Hamburg. Die Hamburger Firma Akquinet stellt viele Mitarbeiter mit Behinderung ein – sie gilt als vorbildlich

Der neue Standort in der City Nord war gerade bezogen und galt als barrierefrei. Ein wichtiges Kriterium für den Hamburger IT-Dienstleister Akquinet. Er beschäftigt überdurchschnittlich viele Behinderte. Doch barrierefrei bedeutet nicht einen ungehinderten Zugang für Mitarbeiter, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. „Das haben wir schnell gemerkt, als wir unsere erste Integrationsbeauftragte eingestellt hatten“, sagt Thomas Tauer, Vorstand der Akquinet AG. Denn Rükiye Ray sitzt im Rollstuhl, seit sie an Kinderlähmung erkrankte. Damit sie aus der Tiefgarage ohne Hilfe zum Arbeitsplatz gelangen kann, waren einige Umbauten an den Türen erforderlich. Rund jeder zehnte der 800 Beschäftigten bei Akquinet hat ein Handicap.

Manche haben eine Sehbehinderung und beraten Kunden am Telefon. Die Schrift auf dem Bildschirm wird für sie mit einem speziellen Vergrößerungsgerät besser sichtbar gemacht. Akquinet-Chef Tauer will noch mehr Menschen mit Behinderung eine Chance im Unternehmen geben. „Dafür ist eine Integrationsbeauftragte wichtig, wir haben im Tagesgeschäft nicht die richtigen Antennen für Probleme von Menschen mit Handicap“, sagt er.

Das Engagement der Firma gilt als vorbildlich, denn Menschen mit Handicap haben es auf dem Arbeitsmarkt weiter sehr schwer. Knapp fünf Prozent aller Jobsuchenden in Hamburg sind schwerbehindert, insgesamt sind es 3125. Diese Zahl hat sich seit Jahren kaum verändert, obwohl die Arbeits­losigkeit insgesamt gesunken ist. „Angesichts des Fachkräftemangels ist das unverständlich“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit in Hamburg.

Akquinet betreibt vier Rechenzen­tren, zwei in Hamburg, je eines in Norderstedt und Itzehoe. Einer der neuesten Kunden ist der Medizintechnik-Hersteller Drägerwerk. Starten die rund 13.000 Mitarbeiter ihren Rechner, haben sie Zugriff auf Intranet, Mails, Finanzbuchhaltung, Aufgabenlisten und Projekträume. Das alles wird über die Akquinet-Rechenzentren gesteuert. Dort werden unter anderem die Steuererklärungen der Hamburger in einem besonders gesicherten Serverraum gespeichert.

Ein Großteil der Behinderten arbeitet als Sicherheitspersonal in den Rechenzentren von Akquinet, die als Integrationsbetrieb geführt werden. Das bedeutet, dass sogar 40 Prozent der Beschäftigten eine Behinderung haben. Die Idee zu dieser gemeinnützigen GmbH, an der die Stiftung Alsterdorf mit 25,1 Prozent beteiligt ist, hatten die Akquinet-Gründer Norbert Frank und Klaus-Dieter Gerken, als sie erstmals mit der Stiftung zusammenarbeiteten. „Ich hatte Glück im Leben und wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, sagt Frank, der den Aufsichtsrat lenkt.

Das Beispiel Akquinets ist in Hamburg noch nicht weit verbreitet. Für 11.000 Arbeitsplätze, die eigentlich mit Behinderten besetzt sein müssten, zahlen die Firmen lieber eine Ausgleichs­abgabe, sie kaufen sich von ihrer Verpflichtung frei.