Berlin. Die Billigflugtochter der Lufthansa will die Air-Berlin-Lücke schließen. Doch Eurowings fehlen Flugzeuge. Und die Passagiere leiden.

Erst wird der Flug im Halbstundentakt immer weiter verschoben, dann ganz gestrichen – viele Passagiere von Eurowings haben das in den vergangenen Wochen erlebt. Umbuchen ist oft spät am Abend kaum möglich, die Schlangen an den Schaltern sind lang, die Informationen teils dürftig. Manch erboster Kunde vergleicht die Lage beim Billigflieger der Lufthansa gar mit den letzten Monaten der inzwischen insolventen Fluggesellschaft Air Berlin.

Ganz so dramatisch ist es wohl nicht, doch richtig rund läuft es bei Eurowings auch nicht. Das Unternehmen kämpft mit einem Mix aus hausgemachten Schwierigkeiten und Einflüssen, die alle treffen und auch im Sommer noch für Probleme sorgen könnten.

Chef Thorsten Dirks wollte angreifen

Thorsten Dirks hat sich seinen Job sicher etwas anders vorgestellt, als er im Mai 2017 vom Chefposten bei Telefonica Deutschland zur Lufthansa wechselte. Expansion war seine Aufgabe, angreifen. Dirks redet auch gern davon, dass Eurowings eigentlich einem Internetunternehmen ähnelt – eine Plattform, die sich schnell erweitern lässt. Jetzt kümmert er sich allerdings verstärkt um Schadensbegrenzung.

Dabei wirken die Zahlen nicht so dramatisch, wie die Reaktionen vieler Reisender im Internet vermuten lassen: Insgesamt verzeichnete Eurowings von Januar bis Mai 113.439 Flüge, davon mussten 1578 gestrichen werden, wie das Unternehmen berichtete. Das entspricht einer Ausfallquote von 1,4 Prozent.

Fahrgastrechtler: Zahl der Ausfälle verzwölffacht

EU-Claims, eine der größten Firmen im Internet, die für Fluggäste Entschädigungen geltend machen, hat andere Zahlen. Danach strich Eurowings vom 1. Januar bis 17. Juni 2585 Flüge. Ein Jahr zuvor waren es demnach nur 214 Ausfälle. Die Zahl hat sich also verzwölffacht. Den EU-Claims-Zahlen zufolge verdoppelten sich die Ausfälle aller Fluggesellschaften im selben Zeitraum annähernd auf 15.343 Flüge. Besonders viele Eurowings-Flüge fielen demnach zwischen Berlin und Köln sowie zwischen Berlin und Stuttgart aus. Am meisten betroffene Flughäfen: Düsseldorf, Köln, Stuttgart, Hamburg und Tegel.

So teuer sind die Billigflieger wirklich

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    Ein Teil der Probleme bei Eurowings hat mit dem Flugplan für die 185 Maschinen zu tun. Zu ambitioniert nennt ihn ein Branchenexperte. Lufthansa hatte nach der Pleite von Air Berlin einen Großteil der ehemaligen Air-Berlin-Flotte übernommen und der Billigtochter Eurowings zugeordnet. Gleichzeitig erweiterte Eurowings das Angebot an Flügen – in der ersten Jahreshälfte hat es sich fast verdreifacht, um die Lücke, die durch Air Berlin entstanden ist, zu verkleinern. Und um zu verhindern, dass die aggressiven Billigflieger Ryanair und Easyjet zu sehr in Deutschland einsteigen. Immerhin waren für Air Berlin rund 140 Flugzeuge im Einsatz. Eurowings mietete Flugzeuge und Crews anderer Anbieter dazu.

    Die Freigabe neuer Maschinen verzögert sich derzeit

    Insgesamt 77 ehemalige Air-Berlin-Flieger sicherte sich Lufthansa, die jetzt bei Eurowings eingegliedert werden müssen – und für jeden ist eine Freigabe des Luftfahrtbundesamtes nötig. Bei der Freigabe sei es zu Verzögerungen gekommen, berichtet Eurowings. Gleichzeitig kann das Unternehmen nicht auf die Flugzeuge von Laudamotion zugreifen, einer anderen Firma, die aus den Resten von Air Berlin gestartet ist – Konkurrent Ryanair übernimmt die Österreicher. Eurowings fehlen also Maschinen, um den Flugplan wie vorgesehen zu fliegen.

    Die Lufthansa-Tochter hat deshalb „bereits Reservekapazitäten und Puffer erhöht, Bodenzeiten verlängert und Blockzeiten angepasst“. Das bedeutet: Das Flugangebot wird verkleinert, um auf den restlichen Strecken weniger Probleme zu haben. Ende Juli sollen dann alle Flieger zertifiziert sein und der Betrieb reibungsloser laufen.

    Unwetter bremsen Flugzeuge aus

    Aber nicht für alle Probleme ist Eurowings verantwortlich, allenfalls für den Umgang damit. Denn im ersten Halbjahr 2018 gab es zahlreiche Unwetter mit Blitzschlägen und Hagel. Allein fünf Maschinen von Eurowings mussten in einem Fall am Boden bleiben – mit entsprechend dramatischen Folgen für den Flugablauf. Denn eine Maschine, die in Düsseldorf nicht nach Berlin starten darf, fehlt dann in der Hauptstadt etwa für den Weiterflug nach Stuttgart, wo sie ebenfalls eine Lücke lässt.

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      Und dann sind da noch die Streiks der Fluglotsen in Frankreich, die die gesamte Branche treffen und für die kommende Urlaubszeit nichts Gutes erahnen lassen. Der Flugbetrieb, vor allem bei Billigfliegern, ist eng getaktet. Die Maschinen sollen möglichst fliegen, die Standzeiten an Flughäfen sind kurz.

      Streiks bei Fluglotsen belastet zusätzlich

      Und die Maschinen fliegen oft nicht nur zwischen zwei Städten hin und her, sondern zum Beispiel von Berlin nach Mallorca, dann nach Hamburg, weiter nach Stuttgart und von dort wieder nach Berlin. Verzögert sich irgendwo ein Flug, etwa weil die Maschinen wegen eines Streiks der Fluglotsen nicht über Frankreich fliegen dürfen und Umwege machen müssen, hat das Folgen für alle anderen Flüge.

      Verschärft wird die Lage offenbar durch Personalmangel bei den Fluglotsen. Vergangene Woche wandte sich Ryanair, der größte Billigflieger Europas, an die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten und warnte vor einem Kollaps im Hochsommer, sollten die Regierungen nicht für vollbesetzte Tower besonders in Deutschland und Großbritannien sorgen.