Berlin. Kommt mein Paket rechtzeitig? Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber über das Weihnachtsgeschäft, geplante Läden und den Shop der Zukunft.

Ralf Kleber ist gut gelaunt. Kein Wunder, die Phase, in der der US-Onlinehändler Amazon das meiste Geschäft macht, läuft: die Weihnachtszeit. Kleber, oberster Vertreter des Konzerns in Deutschland, spricht über geplante Amazon-Läden, Zustellexperimente und warum das Unternehmen wenig von Sonderzustellgebühren hält.

Was ist in diesem Jahr der Renner im Weihnachtsgeschäft?

Bei Amazon.de ist das der Echo Dot, und der Fire TV-Stick mit Sprachsteuerung fürs Fernsehen.

Warum?

Der Echo Dot ist ein kostengünstiger Einstieg in eine sehr intuitive, lebensvereinfachende Technologie: Sprachsteuerung. Und was sich da für eine Dynamik entwickelt! Zum Beispiel im Smarthome-Bereich. Da reden wir seit zehn Jahren drüber, aber es ging nur langsam voran. Man sucht die App auf dem Smartphone, schaltet dann das Licht an – das ging anstelle von Aufstehen und Schalter drücken schon mal leichter. Jetzt: „Alexa, Licht an“, turboleicht. Oder: „Alexa, stell die Wohnzimmertemperatur auf 21 Grad.“ „Alexa, lies mir meine Nachrichten vor.“ Alexa lernt täglich, Sprache natürlich zu verwenden, und dadurch kann ich mich immer freier mit ihr unterhalten.

Wo zum Beispiel?

Wer möchte nicht gern im Auto während der Fahrt sagen: „Alexa, ruf meine Tochter an“ oder „Alexa, spiel Metallica“? Es gibt vieles, was sich mit der Stimme besser und intuitiver ansteuern lässt, besonders im Auto. Die nächste BMW-Generation zum Beispiel kommt mit Alexa und entsprechenden Entertainmentfunktionen.

Mancher, der das Gerät vor einem Jahr gekauft hat, hört nur noch Musik damit.

Das ist wie beim Smartphone: der eine benutzt 600 Apps, ein anderer nur eine, die ihn aber so glücklich macht, dass er das Gerät nicht wieder weglegen möchte. Und das ist schön.

Wie viele Echos haben sie bisher verkauft?

Sehr viele.

Können Sie genaue Zahlen nennen?

Nein.

Im Weihnachtsgeschäft wird eine Rekordmenge an Paketen verschickt, die Paketdienste stoßen an Grenzen. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Ralf Kleber, Chef von Amazon in Deutschland, in der Funke Zentralredaktion in Berlin.
Ralf Kleber, Chef von Amazon in Deutschland, in der Funke Zentralredaktion in Berlin. © Reto Klar | Reto Klar

Die Weihnachtszeit ist für uns die schönste Zeit. Weil wir seit Jahrzehnten hart daran gearbeitet haben, um den Kunden speziell in der Zeit zu entlasten und Freude zu liefern. Im Transportgeschäft und in der Logistik muss man immer mit einer gewissen Flexibilität umgehen können – Glatteis auf der Autobahn etwa, das die Zustellung verzögert. Wir sind gut vorbereitet und wollen auch in diesem Jahr alle Pakete pünktlich unter den Baum bringen.

Haben Sie genug Zusteller?

Davon gehen wir aus. Wir arbeiten ja praktisch das ganze Jahr auf dieses Finale hin.

Wie viele Zusteller sind für Amazon unterwegs?

Mit unseren Lieferpartnern wie DHL, Hermes und UPS arbeiten wir seit Jahren zusammen und sie sind mit uns gewachsen. Komplementär dazu haben wir auch eigene Kapazitäten geschaffen, besonders für die Auslieferung am gleichen Tag oder am nächsten Tag. Davon profitieren Kunden im Raum München, Berlin, in der Ruhrregion und Frankfurt.

