Hamburg. Große Anbieter wie ING-DiBa bieten für das Tagesgeld faktisch nichts mehr und die Kaufkraft sinkt. Welche Alternativen es noch gibt
Größer könnte der Unterschied nicht sein: Noch 0,75 Prozent bekommen die Neukunden der ING-DiBa auf dem Tagesgeldkonto. Doch nach vier Monaten sinkt die Verzinsung auf 0,01 Prozent. Gerade hat die Direktbank die Konditionen für die Bestandskunden noch einmal gesenkt, von schon bescheidenen 0,10 Prozent auf nur noch symbolische 0,01 Prozent. Damit steht sie nicht allein da. Die Consors-Bank senkte ihren Zins für Neukunden von einem auf 0,60 Prozent. Nach sechs Monaten sinkt dieser Zins auch auf 0,01 Prozent. Die BMW-Bank verringerte ihren Tagesgeldzins von 0,20 auf 0,10 Prozent. Alle drei Institute liegen damit noch unter dem Durchschnittszins von 0,17 Prozent für bundesweite Tagesgeldkonten.
Wer bisher glaubte, das Tief auf den Zinskonditionen sei schon erreicht und bald werde es wieder in die andere Richtung gehen, sieht sich getäuscht. „Doch die ersehnte Zinswende bleibt für deutsche Sparer Zukunftsmusik“, sagt Oliver Maier vom Vergleichsportal Verivox. Im Gegenteil, die letzten großen Anbieter beim Tagesgeld pendeln sich auf dem Null-Zinsniveau ein, das von der Europäischen Zentralbank (EZB) vorgegeben wird und faktisch noch unter der Null-Linie liegt. Denn für die Geldinstitute fällt ein negativer Zinssatz von 0,4 Prozent an, wenn sie überzählige Spareinlagen bei der EZB parken. Es kostet sie also Geld. „Für unsere Sparkunden wird es aber keine negative Zinsen geben“, versichert Alexander Baumgart von der ING-DiBa.
Die Zinsentscheidung der Bank hat Gewicht, denn davon sind 7,4 Millionen Kunden betroffen. 124 Milliarden Euro hat die ING-DiBa insgesamt an Spargeldern eingesammelt. „Doch große Verschiebungen im Markt für Tagesgeld zu anderen Anbietern wird es nicht geben“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Das sieht auch Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg so. „Die Kunden haben sich mit den historisch niedrigen Zinsen abgefunden und reagieren kaum auf Zinssenkungen ihrer Hausbank, obwohl sie Geld verlieren“, sagt die Verbraucherschützerin. Auch bei der Hamburger Sparkasse oder der Commerzbank liegt der Tagesgeldzins schon lange bei null Prozent.
„Der Verlust der Kaufkraft des Geldes, der sich schleichend vollzieht, wird von den Sparern meist nicht gesehen, weil der Kontostand auch nach fünf Jahren noch der gleiche ist“, sagt Herbst. Bei einer Inflationsrate von aktuell 1,6 Prozent und der aktuellen Verzinsung bei der ING-DiBa haben 20.000 Euro nach fünf Jahren nur noch eine Kaufkraft von rund 18.500 Euro (s. Grafik). Doch kaum ein Sparer macht sich die 1500 Euro Verlust bewusst.
Angesichts der hohen Spareinlagen der Deutschen summieren sich die Zinsverluste zu Milliardenbeträgen, wie eine neue Studie der Comdirect Bank zeigt. Danach haben deutsche Sparer im ersten Quartal 2018 insgesamt 7,1 Milliarden Euro durch schlecht verzinste Geldeinlagen verloren. Pro Bundesbürger sind das 86 Euro. Ermittelt wurde das auf Basis der durchschnittlichen Zinsen für Tagesgelder, Festgelder und Spareinlagen, die im Schnitt bei 0,20 Prozent lagen. Bei einer Inflationsrate in den ersten drei Monaten von 1,50 Prozent, ergibt sich so ein Realzins von minus 1,30 Prozent, so die Rechnung der Comdirect. Als Realzins wird der tatsächliche Zins für Spareinlagen nach Abzug der Inflation bezeichnet. „Die Deutschen gehören zu den eifrigsten Sparern weltweit, und trotzdem verlieren sie Jahr für Jahr viele Milliarden Euro, das ist paradox“, sagt Arno Walter, Vorstandsvorsitzender der Comdirect Bank.
