Berlin. Klimaanlagen sorgen derzeit für einen besonders hohen Strombedarf. Doch die Versorger müssen die Produktion nun teilweise drosseln.

Heiße Tage, tropische Nächte: In Büros, Hotelzimmern und zunehmend auch Privatwohnungen laufen Klimaanlagen zurzeit auf Hochtouren. Auch Kühlschränke und Gefriertruhen haben in diesem rekordverdächtigen Sommer deutlich mehr zu tun. Die Versorger können die Auswirkungen der Hitzewelle in Zahlen fassen: Der Stromverbrauch lag an den vergangenen sieben Tagen gut sechs Prozent über den durchschnittlichen Werten der vergangenen beiden Jahre. Der tägliche Verbrauch liegt derzeit bei 1,36 Milliarden Kilowattstunden, hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) errechnet.

Steigende Strompreise erwarten Experten der Denkfabrik Agora Energiewende deshalb nicht. Auch ist die Stormversorgung nicht gefährdet, betont das Bundeswirtschaftsministerium. Die Kraftwerke in Deutschland exportieren nach aktuellen Marktdaten fast ununterbrochen in die Nachbarländer. Dennoch bekommt die Energiebranche die Hitze zu spüren.

Eine anhaltende Flaute lähmt die Windräder, Steinkohle- und Atomkraftwerken fehlt Kühlwasser – und für Solarzellen ist es zu heiß. Ausgerechnet die Braunkohle, die als besonders klimaschädlich gilt, hat dagegen Hochkonjunktur. So steht es um die Stormversorgung:

Solarenergie

Eine Solaranlage in Bayern.
Eine Solaranlage in Bayern. © imago/Westend61 | Michael Malorny

Die Sonne scheint aktuell bis zu 15 Stunden am Tag. Also beste Bedingungen für die Solarzellen, die auf Dächern oder Feldern die Strahlen der Sonne einfangen. Oder doch nicht? Unter optimalen Bedingungen können alle in Deutschland aufgebauten Photovoltaikanlagen zusammen eine Leistung von rund 44 Gigawatt liefern. Das entspricht etwa zwei Drittel des Bedarfs. Abhängig von der Tageszeit schwankte der Verbrauch an den vergangenen Tagen zwischen 52 Gigawatt nachts und 72 Gigawatt zur Mittagszeit.

Tatsächlich speisten die Solaranlagen zuletzt gegen Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht, aber nur 24 bis 27 Gigawatt ins Stromnetz ein. Das liegt an der Hitze. Mit steigender Temperatur sinkt der Wirkungsgrad der Anlagen. Bessere Werte erzielen sie meist im kühleren Frühjahr.

Wegen des anhaltend sonnigen Wetters verbuchten Photovoltaikanlagen dennoch ihren neuesten Monatsrekord in diesem Juli: Mit 6,17 Milliarden Kilowattstunden lieferten sie so viel Strom wie nie zuvor, hat das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien errechnet.

Windkraft
Nahezu Flaute über der Ostsee, nur eine leichte Brise über der Nordsee – und an Land weht der Wind auch nirgends wirklich kräftig. So stellte sich die Lage am Freitag dar. Die Windenergie, die normalerweise für fast ein Sechstel der deutschen Stromproduktion steht, ist fast zum Erliegen gekommen. Gestern speisten die Windkraftwerke in Nord- und Ostsee, die eigentlich als Rückgrat der Energiewende gelten, so gut wie gar nichts ins Stromnetz ein.

An Land sah es ähnlich mau aus. „Bei diesen Wetterlagen kommt der Wind praktisch zum Erliegen und damit auch die Stromproduktion aus diesen Anlagen“, erklärt der Branchenverband BDEW. Am Mittag kamen alle Windräder in Deutschland zusammen gerade einmal auf eine Leistung von einem Gigawatt.

Biogas-Anlagen

Eine Biogasanlage in Schleswig-Holstein.
Eine Biogasanlage in Schleswig-Holstein. © Reimer Rechtsanwälte | PR

Mais und Gras, Biomüll, Gülle und Mist – daraus entsteht Biogas, mit dem Blockheizkraftwerke Strom und Wärme produzieren. Die Betreiber der 9500 Anlagen in Deutschland stehen wegen der Dürre vielerorts vor Schwierigkeiten. „Wenn – wie befürchtet – die Trockenheit anhält, bekommen Anlagen auf Basis von Grünland massive Probleme“, sagt Stefan Rauh, Geschäftsführer des Fachverbands Biogas. Schon jetzt sei eine „extrem unbefriedigende“ Ernte von Acker- und Wiesengras spürbar. Beim Mais erwartet der Verband Einbußen von bis zu 50 Prozent. Der Ernteausfall könnte mit einer Drosselung der Anlagen kompensiert werden. „Klar ist aber auch, dass eine Drosselung mit massiven wirtschaftlichen Einbußen verbunden ist“, sagt Rauh.

Steinkohle und Atomkraftwerke
Die Hitze setzt beiden Kraftwerkstypen zu: Sie benötigen Wasser zur Kühlung. Das wird teilweise knapp – oder zu warm. Steigen die Temperaturen in den Gewässern laut BDEW über eine gewisse Schwelle, können die Wasserbehörden eine Drosselung der Kraftwerke verfügen. Das geschieht etwa zum Schutz der Fische. Die Sicherheit der Kraftwerke sei dadurch in keiner Weise beeinträchtigt, sagte eine Sprecherin des Betreibers Preussen-Elektra.

Die Folgen sind unterschiedlich: Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein muss die Leistung täglich ein bis zwei Stunden um zwei Prozent senken. Anders im Süden: Der Versorger EnBW drosselt das AKW Philippsburg in Baden-Württemberg um zehn Prozent, damit sich der Rhein nicht zu stark erwärmt. In Karlsruhe hat EnBW einen Block eines Steinkohle-Kraftwerks abgestellt. Und das RWE-Kohlekraftwerk im nordrhein-westfälischen Hamm war am Wochenende zwischenzeitlich abgeschaltet – wegen niedriger Wasserstände gab es bei der Kohleversorgung einen Engpass.

Braunkohle-Kraftwerke
„Es sind keine Leistungseinschränkungen zu erwarten.“ Die Ansage des Bundesverbands Braunkohle ist eindeutig. Die Stromerzeugung mit Braunkohle ist heftig umstritten, der Abbau zerstört ganze Landstriche, die Klimabilanz ist die schlechteste aller Energieträger. Doch der Braunkohle schadet die Hitze kaum. Im Tagebau in der Lausitz, Mitteldeutschland und im rheinischen Braunkohlerevier gewonnen, wird sie in nahe gelegenen Kraftwerken verbrannt. Gekühlt wird mit Grubenwasser. Die Nachfrage nach Braunkohle-Strom sei für Sommerverhältnisse „sehr groß“, sagt der Verband. In der Tat: An den vergangenen Tagen lag der Anteil von Braunkohle-Strom nach Daten der Netzbetreiber bei rund 25 Prozent und damit leicht über dem Durchschnittswert des gesamten ersten Halbjahres von 22,5 Prozent.