Hamburg. Misstrauensantrag und Rücktrittsforderungen gegen Tobias Bergmann aus eigenen Reihen. Und die Steuerprüfung war auch noch im Haus

    Es muss eine denkwürdige Sitzung gewesen sein, zu der sich das Wahlbündnis „Die Kammer sind Wir!“ Anfang Mai traf. Eigentlich konnten die Mitglieder zufrieden sein. Immerhin hat man 2017 die Wahlen zum Plenum der Handelskammer klar gewonnen und kann die Institution nun nach den eigenen Vorstellungen umgestalten. Doch was als Aussprache über die bisherige Arbeit des Kammer-Präsidiums begann, endete als Demontage des eigenen Chefs: Der Anführer der Wir-Gruppe und Präses der Handelskammer, Tobias Bergmann, musste sich einer Misstrauensabstimmung stellen.

    Zuvor hatte das Präsidium annähernd zwei Stunden über die Causa Bergmann beraten – ohne Ergebnis. So wurden die Mitglieder des Bündnisses dazu aufgerufen, über die Zukunft ihres Chefs zu entscheiden. 19 stimmten für Bergmann zehn gegen ihn, fünf enthielten sich. Nur 19 von 34 Anwesenden hatten sich damit klar hinter Bergmann gestellt. Seine Kritiker sahen sich in ihren Zweifeln bestätigt. Er selbst hält sich – durch die Abstimmung – für gestärkt: „Zwei Drittel haben für mich gestimmt, nur ein Drittel gegen mich.“

    Eigentlich ist der Präses der ehrwürdigen Handelskammer sakrosankt, unantastbar. Dass sich Bergmann dennoch der peinlichen Abstimmung unterziehen musste, die im Übrigen keinerlei rechtliche Bindung hatte, macht eines deutlich: Die im Wahlkampf so geschlossen aufgetretene Wir-Gruppe ist inzwischen tief gespalten.

    Schon bei der Nachfolgeregelung für den ausgeschiedenen Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz wäre es fast zum Bruch im Präsidium gekommen. Immer wieder werfen Hardliner in der W-Gruppe Bergmann vor, er gehe beim Kammerumbau zu zaghaft vor. Anderen ist er wiederum zu schnell. Mindestens zwei Unternehmer haben aufgrund der internen Querelen das Bündnis inzwischen verlassen. Und ein Dritter prophezeit: „Wenn Bergmann bei den Kammerwahlen 2020 wieder antritt, bricht die Wir-Gruppe nach meiner Einschätzung auseinander.“

    Zusätzlichen Druck auf den Kessel bringen finanzielle Schwierigkeiten, die die neue Kammerführung ihren Vorgängern anlastet. Auslöser ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom Februar, wonach die Kammer in der Vergangenheit zu Unrecht hohe Rück­lagen gebildet hat. Geklagt hatte Stefan Duphorn, einer der Kammerrebellen, der wegen der hohen Rücklagen eine teilweise Rückerstattung seiner Pflichtbeiträge fordert. Dabei geht es nur um etwas mehr als 100 Euro. Doch was für Duphorn gilt, muss für alle 160.000 Mitglieder der Handelskammer auch gelten. Diese können nun zumindest für das Jahr 2014 auf eine Beitragsrückerstattung hoffen.

    „Das Hauptamt ist beauftragt worden, die genaue Höhe der Erstattungsansprüche zu ermitteln und Lösungen vorzuschlagen. Wir rechnen mit einer Höhe im zweistelligen Millionenbereich“, sagt der Vorsitzende des Innenausschusses und der Zuständige für die Kammerfinanzen, Torsten Teichert. Nach Abendblatt-Informationen geht es um 30 Millionen Euro. „Wir können und wollen das Gerichtsurteil natürlich nicht einfach ignorieren. Nach Einschätzung der Juristen könnten sogar andere Kammermitglieder gegebenenfalls noch gegen jüngere Beitragsbescheide klagen“, so Teichert.

    Er wirft der alten Kammerführung vor, über Jahre falsche und unberechtigte Rücklagen gebildet zu haben, die das Gericht nun rügte. „Für uns ist die Situation derzeit sehr schwierig. Denn der Haushalt der Kammer hat kaum Luft für Beitragsrückerstattungen“, sagt Teichert. „Wir erben im Moment die Folgen einer fragwürdigen Finanzplanung unserer Vorgänger.“

    Zwar kann die Kammer ihre Zinsausgleichsrücklage für die Pensionen auflösen, um das Loch zu stopfen. Aber dann müsste sie in den kommenden sechs Jahren durchschnittlich drei bis vier Millionen Euro Mehreinnahmen erwirtschaften. Das Problem: Das Plenum hat gerade erst für eine Absenkung der Kammerbeiträge gestimmt.

    „Wenn wir die Abzahlung der Schulden nicht in die Zukunft verschieben wollen, wäre eine andere Möglichkeit, dass wir jetzt Sonderabgaben in gleicher Höhe des Rückzahlungsanspruchs vom Plenum beschließen lassen“, so Teichert. Das würde im Ergebnis bedeuten, dass die Beitragszahler kein Geld zurückbekommen, aber auch keine höheren Beiträge zahlen.

    Die ehemals Verantwortlichen wollen Teicherts Vorwurf nicht unwidersprochen stehen lassen: So sagt der Ex-Chef von Studio Hamburg, Robin Houcken, der früher im Innenausschuss saß: „Es ist bedauerlich, dass Herr Teichert immer den Eindruck vermittelt, die Kammer stünde wegen der alten Führung vor dem Exitus. Es ist doch gerade die alte Führung gewesen, die die Rücklagen in weiser Voraussicht gebildet hat, damit die Wirtschaftsvertretung heute finanziell solide dasteht.“

    Zu allem Überfluss haben nun auch Steuerprüfer das Haus am Adolphsplatz ins Visier genommen. Das Finanzamt fordert Steuerrückzahlungen in Höhe von fast zwei Millionen Euro. Grund ist ein Fehler bei der Berechnung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben der Handelskammer. Diese hat seit vielen Jahren die Vermietung des prunkvollen Börsensaals in die Berechnungen einfließen lassen. Tatsache ist aber, dass der Bereich der ehemaligen Wertpapierbörse seit seinem Umbau im Jahr 2001 für Veranstaltungen gar nicht mehr genutzt werden konnte. Das hätten die Kammerverantwortlichen nach Ansicht der Steuerprüfer berücksichtigen müssen. Auch hierfür trägt laut der W-Gruppe die alte Kammerführung die Verantwortung: „Im Zusammenhang mit der Berechnung der abzugsfähigen Betriebsausgaben bei der gewerblichen Vermietung des Börsengebäudes sind erhebliche Fehler gemacht worden“, gibt Teichert den Schwarzen Peter weiter.