Singapur/Hamburg. Auftragsflut und Wartezeiten setzen Flugzeugbauer unter Druck. „Der Erfolg zwingt uns, jede Chance auszuloten.“

Das Auftragsbuch von Airbus für die A320-Familie ist dick. Ende des Jahres standen Order für 6141 Exemplare der Kurz- und Mittelstreckenjets drin, die rund zur Hälfte in Hamburg endmontiert werden. Nun erwägt der europäische Flugzeugbauer, seine Produktion weiter hochzufahren. „Der Erfolg des Produkts zwingt uns, jede Chance auszuloten, die Rate zu erhöhen“, sagte der neue Vertriebschef Eric Schulz am Dienstag auf der Luftfahrtmesse in Singapur.

Der Konzern steckt derzeit ohnehin noch im Hochlauf der Produktion. Im Sommer 2015 wurden 43 Stück des A320 pro Monat gefertigt. Bis Mitte 2019 soll die Rate auf 60 Maschinen steigen. Derzeit liegt die Rate nach offiziellen Angaben bei 50. Laut Schulz ist bisher noch keine Entscheidung gefallen, wie die Fertigung der A320-Familie erhöht werden könne. Ein Insider sagte dem Abendblatt: „Wir überlegen, wann – nicht ob – wir auf die Rate 70 gehen.“ Schließlich boome der Markt für Flugzeuge mit einem Gang (Single Aisle).

Probleme bei Zulieferern

Das gilt auch für den Erzrivalen. Bei ­Boeing stehen für das A320-Pendant 737 Aufträge über 4668 Stück in den Büchern. Auch der US-Flugzeugbauer plant eine Erhöhung der Rate. Zurzeit werden 47 der Kurzstreckenflugzeuge pro Monat produziert, angepeilt wird eine Rate von 57 im nächsten Jahr an. „Wenn du heute einen 737 Max willst, reden wir über 2023“, sagte Boeing-Manager Randy Tinseth und nannte damit das frühestmögliche Lieferdatum.

„Die Nachfrage ist so groß, dass die Hersteller reagieren müssen“, sagte der Hamburger Flugzeugexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt. Die Wartezeit der Airlines auf ihre Bestellungen sei mittlerweile grenzwertig. Ob das Vorhaben ohne Probleme gelinge, sieht er allerdings ein wenig skeptisch. „Die große Hürde bei der Ratenerhöhung sind die Zulieferer.“ Sie müssen mitziehen und ihre Kapazitäten steigern, um den Hochlauf nicht zu gefährden. Und sie müssen gute Qualität abliefern, die bei der Abnahme der Flugzeuge von den Kunden nicht beanstandet wird.

Schwerpunkt ist Werk auf Finkenwerder

So gab es in der Vergangenheit beim Hochlauf des neuen Großraumjets A350 Probleme mit den Toilettentüren. „An jedem Teil hängen Dutzende Produzenten, die auch die Produktion hochfahren müssen. Das ist alles andere als trivial“, sagte Großbongardt. Bei der A320-Familie machten die Triebwerke, die in der neo-Variante den Großteil der Treibstoffersparnis von rund 15 Prozent gewährleisten, massive Probleme. Die beiden Hersteller CFM und Pratt & Whitney sorgten mit ihren Lieferproblemen dafür, dass Ende des vergangenen Jahres rund 60 „glider“, also fertige Flugzeuge ohne Antrieb, auf dem Werksgelände in Hamburg und Toulouse standen und nicht ausgeliefert werden konnten. CFM bestätigte vergangenen Monat, dass sowohl Airbus als auch Boeing eine Ausweitung ihrer Kapazitäten ausloten.

Die A320-Familie wird an vier Standorten montiert. Schwerpunkt ist das Werk auf Finkenwerder, das rund die Hälfte der Produktion stemmt. Im Zuge des Hochlaufs erhielt Hamburg eine vierte Endmontagelinie, in der nun an den ersten Flugzeugen für Kunden gearbeitet wird. Zweitgrößter Standort ist Toulouse. In Mobile (USA) und Tianjin werden jeweils vier Maschinen pro Monat gefertigt. In der chinesischen Hafenstadt sollen es ab Anfang 2020 sechs Maschinen pro Monat sein, kündigte Airbus vor Kurzem an. Inwiefern das Werk an der Elbe auch künftig die Hälfte der Produktion beitragen soll, ließ der Insider gegenüber dem Abendblatt offen. „Hamburg muss sich dem Wettbewerb stellen“, sagte er. (mit Reuters)