Sie wollen Privatpersonen in Deutschland zustellen lassen, etwa in Berlin. Wie muss man sich das vorstellen?

Mit Amazon Flex schaffen wir zunächst einmal die Möglichkeit, sich etwas zusätzlich zu verdienen. Sie als Privatperson registrieren sich für diesen Service, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel einen gültigen Führerschein besitzen. Sie fahren dann an eine der Stationen und übernehmen eine Sendung, wie das ein Zusteller im Allgemeinen auch machen würde. Und dann stellen Sie eine bestimmte Zahl von Lieferungen zu.

Ohne Begrenzung?

Es gibt Arbeitsschutzbestimmungen, die wir natürlich einhalten. Amazon Flex sollte nicht als Vollzeittätigkeit geplant werden. Die meisten machen das aber ohnehin nur, um sich nebenbei mit zwei, drei Stunden Zustellung etwas dazuzuverdienen.

Wie viel verdient man?

Für einen Vier-Stunden-Block gibt es 64 Euro.

Neben Amazon sind auch andere Zusteller unterwegs: etwa DHL, Hermes, DPD, UPS. Dazu Fahrradkuriere wie Foodora und Deliveroo, zum Teil in derselben Straße. Was halten Sie von einer einheitlichen Zustellgesellschaft für alle in Ballungsräumen?

Wie unser Unternehmenschef Jeff Bezos sagt: Es ist Tag eins, immer. Auch was Zustellung angeht sind wir am Anfang. Mit Sicherheit streben all diese Unternehmen Effizienz an. Das heißt, dass sich noch sehr vieles tun wird. Alle haben erkannt, dass auf der letzten Meile Innovation gefordert ist; und Amazon sieht sich als Förderer von Innovationen. Das Motto lautet: Das Paket muss zum Kunden, nicht der Kunde zum Paket.

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    Das bedeutet?

    Dazu gehören Packstationen, Depots, Zustellung wie in den USA bereits hinter die Haustür, oder an geschützte Orte wie den Balkon, die Terrasse. Wir experimentieren sogar mit der Zustellung in den Kofferraum. Dann gibt es die Zustellung per Fahrrad, per E-Fahrzeug oder per Drohne, wie Amazon sie in Cambridge bereits testet.

    Wir versuchen, den idealen Mix herauszufinden, den wir dem Kunden später anbieten. Das kann auch eine einheitliche Zustellung sein. Aber: Was für die eine Straße gilt, gilt für die nächste vielleicht nicht mehr. Und was in Berlin, Hamburg, dem Ruhrgebiet, Erfurt oder Braunschweig ein Problem ist, ist vielleicht in Mecklenburg-Vorpommern keines. Wir haben uns selbst auf die letzte Meile begeben, um zu lernen.

    Und?

    Schon seit Jahrzehnten wird an der Haustür zugestellt, über Hausnummern. Viel genauer ist es für Amazon, mit Geodaten zu arbeiten. Denn der Briefkasten steht nicht immer da, wo die Hausnummer ist. Und ein geschützter Ort – ein sehr genau bestimmter Ort, an dem der Zusteller etwas ablegen kann – ist oft nicht unter der Hausnummer zu finden. Aber alle diese Adressen haben konkrete Längen- und Breitenkoordinaten. Das macht den Zustellprozess sehr viel effizienter und fortschrittlicher.

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      DPD und Hermes denken über eine Zustellgebühr nach: Wer das Paket an die Wohnungstür geliefert bekommen möchte, soll extra zahlen. Zustellung in den Paketshop für Abholer wäre kostenlos. Was halten Sie davon?

      Das kommentiere ich nicht. Aber wir nennen uns die Erfinder des versandfreien Zustellens. Amazon Prime gibt es jetzt seit zehn Jahren. Und unsere Kunden finden das gut.