Nach einer Übersicht des Vergleichsportals Verivox zahlen 644 von rund 800 Banken in Deutschland keine Zinsen oder nur noch symbolische 0,01 Prozent für das Tagesgeldkonto.
HSH Nordbank hält ihre Zinskonditionen stabil
Doch es gibt Ausnahmen. Seit dem die HSH Nordbank in den Markt für Spareinlagen eingestiegen ist, hält sie ihre Konditionen stabil. Auf dem Tagesgeldkonto, das über die Hamburger Vermittlungsplattform Zinspilot, vermittelt wird, gibt es 0,80 Prozent Zinsen. Dieser Zinssatz wird noch bis zum 1. Juli 2018 garantiert. „Ob es danach zu einer Zinssenkung kommt oder die Zinsen beibehalten werden, haben wir noch nicht entschieden“, sagt eine Sprecherin der HSH Nordbank dem Abendblatt. Beim einjährigen Festgeld der HSH sinkt der Zins zum 15. Mai von 0,95 auf 0,80 Prozent. Auch nach dem Verkauf der ehemaligen Landesbank an Finanzinvestoren bleibt die Bank für zwei Jahre noch im Sicherungssystem der Sparkassen. Die schwedische TF Bank zahlt noch 0,65 Prozent für Tagesgeld.
Beim Tagesgeld sind die Zinsunterschiede zwischen Anbietern mit deutscher und ausländischer Einlagensicherung nicht sehr groß. Das zeigt sich, wenn man etwa das Zinsangebot der Credit Plus Bank (0,56 Prozent) mit dem der schwedischen Bank Hoist Finance (0,60 Prozent) vergleicht. Deutlicher fallen dagegen die Zinsunterschiede beim zweijährigen Festgeld aus. Während die Varengold Bank eine solche Anlage nur mit 0,95 Prozent verzinst, sind es bei der lettischen AS Privatbank 1,50 Prozent oder 1,30 Prozent bei der tschechischen J&T Banka.
Viele dieser Offerten sind nur über Vermittlungsplattformen wie Zinspilot und Weltsparen erreichbar, die für die Abwicklung der Anlage sorgen. Der Kunde eröffnet bei einer vorgegebenen deutschen Bank ein Konto, auf das das Geld eingezahlt wird. Von dort fließt es zur ausländischen Bank und wird nach Ablauf der Anlage wieder auf das deutsche Konto überwiesen.
Doch bei diesen ausländischen Banken kann es auch böse Überraschungen geben. Rund 1200 Sparer aus Deutschland mussten jetzt erleben, dass die Versobank aus Estland, die von dem Vermittlungsportal Savedo angeboten wurde, überraschend geschlossen wurde. Grund ist der Verdacht auf Geldwäsche. Bis zum 20. April sollen alle Sparer entschädigt sein. „Wir weisen die Anleger stets darauf hin, dass die Einlagen nur bis 100.000 Euro geschützt sind“, sagt Christian Tiessen von Savedo. Verbraucherschützer erwidern, dass es nicht immer so glimpflich abgehen muss wie bei der Versobank. Sie fürchten, dass in- und ausländische Anleger bei einer Pleite unterschiedlich behandelt werden, obwohl das mit EU-Recht nicht vereinbar ist.
„Wer sucht, findet auch im Inland abseits von Tages- und Festgeldangeboten noch interessante Angebote“, sagt Verbraucherschützerin Kappes. Sie verweist auf einen Sparbrief mit jährlich steigenden Zinsen der Hanseatic Bank. „Am Anfang sind die Zinsen zwar niedrig, steigen aber im sechsten Jahr auf 1,80 Prozent“, so Kappes. Für eine Niedrigzinsphase ist das zwar eine zu lange Laufzeit. Aber der Sparer kann mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten an sein Geld, falls die Zinsen doch wieder steigen sollten. Doch darauf hoffen die Sparer schon seit Jahren.