Hamburg. Seit 2007 haben die großen Institute mehr als 2500 Stellen gestrichen. Gewerkschaft fürchtet nun eine neue Rationalisierungswelle.
Dass ein Chef der Deutschen Bankmit provokanten Aussagen für Schlagzeilen sorgt, ist fast schon eine Tradition. Auch der derzeitige Vorstandsvorsitzende John Cryan macht da keine Ausnahme. „In unseren Banken arbeiten heutzutage Menschen, die sich – was ihre mechanische Arbeitsweise angeht – wie Roboter verhalten“, sagte Cryan auf einer Branchentagung vor wenigen Monaten. Und er fügte an: „In Zukunft wird es hingegen so sein, dass in den Banken Roboter arbeiten, die sich wie Menschen verhalten.“ Vor einigen Tagen legte er in einem Interview mit der „Financial Times“ nach: Die meisten der großen internationalen Wettbewerber hätten nur halb so viele Beschäftigte wie die Deutsche Bank.
Etliche Branchenexperten verstanden das als Hinweis darauf, dass es bei dem bereits Ende 2105 angekündigten Abbau von 9000 Stellen bis Ende 2018 nicht bleiben wird und angesichts der Integration der Postbank in die Privatkundensparte ein neues, umfangreiches Sparprogramm ansteht. Auch Deutschlands zweitgrößtes Kreditinstitut, die Commerzbank, hat einen Arbeitsplatzabbau beschlossen. Hier sollen knapp 6000 Jobs bis zum Jahr 2020 wegfallen.
Stellenabbau bei den Banken
Zwar haben alle vier der größten Geldhäuser in Hamburg – die Commerzbank, die Deutsche Bank, die HSH Nordbank und die HypoVereinsbank – über die vergangenen zehn Jahre bereits mindestens 2500 Stellen in der Hansestadt gestrichen. Doch 2017 blieben die Personalstärken vergleichsweise stabil.
Das dürfte sich in diesem Jahr ändern. Der Abbau im Bankensektor werde wieder an Fahrt aufnehmen, fürchtet Michael Börzel, bei Ver.di in Hamburg verantwortlich für diesen Wirtschaftszweig. „Vor allem das Sparprogramm der Commerzbank wird durchschlagen.“ Nach Börzels Beobachtung verringern aber auch einige der weniger prominent vertretenen Institute, etwa Santander und Banken des genossenschaftlichen Sektors, ihre Belegschaften. „Das geschieht scheibchenweise, ohne dass viel darüber gesprochen wird“, sagt der Gewerkschafter.
Dabei wird seit einiger Zeit eine neue Tendenz sichtbar: „In der Vergangenheit haben Banken in erster Linie im Verwaltungsbereich eingespart“, sagt Andreas Pläsier, Branchenexperte beim Hamburger Analysehaus Warburg Research. „Bei dem aktuellen Niedrigzinsniveau sind die Institute aber gezwungen, auch die Kosten im Vertrieb stärker zu senken und mehr auf das Internet als Vertriebsweg zu setzen.“
Halb so viele Filialen
Vorreiter auf diesem Weg war die HypoVereinsbank, die bereits 2014 eine Halbierung der Filialzahl ankündigte. Seitdem ist die Zahl ihrer Zweigstellen in Hamburg von 20 auf zwölf gesunken. Eine Zahl für die Beschäftigten in der Hansestadt nennt die Münchner Tochter der italienischen UniCredit-Gruppe nicht mehr. Im Gegensatz zu deren Strategie bemühe sich die Haspa, die Präsenz vor Ort möglichst weitgehend aufrechtzuerhalten, so Börzel.
Doch selbst die Haspa hat im Jahr 2017 die Zahl ihrer Filialen per Saldo um acht auf nunmehr gut 130 verringert. Allerdings ging das offenbar nicht auf Kosten der Mitarbeiterzahl. Ähnliches gilt für die Hamburger Volksbank, die sich ebenfalls relativ stabil zeigte. Auch die beiden Hamburger Privatbankhäuser Berenberg und M.M. Warburg & CO sind im Zehnjahresvergleich entgegen der Tendenz der gesamten Branche gewachsen.
Generell aber liege John Cryan mit seiner Beschreibung der Beschäftigungsperspektiven durchaus richtig, findet Pläsier: „Mittelfristig wird die Digitalisierung bei den Banken zu einer weiteren Reduzierung der Mitarbeiterzahl führen, da viele Betriebsprozesse effizienter von Computern verrichtet werden können.“ Tatsächlich hat Commerzbank-Chef Martin Zielke das Ziel ausgegeben, das Institut zu einem „Technologiekonzern“ umzubauen.
Änderung durch Digitalisierung
Doch die Digitalisierung bringt den Geldhäusern nicht nur Kostensenkungspotenziale, sondern auch neue Konkurrenten: Internetgiganten wie Google oder Amazon versuchen, sich attraktive Teile des bisher den Banken vorbehaltenen Geschäfts zu sichern. Schon jetzt hat unter anderem der US-Konzern PayPal in Deutschland rund 19 Millionen Kunden für Onlinezahlungen.
„Wenn es Unternehmen aus anderen Sektoren gelingt, die Banken zum Beispiel im Zahlungsverkehr mehr und mehr zu ersetzen, wird das deren Gebühreneinnahmen weiter drücken“, sagt Pläsier dazu. Banken müssten versuchen, ihre Vorteile bei der Datensicherheit im Vergleich zu solchen branchenfremden Wettbewerbern stärker herauszustellen. Ob das gelingt, ist fraglich. Die „stille Abwanderung“ von Kunden zu solchen Konkurrenten trage bereits Züge einer „Massenbewegung“, urteilte Dirk Vater, Partner bei der Unternehmensberatung Bain & Company in Frankfurt, aufgrund einer Studie zu diesem Thema aus dem Dezember.
36 Filialen schließen jede Woche
Nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung werde sich der Strukturwandel in der Bankenbranche noch beschleunigen, erwartet man bei Bain & Company: „Jede Woche schließen in Deutschland im Durchschnitt 36 Bankfilialen, und mindestens ein Kreditinstitut verabschiedet sich ganz vom Markt.“ Für die HSH Nordbank sind Filialschließungen kein Thema – sie hat gar keine, nur Niederlassungen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart.
Bei der Landesbank sind die Beschäftigten aus einem anderen Grund unruhig: Bis Ende Februar muss ein Käufer gefunden sein, sonst wird das Institut abgewickelt. Zwar sprechen die Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein mit mehreren Interessenten. Weil es sich dabei aber offenbar ausnahmslos um Finanzinvestoren handelt, stehen die Zeichen für die HSH nicht unbedingt auf Wachstum.
Beschäftigte der Deutschen Bank und der Commerzbank werden sich wohl noch etwas länger gedulden müssen, bis Klarheit über ihre Jobperspektiven herrscht. Bei allen Unsicherheiten gibt es einen Trost: Betriebsbedingte Kündigungen sind bei der Deutschen Bank bis 2022 ausgeschlossen. Die Commerzbank will nur zu diesem Mittel greifen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und man erneut mit der Arbeitnehmerseite verhandelt hat. Entsprechende Gespräche sollen frühestens 2019 starten.