Hamburg. Der städtische Versorger fordert strengere Gesetze zum Einsatz von nicht abbaubaren Chemikalien. Grenzwerte werden weiterhin klar unterschritten
Nahe der Kösterberg-straße in Blankenese wird schon seit fast 160 Jahren Grundwasser gefördert, gefiltert und dann in das Trinkwassernetz gespeist. Das zwischen dem Falkensteiner Weg und Schinckels Park gelegene Wasserwerk Baursberg hat zwölf Brunnen, die zwischen 100 und 320 Meter tief ins Erdreich gebohrt sind, und versorgt die Stadtteile Blankenese, Othmarschen sowie Teile von Schenefeld mit Trinkwasser und kann maximal 5,6 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr fördern. Auf der Internetseite des Wasserwerkbetreibers Hamburg Wasser steht gut sichtbar unter anderem, welchen Härtegrad und welchen pH-Wert das auf den Baursberg hochgepumpte Wasser hat. Wer noch tiefer in die Details vordringt, erfährt seit einigen Wochen zudem, welche sonstigen Stoffe, Chemikalien und Abbauprodukte im Blankeneser Wasser schwimmen.
„Alle Analyseergebnisse unseres hauseigenen Labors für jedes unserer Wasserwerke zu veröffentlichen ist für uns Teil der notwendigen Transparenz“, sagt Nathalie Leroy, Sprecherin der Geschäftsführung des städtischen Wasserversorgers und Abwasserentsorgers. Kaufmännische Geschäfts- führerin des Unternehmens ist sie bereits seit Jahren, seit Anfang 2018 ist sie nun zusätzlich auch dessen Gesicht und dessen Stimme. Die Transparenzoffensive gehört zu den ersten sichtbaren Neuerungen, die seitdem eingeführt wurden. Die hohe Qualität des Hamburger Trinkwassers zu erhalten und auf Gefahren aufmerksam zu machen ist Teil ihres Jobs, und es gibt Anlass zu warnen.
So hat das Unternehmenslabor im Wasser vom Baursberg zum Beispiel Süßstoffe nachgewiesen. Einer davon heißt Acesulfam-K „Das ist ein biologisch nicht abbaubarer Süßstoff“, sagt Leroy. Er wird etwa beim Backen und Kochen verwendet, kann in Fruchtsaft enthalten sein oder in Zahnpasta. Die Menge im Blankeneser Wasser, aber auch in dem aus anderen Hamburger Brunnen, ist verschwindend gering. In Blankenese sind es 0,12 millionstel Gramm pro Liter Wasser. Gefunden wird der Süßstoff nur deshalb, weil die Analysemethoden und -apparaturen mittlerweile so ausgereift sind. Vom Grenzwert sind die Spuren des Stoffs noch sehr weit entfernt. „Für Acesulfam-K liegt der Grenzwert bei neun Milligramm pro Tag. Um so viel aufzunehmen, müsste ein Mensch 64.000 Liter Wasser pro Tag trinken“, betont die gebürtige Französin.
Für sie ist das Thema immer auch ein Balanceakt. Sie muss einerseits auf Belastungen des Grundwassers und auch des Trinkwassers etwa mit Düngemitteln, Pestiziden, Herbiziden und Medikamentenrückständen aufmerksam machen, andererseits will sie keine übertriebenen Ängste schüren. In Hamburg ist das vergleichsweise einfach. Der Großteil der Brunnen führt Hunderte Meter hinab ins Erdreich, mächtige und fast wasserundurchlässige Schichten liegen darüber. Nur ein kleiner Teil des ins Hamburger Netz gespeisten Wassers stammt aus sogenannten Flachbrunnen, die 30 bis 100 Meter tief sind. „Zwar ist unser Grundwasser sehr gut geschützt, dennoch müssen wir alles daransetzen, Einträge von Spurenstoffen zu verhindern, damit sich diese nicht irgendwann in unserem Grundwasser anreichern“, sagt Ingo Hannemann, der zum Jahreswechsel den Posten des Technischen Geschäftsführers übernommen hat.
Nathalie Leroy hat da sehr konkrete Vorstellungen und keine Scheu, Veränderungen in Industrie und Landwirtschaft zu verlangen: „Wir fordern strengere Regeln für den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und mehr Fördermittel für die Erforschung biologisch abbaubarer Arzneistoffe.“ Medikamentenreste werden auch schon im Grund- und im Trinkwasser gefunden. Etwa vom biologisch nicht abbaubaren Schmerzmittelwirkstoff Diclofenac. Das ebenfalls schmerzstillende Ibuprofen sei dagegen zum größten Teil biologisch abbaubar, sagt Nathalie Leroy. Zur Verwendung von Mikroplastik etwa in Kosmetik hat sie eine unmissverständliche Meinung: Das sollte auch in Deutschland verboten werden.
28,8 Millionen Euro Gewinn fließen an den Finanzsenator
Das Geschäftsführer-Duo stellte bei der Jahrespressekonferenz des Unternehmens auch die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres vor. Demnach hat die Konzerntochter Hamburg Energie, der städtische Ökostrom- und Gasversorger, die Zahl seiner Kunden auf mehr als 130.000 gesteigert und mit 1,3 Millionen Euro (plus 30 Prozent) zum sechsten Mal in Folge einen Jahresgewinn eingefahren. Mittlerweile erzeuge Hamburg Energie zwei Drittel des verkauften Stroms selbst aus erneuerbaren Quellen, sagt Leroy.
Bei der Abwasserentsorgung machte das Unternehmen 332 Millionen Euro Umsatz und knapp 50 Millionen Euro Gewinn. Er wird in die Erneuerung und den Ausbau des Kanalnetzes investiert und für den Abbau von Schulden verwendet. Die Belieferung der Hamburger mit Trinkwasser dagegen – auch das zeigt der Geschäftsbericht – ist für die Stadt ein einträgliches Geschäft. 2017 wurden etwa 114 Millionen Kubikmeter verbraucht, ähnlich viel wie ein Jahr zuvor. „Der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt zwar etwas, aber die Zahl der Einwohner steigt“, so Leroy. Das Trinkwassergeschäft brachte 260 Millionen Euro Umsatz und 28,8 Millionen Euro Gewinn, also eine Umsatzrendite von gut elf Prozent. Ein Lebensmittelhändler ist glücklich, wenn ihm von 100 Euro Umsatz 2 Euro bleiben. Der Gewinn war auch deshalb etwas höher als 2016, weil der Wasser- und der Zählerpreis leicht angehoben wurden. Das nützt insbesondere Hamburgs Finanzsenator. Die 28,8 Millionen Euro Gewinn fließen direkt in seine Kassen.