Berlin. 2017 sind Konflikte brisanter geworden. Ein Bericht des Weltwirtschaftsforums warnt vor Klimawandel, Artensterben und Cyberattacken.
„Harvey“, „Irma“ und weitere Hurrikans waren für die USA die teuersten Wirbelstürme aller Zeiten. 2017 verursachten sie in Texas und an der Küste des Golfs von Mexiko Schäden in der Größenordnung von fast 200 Milliarden Euro. Katastrophen wie diese gehen in den Risikobericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) von Davos ein. Rund 1000 Spitzenmanager und Wissenschaftler hat das WEF befragt, welche Risiken die Menschheit in näherer Zukunft am meisten bedrohen.
Für 2018 und die Folgejahre stehen Extremwetter und Naturdesaster auf den obersten Plätzen der Risikorangliste. Der Bericht ist eine Grundlage für den alljährlichen Kongress im Schweizer Skiort Davos, der am kommenden Dienstag beginnt. Dies sind die wichtigsten Themen der Studie:
Erdatmosphäre
Neben Wetter- und Naturkatastrophen machen sich die Autoren große Sorgen darüber, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht zum Erfolg führt. Viele Experten sind inzwischen der Ansicht, die Erwärmung der Erdatmosphäre durch das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle lasse Stürme stärker und Regen heftiger werden. Entsprechende Einschätzungen äußerte unlängst beispielsweise die Versicherung Münchner Rück.
Die internationale Forschervereinigung für Klimawandel (IPCC) hält es inzwischen für kaum noch möglich, die Temperatursteigerung in diesem Jahrhundert unter 1,5 Grad zu halten. Bis zu dieser Grenze, so heißt es von vielen Forschern, könne man die Folgen des Klimawandels noch einigermaßen beherrschen, darüber hinaus werde es schwierig. Gerade im vergangenen Jahr litten große Gebiete der USA und Afrikas unter starker Trockenheit. In Europa und Deutschland machen sich Klima- und Wetterveränderungen unter anderem durch zunehmend heftige Regenfälle bemerkbar.
Artensterben
Auch der „Verlust von Biodiversität“ ist ein Topthema des Risikoreports. In den USA gibt es bereits mobile Bienenstöcke, die mit Lkw von einer Ackerfläche zur nächsten gefahren werden, weil die Bestäubung der Pflanzen auf den Feldern sonst nicht mehr funktioniert. In Deutschland sind ebenfalls viel weniger Bienen unterwegs, was zum Problem für die Landwirtschaft werden könnte. „Wir müssen mit einem stärkeren Gefühl der Dringlichkeit handeln, um einen möglichen Systemzusammenbruch zu verhindern“, sagte Alison Martin, Risikochefin des Schweizer Versicherungskonzerns Zurich, der mit dem WEF bei der Risikostudie kooperiert.
Cyberattacken
Ohne die Vernetzung über das globale Internet funktioniert die moderne Wirtschaft nicht mehr. Das macht sie aber auch angreifbar. Weil die Datenleitungen und Kommunikationsknoten die entscheidende Infrastruktur darstellen, weist der Report auf Phänomene wie das Computervirus WannaCry hin. Es legte 2017 rund 300.000 Rechner in 150 Staaten lahm und verursachte hohe Kosten. Dessen Bekämpfung erfordert erheblichen Aufwand. Wenn solche Viren die Computer von Krankenhäusern, Wasserwerken, Kraftwerken und Banken lahmlegen, kann das alltägliche Leben schnell zum Stillstand kommen.
„Geopolitische Reibungen tragen dazu bei, dass Cyberangriffe sowohl häufiger als auch komplexer werden“, sagte John Drzik vom Industrieversicherungsmakler Marsh, ebenfalls ein Partner des WEF. Drzik forderte Unternehmen und Regierungen auf, „noch wesentlich mehr in Widerstandsfähigkeit“ zu investieren. Die Autoren des WEF-Berichts mahnen deshalb koordinierte globale Gegenmaßnahmen an.
Kriege und Konflikte
2017 haben sich einige Konflikte wieder verschärft. Nordkorea und die USA schaukeln sich in der Auseinandersetzung um das Atomprogramm des asiatischen Landes hoch. Diktator Kim Jong-un hat Raketen testen lassen, die angeblich Atomsprengköpfe bis in die USA tragen können, US-Präsident Donald Trump drohte zurück. Außerdem drohen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu eskalieren.
Trump stellt das Atomabkommen mit dem Iran infrage. Weiter hat er angekündigt, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen – ein Affront gegen die Palästinenser, die diesen Ort ebenfalls als ihre Hauptstadt beanspruchen. Allenfalls in Syrien ist es durch den Sieg über den „Islamischen Staat“ zu einer gewissen Beruhigung gekommen. Solche Auseinandersetzungen beunruhigen die Wirtschaft, denn sie können den globalen Handel massiv beeinträchtigen.
Der Report stellt allerdings nur eine Momentaufnahme dar. Wegen aktueller Entwicklungen verschieben sich die Bewertungen von Jahr zu Jahr. Im vorangegangen Bericht 2017 stand die wachsende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ganz oben auf der Risikoliste. Die Befragten nannten die „soziale Ungleichheit“ an erster Stelle der Trends, die die kommenden zehn Jahre bestimmen werden. Darauf folgte die Sorge um den Klimawandel. Dass US-Präsident Donald Trump, der nächste Woche ebenfalls nach Davos reist, dass globale Klima-Abkommen von Paris verlassen will, mag dazu beigetragen haben, das Ranking nun zu verändern.
Positiv vermerkt der Bericht, die weltweite Wirtschaftslage habe sich verbessert. Viele Länder profitieren von einem Aufschwung, private und staatliche Einnahmen steigen. WEF-Präsident Klaus Schwab sieht darin die Chance, ausreichend Geld aufzubringen, um die Probleme anzugehen. „Zusammen haben wir die benötigten Ressourcen und Kenntnisse.“
Das WEF erfreut sich in diesem Jahr eines besonders starken Andrangs von Staats- und Regierungschefs. Über 70 haben sich angekündigt. Offenbar gibt es ein Bedürfnis, gemeinsame Antworten auf die Risiken zu suchen.