Hamburg. Immer mehr Lebensmittelhändler, Einkaufszentren und Baumärkte installieren Ladesäulen. Fast 800 sind es in Hamburg.
Gemessen an der Anzahl der mit Ladesäulen ausgestatten Filialen in Hamburg dürfte die Supermarktkette Rewe zur Spitzengruppe gehören: 16 Standorte unter anderem in Winterhude und in Rahlstedt bieten Stromtankstellen auf dem Kundenparkplatz. „Die Elektromobilität ist ein Zukunftsthema, und beim Ausbau der Infrastruktur möchte der Handel gerne seinen Beitrag leisten“, sagt Daniela Beckmann, Sprecherin der Rewe Region Nord.
Kaufland hat Ende 2017 an der Filiale in Wandsbek eine E-Ladestation in Betrieb genommen. „Dank einer Ladeleistung von 50 Kilowatt können Kunden ihre Elektroautos in 45 Minuten bis zu 80 Prozent aufladen“, heißt es von dem Unternehmen, wobei der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stamme. Mit bundesweit 70 so ausgestatteten Filialen sieht sich Kaufland als Vorreiter in der Branche. Bis Anfang 2019 sollen schon rund 100 Schnellladestationen eingerichtet sein.
„Damit gestalten wir die Energiewende aktiv mit“, sagt Jörg Dahlke, Leiter Bau International bei Kaufland. Dieses Engagement werde vom Bundesministerium mit bis zu 40 Prozent des Investitionsbetrags gefördert. Die Neckarsulmer Lebensmittelmarktkette verweist zur Begründung des Ausbauprogramms zudem darauf, dass sich in den zurückliegenden zehn Jahren die Anzahl der Elektroautos in Deutschland um das 20-Fache erhöht hat.
Mindestens drei Steckersysteme in Deutschland
Unter den Einzelhändlern, die bisher in größerem Umfang Ladepunkte für ihre Kunden errichtet haben, ist auch der Discounter Aldi Süd. Er begann schon 2015 damit und hat bislang mehr als 50 Filialen in und rund um Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Mülheim an der Ruhr, München und Stuttgart damit ausgerüstet. In diesem Jahr kommen nach Angaben von Aldi Süd 28 weitere Elektrotankstellen an Standorten in Autobahnnähe hinzu. „Die Praxis-Reichweite von Elektroautos liegt aktuell bei gut 200 Kilometern“, erklärt das Mülheimer Unternehmen diese neue Zielrichtung. „Elektrofahrer sind daher auf E-Tankstellen entlang der Reiseroute angewiesen.“
Aldi Nord hingegen – zu diesem Unternehmen gehören die Aldi-Filialen in Hamburg – „verfügt derzeit über keine Ladestationen für Elektronik-Fahrzeuge“, wie die Firmensprecherin Anna Steinweger sagt. Sie begründet die strikte Zurückhaltung nicht zuletzt damit, „dass es aktuell noch kein einheitliches Ladesystem gibt und wir unseren Kunden gerne eine einheitliche Lösung anbieten wollen.“ Tatsächlich sind in Deutschland mindestens drei verschiedene Steckersysteme relativ weit im Markt verbreitet.
Wie bei Aldi gibt es auch bei Edeka keine einheitliche Strategie, was die Errichtung von Ladesäulen angeht. Während die in weiten Teilen Niedersachsens aktive Regionalgesellschaft Edeka Minden-Hannover sich das Ziel gesetzt hatte, bis Ende vorigen Jahres 240 Stromtankstellen zu betreiben, verweist die in auch in Hamburg tätige Edeka Handelsgesellschaft Nord auf ihre genossenschaftliche Struktur: Die angeschlossenen Kaufleute agierten selbstständig, daher könne man „keine allgemeine Aussage treffen“. Die Regionalgesellschaft beobachte „die technische Entwicklung in der Automobilindustrie und der Ladetechnik sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen“ und werde dies „in der weiteren Vorgehensweise berücksichtigen“.
Für Betreiber bisher kein Gewinngeschäft
Zweifellos ist die Verbreitung von Elektroautos in Deutschland bisher weit hinter den ehrgeizigen Zielmarken der Politik zurückgeblieben. Aus Umfragen ergibt sich, dass die angebliche Knappheit allgemein zugänglicher Ladesäulen sehr viele Verbraucher vom Kauf eines strombetriebenen Pkw abhält. Für Hamburg jedoch dürfte das nicht gelten. „Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur ist Hamburg mit fast 800 öffentlich zugänglichen Ladepunkten aktuell Spitzenreiter unter den deutschen Städten“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
„Führt man sich vor Augen, dass für Hamburg Anfang des Jahres gerade einmal 2500 E-Autos und Hybride beim Kraftfahrtbundesamt gemeldet waren, wird allerdings klar, dass es für die Ladesäulenbetreiber bisher kein Gewinngeschäft ist“, so Kapferer. An Säulen, die mehrere Tausend Euro kosteten, fänden teilweise nicht einmal drei Ladevorgänge am Tag statt.
„Unsere Station wird noch wenig genutzt, obwohl der Strom für die Kunden kostenlos ist“, beobachtet auch Baumarkt-Chef Leusch. Das ist nicht erstaunlich, da sich in Hamburg ja gerade einmal drei Autos mit Elektroantrieb eine öffentliche Ladesäule teilen müssen. Experten zufolge dürften es durchaus auch zwölf Fahrzeuge sein. Im nächsten Jahrzehnt wird es aber voraussichtlich doch zu einem erheblichen Zubau an Ladeinfrastruktur kommen müssen, denn verschiedenen Prognosen zufolge klettert bis 2030 der Bestand an E-Autos in Hamburg auf 100.000 Stück. Der Einzelhandel werde dabei keine Hauptrolle spielen können, heißt es von Rewe, denn schließlich sei „Stromversorgung keine originäre Angelegenheit unserer Branche“.
Kostenlos tanken – für 99,7 Prozent der Hamburger Autofahrer ist das schwer vorstellbar. Doch wer einen Elektro-Pkw oder ein über das Stromnetz aufladbares Fahrzeug mit Hybridantrieb nutzt, findet immer häufiger die Gelegenheit dazu: Zum Beispiel in den Parkhäusern der drei Hamburger Ikea-Möbelhäuser, des Eidelstedt-Einkaufscenters und des AEZ, an etlichen Rewe-Supermärkten oder bei Kaufland in Wandsbek sowie auf den Kundenparkplätzen mehrerer Baumärkte. An mindestens 30 derartigen Standorten in der Stadt können Fahrer von E-Autos während der Öffnungszeiten die Batterie laden, ohne dafür zahlen zu müssen.
„Unsere Ladestation gibt es schon seit etwa zwei Jahren, wir waren damit einer der Ersten im Hamburger Einzelhandel“, sagt Jan-Michael Leusch, Geschäftsführer des kwp Baumarkts in Sasel. Leusch bezeichnet sich als „Überzeugungstäter“: Beide Firmenfahrzeuge des im Jahr 1919 gegründeten Familienbetriebs haben Elektroantrieb. Der Baumarkt wird mit Strom aus norwegischer Wasserkraft versorgt, der auch die Ladestation speist. „E-Auto-Fahrer tanken hier CO2-neutral“, sagt Leusch – und sie sparen die rund fünf Euro, die sie sonst ausgeben müssten, um etwa einen BMW i3 für 100 Kilometer Fahrstrecke zu laden.