Hamburg. Beschäftigte der Reederei erfahren die konkrete Zahl erst auf Nachfrage bei Betriebsversammlung. Keine Kündigungen bis Ende 2019
Es war kurz nach 10 Uhr, als die Mitarbeiter in der Unternehmenszentrale von Hapag-Lloyd am Ballindamm auf einer Betriebsversammlung die Wahrheit über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze erfuhren: Exakt 159 von insgesamt 1200 Stellen wird die Traditionsreederei in ihrer Hamburger Verwaltung streichen. Darauf haben sich die Geschäftsleitung und der Betriebsrat verständigt, wie das Abendblatt aus Mitarbeiterkreisen erfuhr. Nicht so sehr die Zahl der betroffenen Stellen an sich hatte bei den Beschäftigten für Verärgerung gesorgt, sondern, dass sie erst auf Nachfrage bekannt gegeben wurde. Mit dem Arbeitsplatzabbau soll bis zum 31. Dezember 2019 begonnen werden. Bis dahin sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
Die Stellenstreichungen sind Teil eines sogenannten Umstrukturierungsprogramms namens „Headquarter Improvement“. Als Begründung für den Jobabbau nennt Hapag-Lloyd das rasche Wachstum durch die Zusammenschlüsse mit der chilenischen Compañía Sud Americana de Vapores (CSAV) und der United Arab Shipping Company (UASC). „Wir sind heute zweieinhalbmal so groß wie vor drei Jahren. Da wird es Zeit, sich die derzeitige Organisation anzuschauen und zu überprüfen, ob unsere Arbeitsabläufe noch passen“, sagte Unternehmenssprecher Nils Haupt. Im Jahr 2014 hatte Hapag-Lloyd weltweit 7000 Mitarbeiter. Heute sind es 12.500. Allein in Deutschland kamen im Zuge der Übernahmen jeweils rund 2000 Beschäftigte hinzu.
Haupt will die Zahl von 159 betroffenen Stellen nicht bestätigen. Dem Abendblatt sagte er lediglich: „Zur Höhe mache ich keine Angaben. Wir gehen aber davon aus, dass die Zahl der betroffenen Mitarbeiter sehr viel kleiner ist, da wir rund 100 offene Stellen haben, die nicht wiederbesetzt werden.“ Bei Hapag-Lloyd besteht seit einem Jahr ein Einstellungsstopp. Dennoch kommt das Abbauprogramm für viele Außenstehende überraschend.
So hatte der Vorstandsvorsitzende, Rolf Habben Jansen, bei der Übernahme der arabischen Reederei UASC im März 2017 zwar bekannt gegeben, dass zehn bis 15 Prozent der Stellen weltweit gestrichen werden müssen. Hamburg sollte davon aber nicht betroffen sein. Gleiches galt für den Jobabbau bei der Übernahme der chilenischen CSAV drei Jahre zuvor. Dem Vernehmen nach sollen sowohl die Chilenen als auch die Araber im Hapag-Lloyd-Aufsichtsrat darauf gedrängt haben, dass nicht nur in ihren Zentralen, sondern auch in Hamburg restrukturiert wird. CSAV hält derzeit 25,5 Prozent der Anteile an Hapag-Lloyd, Katar und Saudi-Arabien besitzen zusammen 24,7 Prozent.
Die Tatsache, dass die Stadt Hamburg über ihre Vermögensverwaltung fast 14 Prozent an der Reederei hält, macht den Stellenabbau besonders brisant. Hamburg war 2008 bei dem Unternehmen eingestiegen und hatte die Anteile 2012 nochmals erhöht. Ziel des Engagements war und ist es, den Unternehmenssitz in Hamburg und die Arbeitsplätze am Ballindamm zu halten. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) reagierte deshalb vor Kurzem zurückhaltend auf das Sparprogramm: „Wir sind uns sicher, dass das Unternehmen bei allen Überlegungen verantwortungsvoll auch im Sinne des hiesigen Standorts und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden wird“, sagte er, als die ersten Meldungen über die Restrukturierung kursierten. Ein weiterer großer Anteilseigner an der Reederei ist der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne – er hält 20,5 Prozent. Weitere 15,4 Prozent sind in Streubesitz.
Hapag-Lloyd hat 5,7 Milliarden Euro Schulden
Durch die Übernahmen der Konkurrenten CSAV und UASC ist Hapag-Lloyd stark gewachsen – man hat sich aber dafür auch erheblich verschuldet. Zwar ist es dem Unternehmen in den vergangenen Monaten gelungen, die Verbindlichkeiten durch eine Kapitalerhöhung und die Ablösung teurer Anleihen zu senken. Dennoch steht weiter eine Nettoverschuldung von umgerechnet 5,7 Milliarden Euro in den Büchern.
Wie das Abendblatt weiter erfuhr, soll es im Rahmen des Sparprogramms auch zur Verlagerung von Funktionen außerhalb von Hapag-Lloyd kommen. Der Betriebsrat hat aber durchgesetzt, dass die Arbeitsplätze nicht ins Ausland abwandern dürfen, sondern maximal in einem Umkreis von 50 Kilometern um Hamburg angesiedelt sein müssen, damit den Mitarbeitern keine Umzüge zugemutet werden. Die Betriebsratsvorsitzende Sabine Nieswand war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Eine Mitarbeiterin der Betriebsrätin verwies das Abendblatt lediglich an den Unternehmenssprecher.
Auskunftsfreudiger war hingegen die Opposition in der Bürgerschaft. „Die Stellenstreichungen bei Hapag-Lloyd treffen den maritimen Standort Hamburg hart. Offenkundig haben die Fusionen der letzten Jahre nicht dazu geführt, dass die Arbeitsplätze bei Hapag-Lloyd sicherer geworden sind“, sagte Michael Kruse, der Fraktionsvorsitzende der FDP, dem Abendblatt. Der rot-grüne Senat werde erklären müssen, warum trotz mehr als einer Milliarde Euro an öffentlichen Mitteln für Hapag-Lloyd nun ein derart großer Stellenabbau in Hamburg erforderlich ist. „Wir werden dieses Thema für den Ausschuss öffentliche Unternehmen anmelden“, sagte Kruse weiter.
Auch bei der Hamburger Konkurrenz regiert im Zuge der Schifffahrtskrise der Rotstift. Bereits Ende 2017 hatte Hamburg Süd Stellenstreichungen angekündigt. Wegen der Übernahme durch den dänischen Wettbewerber Maersk musste Hamburg Süd seitdem 131 von 1000 Stellen abbauen.