      In Seattle testet Amazon den vollautomatischen Laden, der Kunden erkennt und auch die Kasse überflüssig macht. Wann kommt der Laden nach Deutschland?

      Die Wann-Fragen sind leider immer die schwierigsten beim Experimentieren. Hinter der Ladentechnik Amazon Go steckt kein besonderer RFID-Chip. Der ist viel zu teuer, um ihn auf eine Packung Katzenfutter für 39 Cent zu kleben. Amazon arbeitet an diesem Innovationsprojekt mit Machine Learning, Datenverarbeitung, Sensorik, Computer Vision – den Kernstärken des Unternehmens.

      Solch ein Erfassungssystem muss erst einmal ausgereift sein. Da müssen Computer richtig was tun, um festzustellen: Der Kunde hat jetzt das Thunfisch-Sandwich oben aus der Kühltheke rausgenommen, aber unten wieder reingestellt; dann doch die Banane, gegen einen Grapefruitdrink getauscht und den dann auch tatsächlich eingepackt und die Banane aus Bequemlichkeit zu den Drinks sortiert. Deshalb testet Amazon das System derzeit in einem eigenen kleinen Laden in Seattle, um es zu perfektionieren. Und um zu sehen, wo es am besten eingesetzt werden kann.

      Amazon hat gerade eine Ladenkette in den USA gekauft. Wann geht es mit Amazon-Geschäften in Deutschland los?

      Das ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Und die Frage ist immer am schwierigsten zu beantworten. Kunden lieben Vielfalt online und im klassischen Handel. Letzterer steht in Deutschland immer noch für 90 bis 95 Prozent des Handelsumsatzes. Und wir werden uns nie dem verschließen, was der Kunde will.

      Also wann?

      Wir reden nur über Neuigkeiten, wenn Kunden sie auch nutzen können.

      Wenn sie zukaufen, müsste das Unternehmen ja recht groß sein.

      Nein. In Seattle hat Amazon mit einem Buchladen angefangen. Da stand praktisch unsichtbar über der Tür: „Noch einen Buchladen braucht keiner. Aber was können wir besser machen?“ Amazon hat lange experimentiert. Jetzt haben wir einige Läden, und ihre Anzahl nimmt langsam zu. Oder Amazon Fresh: Das Angebot gab es sechs Jahre lang nur in Seattle. Keine besonders große Stadt, aber eine, in der Amazon nah am Kunden ist. Und dann haben wir langsam aufgebaut.

      In Deutschland liefert Amazon frische Lebensmittel jetzt in Berlin, Hamburg und München. Welche Stadt kommt als nächstes?

      Ich schließe keine aus und verrate auch keine. Allerdings hat der Service eine gewisse Intensität in der Bewirtschaftung. Ein Ballungsraum passt da besser, um tatsächlich effizient zu sein und von den Erfahrungen zu lernen.

      Zumal die Gewinnspanne im deutschen Lebensmitteleinzelhandel mit niedrigen einstelligen Prozentwerten gering ist.

      Kommt drauf an. Bei Prime Now, dem Service für die ultraschnelle Lieferung, verkauft Amazon ja nicht nur Lebensmittel. Der Kunde kauft vielleicht ohnehin schon zweimal die Woche Katzenstreu. Da können wir dann auch Eier und andere frische Lebensmittel mit anbieten. Was uns bei der Profitabilität interessiert, ist ja das Gesamtresultat unserer Beziehung zum Kunden. Das beinhaltet Videoschauen, Weihnachtseinkäufe, Musikhören – und jetzt eben mit Amazon Fresh auch frische Lebensmittel. Natürlich soll sich das wirtschaftlich rechnen, aber vielleicht stört uns die niedrige Marge bei Lebensmitteln gar nicht so sehr.

      Wie läuft Amazon Fresh in Deutschland?

      Super (lacht). Die Tatsache, dass wir relativ schnell nach Berlin in Hamburg und München gestartet sind, sendet ja auch ein Signal.