Hamburg. Hamburger Verbraucherzentrale findet im ersten Halbjahr bei 42 Produkten versteckte Preiserhöhungen
Wenn man für Armin Valet die Beschreibung „akribisch“ wählt, liegt man nicht falsch. Seit Jahren beschäftigt der Hamburger Verbraucherschützer sich mit den Tricks von Lebensmittelherstellern. Dabei hat der 52-Jährige vor allem die versteckten Preiserhöhungen im Blick. Egal, ob es um Salzbrezeln geht, Pommes-Sauce oder Joghurt – detektivisch spürt er sogenannte Mogelpackungen auf. Und scheut sich nicht, diese regelmäßig öffentlich anzuprangern. So weit, so bekannt. Jetzt aber schlägt Valet laut Alarm. „Das Dauerärgernis ,weniger drin – Preis gleich‘ hat einen neuen Höhepunkt erreicht“, sagt Valet. Auch dank Verbraucherhinweisen seien im ersten Halbjahr 2018 so viele Mogelpackungen wie nie gemeldet worden.
Zwischen Januar und Juni erfasste die Verbraucherzentrale insgesamt 31 Lebensmittel, bei denen Hersteller und Händler durch die Reduzierung der Füllmenge den Preis versteckt erhöht haben. Das sind 51 Prozent mehr als der Durchschnittswert der vergangenen sieben Jahre. Zusätzlich wurden noch elf weitere Produkte aus dem Non-Food-Bereich gemeldet, meist Drogerieartikel. „Täglich erreichen uns Beschwerden, doch die Politik lässt die Verbraucher seit Jahren im Stich“, so der studierte Lebensmittelchemiker. Seit 2005 führt die Hamburger Verbraucherzentrale als Kompetenzzentrum für den Bereich eine bundesweit einzigartige Mogelpackungsliste.
Nach Valets Recherchen lag der durchschnittliche Preisanstieg der bislang in diesem Jahr gemeldeten Lebensmittel bei mehr als 20 Prozent. Fast immer waren namhafte Markenprodukte betroffen. So füllt etwa der Nahrungsmittelkonzern Nestlé weniger Inhalt in die Smarties-Riesenrolle oder in den Rolo-4er-Pack. Die Deutsche Milchkontor GmbH verkauft seit März 2018 weniger Käse in einigen Sorte der Marke Milram. Das Unternehmen The Lorenz Bahlsen Snack-World verteuert laut Valet immer im Frühjahr mindestens ein Produkt aus dem Sortiment. In diesem Jahr sind es die Saltletts Brezel. Auf den ersten Blick unterscheidet die rote Tüte nichts von dem Vorgängermodell. Aber statt wie bislang 225 Gramm sind seit drei Monaten nur noch 200 Gramm enthalten. Das entspricht bei einem Preis von 1,69 Euro einer Erhöhung von 12,5 Prozent.
In der Stellungnahme des Herstellers, die die Verbraucherzentrale auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat, argumentiert Lorenz Bahlsen Snack-World mit anhaltenden Preissteigerungen bei den Roh- und Packstoffen, die das mittelständische Familienunternehmen nicht länger vollständig auffangen könne. Zudem wird auf die Grundpreise je 100 Gramm hingewiesen, die am Regal ausgewiesen würden. „Damit können Verbraucher in Deutschland die Preise ähnlicher Produkte direkt vergleichen.“
Aus Sicht von Valet eine äußerst fadenscheinige Reaktion. „Die Anbieter müssen fairer mit ihren Kunden umgehen“, sagt der Experte, der sich als Anwalt der Verbraucher sieht und sich immer wieder mit den Konzernen anlegt. Wenn die Produktion eines Lebensmittels teurer oder aufwendiger werde, dürfe nicht klammheimlich die Menge verringert werden. Seit Jahren fordert die Verbraucherzentrale eine Transparenzplattform, auf der Unternehmen geänderte Füllmengen verbindlich veröffentlichen müssen. „So käme das ganze Ausmaß der Tricksereien endlich ans Licht“, so Valet. Er befürchtet, dass die Mogelpackungsliste nur die Spitze des Eisbergs darstelle.
Ein weiteres Ärgernis sind für Valet Preisanstiege, die sich aus veränderten Rezepturen ergeben, etwa wenn ein Nahrungsmittel weniger Zucker oder Fett enthält. Als Beispiele nennt der Verbraucherschützer die Pommes-Sauce der Unilever-Marke Knorr, bei der der verringerte Fettgehalt mit einem Preisaufschlag von mehr als zehn Prozent verbunden war. Auch das neue Produkt Fruitilicious von Haribo mit 30 Prozent weniger Zucker wird im 160-Gramm-Beutel verkauft. Im Vergleich zu den herkömmlichen 200-Gramm-Tüten des Herstellers ist das Fruchtgummi 25 Prozent teurer. „Die Politik muss diese Entwicklung stoppen“, sagt Valet. Das könne nicht im Sinn der eigentlich begrüßenswerten nationalen Strategie zur Reformulierung von Lebensmitteln sein.
Die Verbraucherzentrale Hamburg kürt regelmäßig eine Mogelpackung des Monats (Juni: Rolo-4er-Pack von Nestlé) und eine Mogelpackung des Jahres (2017: Vitalis Früchtemüsli von Dr. Oetker). Nähere Angaben sowie die Mogelpackungsliste gibt es auf www.vzhh.de. Dort kann man auch Mogelpackungen melden.