Leipzig. Es wird ein wegweisendes Urteil: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet am Dienstag, ob Städte Diesel-Fahrverbote anordnen können.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet an diesem Dienstag, ob Fahrverbote für Dieselautos in Städten rechtlich zulässig sind. Das Urteil könnte eine bundesweite Signalwirkung haben.

Im Zentrum steht die Frage, ob Städte nach geltendem Recht eigenmächtig Verbote anordnen können – oder ob es neue, bundeseinheitliche Regeln geben muss, um Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten.

Am vergangenen Donnerstag hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem rund vierstündigen „Rechtsgespräch“ unter anderem erörtert, ob Fahrverbote verhältnismäßig wären oder zu Lasten von Diesel-Fahrern gingen, die dafür nichts könnten. Zudem wurde beleuchtet, ob Verbote überhaupt kontrollierbar wären.(Az.: BVerwG 7 C 26.16 und BVerwG 7 C 30.17)

Hamburg will Verbote umsetzen

Im Norden verfolgen Hamburg und Kiel als stark belastete Städte die Verhandlung mit Spannung. Die Hansestadt stand nach den vorläufigen Daten des Umweltbundesamts für 2017 mit einer Belastung von 58 Mikrogramm Stickoxiden je Quadratmeter Luft zuletzt auf Platz fünf der Städte mit schlechter Luftqualität in Deutschland, Kiel folgte nach Verbesserungen zum Vorjahr mit 56 Mikrogramm auf Platz sieben.

Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) geht davon aus, dass die Grenzwerte in wenigen Jahren eingehalten werden können. Bis dahin wären Fahrverbote aus seiner Sicht unverhältnismäßig.

Anders sieht es in Hamburg aus. Sollte das Gericht in Leipzig Fahrverbote für zulässig erklären, will Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) das auch umsetzen. Betroffen wären nach dem Luftreinehalteplan rund 600 Meter der Max-Brauer-Allee sowie ein 1,7 Kilometer langer Abschnitt der Stresemannstraße, beide gelegen im Stadtteil Altona-Nord.

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    Grenzwerte seit Jahren nicht eingehalten

    Konkret wird in dem Verfahren über eine Revision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf verhandelt. Diese hatten die Behörden nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verpflichtet, Luftreinhaltepläne zu verschärfen, damit Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.

    Seit Jahren werden in vielen Städten Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Die EU-Kommission hatte die bisherigen Anstrengungen Deutschlands als nicht ausreicheichend kritisiert und droht mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

    Bundesregierung zu Beschränkungen bereit

    Nach jahrelangem Streit ist die Bundesregierung inzwischen zu neuen Fahrbeschränkungen für Dieselautos bereit. Kurz vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurden am Wochenende Vorbereitungen des Verkehrsministeriums für mögliche „streckenbezogene Verkehrsverbote oder -beschränkungen“ bekannt.

    Sie zielen allerdings nur auf besonders belastete Straßen und nicht auf größere Innenstadtbereiche. Laut Verkehrsministerium bleibe das Ziel, pauschale Fahrverbote zu vermeiden. Es gehe um Regeln für eine „gezielte Verkehrslenkung“.

    Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen zurückweisen, würden die Richter Fahrverbote für zulässig erklären. Ob es diese dann auch gibt, liegt aber an den Städten und Bezirksregierungen. Einen Automatismus gibt es nicht.

    Drei weitere Optionen

    Eine zweite Möglichkeit ist, dass das Bundesverwaltungsgericht den sogenannten Sprungrevisionen stattgibt – damit wären die Urteile der Verwaltungsgerichte aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht könnte dies aber verbinden mit einem Handlungsauftrag an die Bundesregierung.

    Denn das Problem, dass Schadstoff-Grenzwerte weiter überschritten werden, würde weiter bestehen. Bei Sprungrevisionen werden Rechtsfälle gleich an die höchste richterliche Instanz übergeben und niedrigere Instanzen übersprungen.

    Die dritte Option: Das Bundesverwaltungsgericht sieht noch Aufklärungsbedarf und verweist die Fälle zu einer erneuten Verhandlung an die Verwaltungsgerichte zurück – das Problem wäre damit aufgeschoben. Als theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich gilt, dass die Richter in Leipzig selbst entscheiden, Fahrverbote wären das einzige Mittel, damit die Grenzwerte eingehalten werden. (dpa)