund 1000 Flugbegleiter in Deutschland – nach Angaben von Ver.di sind darunter 700 Leiharbeitnehmer.

Was unterscheidet den heutigen Streik von dem vorherigen?

Am 10. August, einem Freitag, hatten die deutschen Piloten gemeinsam mit Kollegen aus den Niederlanden, Belgien und Schweden die Arbeit niedergelegt. Die Airline hatte in der Folge rund 400 Verbindungen abgesagt, rund ein Sechstel des für diesen Tag geplanten Europa-Programms. Betroffen waren europaweit rund 55.000 Passagiere.

Das Dauerchaos bei Ryanair muss beendet werden

In Deutschland fielen 250 Flüge aus. In Hamburg waren es sechs Starts und sechs Landungen, die Hansestadt war damit weniger stark betroffen als andere deutsche Flughäfen. Ein Drittel der Flüge in Deutschland konnte damals stattfinden, weil die Maschinen aus dem nicht bestreikten europäischen Ausland gekommen waren.

Welche Rechte haben die von einem Streik betroffenen Passagiere?

Auf die von Ryanair angebotene Umbuchung haben Passagiere laut Fluggastrechte-Verordnung der EU einen Anspruch. Darüber hinausgehenden Schadenersatz von bis zu 600 Euro lehnt Ryanair allerdings ab und lässt es in dieser Frage auf einen Prozess mit dem Flugrechteportal AirHelp ankommen. Der Billigflieger beruft sich darauf, dass ein Streik als „außergewöhnlicher Umstand“ gilt. Der Reiserechtsexperte Paul Degott aus Hannover leitet jedoch aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Az.: C-195/17) im April ab, dass Entschädigungszahlungen auch bei regulären Streiks möglich sind – wenn es den Streikenden nicht nur um die Bezahlung, sondern um Arbeitskonditionen insgesamt geht. Der Jurist rät, vorsorglich eine Entschädigung zu fordern.

Worum geht es im Tarifstreit mit den Piloten des Billigfliegers?

Die Pilotengewerkschaft VC will bei Ryanair erstmals ein System aus Vergütungs- und Manteltarifvertrag mit verbesserten Konditionen etablieren und zieht zum Vergleich Konkurrenten wie beispielsweise Tuifly heran. Zwischenzeitlich hat Ryanair mit den nationalen Pilotengewerkschaften in Italien und Irland separate Abschlüsse getroffen, die aber der VC offenkundig nicht ausreichen. Ryanair verweist dagegen unter anderem hohe Endgehälter ihrer Kapitäne und Copiloten, die über dem Niveau von Eurowings oder Norwegian lägen. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben keine Vereinbarungen treffen, die das Niedrigkostenkonzept infrage stellen. Die Parteien konnten sich auch nicht auf einen Schlichter einigen, wie es Ryanair zur Konfliktlösung vorgeschlagen hatte.

Was fordern die Flugbegleiter?

Ver.di will „eine substanzielle Entgeltsteigerung“ erreichen. Ein bislang vorliegendes Angebot von Ryanair nannte die Gewerkschaft indiskutabel. „Es sieht für die Jahre 2018 und 2021 keine Erhöhungen vor, für 2019 die Umwandlung einer bestehenden Leistungsprämie sowie eine Erhöhung pro Flugstunde um lediglich 50 Cent und eine Erhöhung der Entgelte in 2020 um 41 Euro pro Monat“, heißt es in der Mitteilung. Ver.di will auch gegen Befristungen, Leiharbeit und kurzfristige Versetzungen angehen. Nach Angaben der Gewerkschaft haben alle Kabinenbeschäftigten irische Arbeitsverträge. Diese sicherten zum Beispiel keine Entgelt-fortzahlung bei Krankheit ab.

Drohen weitere Streiks?

„Das ist ein erster Warnstreik. Wie es weitergeht, hängt vom Verhandlungsverlauf ab“, sagte Ver.di-Vorstandsmitglied Christine Behle. Aus Sicht der VC ist die Ryanair-Geschäftsleitung im Hinblick auf die Forderungen der Piloten in Deutschland „offenbar weiterhin nicht einmal ansatzweise an einer Lösung interessiert.“ Der Billigflieger kontert die gemeinsamen Crew-Streiks mit Drohungen: Gerade an kleineren Standorten würden fortgesetzte Arbeitskämpfe zu Verlusten führen, die Ryanair nicht tragen könne, hieß es. In ihrem Heimatland Irland hatte die Gesellschaft mit dem Abzug von Jets nach Polen gedroht.