Stockholm. H&M hat laut Experten nicht richtig auf den Online-Boom reagiert. Beobachter fordern deshalb eine Neuausrichtung des Unternehmens.

Diese Nachricht dürfte Unruhe in die Geschäftsleitung des Modekonzerns Hennes & Mauritz (H&M) gebracht haben. Der Umsatz im vierten Quartal ist um vier Prozent auf 50,4 Milliarden Schwedische Kronen (5,1 Milliarden Euro) gesunken. Das schlechte Ergebnis ließ die Aktie zeitweise um 15 Prozent sinken. Der Konzern kündigte als Reaktion an, Filialen zu schließen und den Onlinehandel weiter voranzutreiben. Welche Filialen geschlossen werden sollen, ist noch offen.

Es war nicht das erste Mal, dass H&M in diesem Jahr schlechte Zahlen präsentierte. Es scheint, als müsste sich die schwedische Modekette von dem jahrzehntelang ungebrochenen Erfolg vorerst verabschieden. H&M selbst macht die Verlagerung des Textil­geschäfts zu Onlinehändlern für den Rückgang des Umsatzes verantwortlich. Doch das ist nicht der einzige Grund. In dem Umsatzeinbruch zeigen sich vor allem Fehlentscheidungen des Managements und eine wachsende Billigkonkurrenz wie die Modekette Primark.

Erben haben noch die Zügel in der Hand

Eine Wende sei mittelfristig nicht in Sicht, sagt Claes Hemberg, Analyst bei der führenden schwedischen Onlinehandelsbank Avanza. Das Unternehmen habe eine fantastische Geschichte. „Aber H&M steckt in seiner schlimmsten Krise überhaupt, und nun hat man Schwierigkeiten, das Schiff wieder zu wenden“, erklärt Hemberg. Erstmals werden nun auch Forderungen zum Rücktritt des H&M-Erben und seit 2009 amtierenden Konzernchefs Karl-Johan Persson laut.

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    Es sei nicht das erste Mal, dass Erben im Gegensatz zu weniger betriebsblinden externen Geschäftsführern die Unternehmung ihrer Eltern fehlleiten, hieß es. „Es ist offensichtlich, dass H&M in eine völlig neue Lage gerät, auch wenn der Konzern es selbst nicht zugeben möchte. Und da wäre es auch an der Zeit, den Konzernchef auszutauschen“, sagte Joakim Bornold, Analyst bei der schwedischen Investmentbank Nordnet.

    Marken COS und Weekday haben H&M noch nicht gerettet

    Beobachter sehen den Niedergang in Fehlentwicklungen vor knapp zehn Jahren begründet. Schon damals hatte H&M das Problem der Marktsättigung auf seinen Kernmärkten übersehen. Die Modekette unterschätzte den noch in den Startlöchern steckenden Kleider-Onlinehandel und wählte den falschen Weg: die Ausweitung vom Einmarkenkonzept H&M zu mehreren parallelen Markenfilialen.

    Die Marken COS, Weekday oder auch die Heimeinrichtungskette H&M Home sollten neben der globalen Ausweitung der H&M-Filialen neue Verkaufsimpulse bringen. Erst vor einigen Monaten kündigte Persson auch noch an, mit Arket ein weiteres Filialnetz auf den Markt zu bringen, in dem Kleidergeschäfte gleichzeitig als Kaffeehaus dienen. Die Freude der Anleger hielt sich allerdings in Grenzen.

    Lange Lieferwege verhindern schnelles Reagieren auf Trends

    Neben der Marktsättigung hat sich nun acht Jahre später der Übergang zum Onlinehandel zum größten Problem entwickelt. Der Modeverkauf bewegt sich immer mehr ins Netz. Zu lange hat H&M auf den Ausbau physischer Filialen unterschiedlicher Marken gesetzt. Man stieg halbherzig in den digitalen Verkauf ein. Andere Unternehmen dominieren dort deutlich.

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      Immerhin will Persson kräftig in den digitalen Handel investieren. Bis 2020 soll in allen Märkten auch der Onlinekauf rollen. Auch das frühere Ziel, zehn bis 15 Prozent mehr physische Geschäfte pro Jahr weltweit zu eröffnen, hat er durch ein allgemeines Umsatzziel korrigiert, bei dem auch der Onlinehandel eingerechnet wird. Vor wenigen Tagen gab der Konzern zudem bekannt, eine neue Marke gründen zu wollen, die ausschließlich online verkauft werden soll. „Nyden“ soll Jugendliche ansprechen, die Modetrends von sozialen Netzwerken wie Instagram aufgreifen. Der Sitz ist in Los Angeles.

      H&M soll riesige Lagerbestände haben

      Ein großes Problem ist darüber hinaus der lange Lieferweg von den Produktionsstätten in Fernost. Das macht den Konzern unbeweglich für neue Modetrends und die kurzfristige Anpassung der Bestellmengen. „Beunruhigend“ bezeichneten etwa die Analysten von Morgan Stanley, dass die unverkauften Lagerbestände bei H&M um 30 Prozent angestiegen sind. Auch unterliegt H&M erheblichen Währungsrisiken, weil Lieferanten in Dollar bezahlt werden müssen.

      Der spanische Hauptkonkurrent Inditex, zu dem etwa Zara gehört, produziert 60 Prozent in Europa und Nordafrika. Dies ist zwar teurer, hat sich bislang aber offenbar gelohnt. In immer kürzerer Zeitspanne bringt er neue Kollektionen auf den Markt. Restwarenlager gibt es kaum, Zulieferer können Produkte noch kurzfristig an das schwankende Kaufverhalten anpassen.

      Freilich ist H&M noch immer ein gut funktionierendes Unternehmen. Doch bei Inditex steigen Umsätze und Gewinne schneller, was für eine Abwanderung der Anleger sorgt. H&M bleibt der zweitgrößte Modekonzern der Welt. Dass das Unternehmen in seiner „schlimmsten Krise“ steckt, verneinte Firmenchef Persson kürzlich entschieden. „Das würde ich absolut nicht sagen. Wir haben eine sehr starke Position“, sagt er. Man müsse allerdings schneller und flexibler in der Warenversorgungskette werden.